Die Honigsammler: Grüne Woche 2025
14055 Berlin
Marktschwärmereien sind eine vielversprechende Ergänzung zur klassischen Direktvermarktung. Das Interesse für dieses Konzept wächst in Deutschland, besonders bei Bio-Kundinnen und -Kunden. Neben dem Einkauf von regional produzierten landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln bieten die Schwärmereien Raum für neue Kontakte und persönlichen Austausch.
Ursprünglich stammt das Konzept der Marktschwärmerei aus Frankreich. Dort wurde 2011 unter dem Namen "La Ruche qui dit Oui" ("Der Bienenkorb, der ja sagt") die erste Marktschwärmerei gegründet. 2014 zog das sozial wie regional ausgerichtete Start-Up-Projekt weiter nach Spanien, Italien und Belgien.
Im Juli 2014 wurde die erste deutsche Marktschwärmerei in Berlin eröffnet. Gegründet unter dem Namen "Food Assembly", sitzt die Projektgruppe in Berlin. Seit 2017 heißt das Projekt offiziell "Marktschwärmer". 2016 wurde das Projekt auf die Schweiz und die Niederlande ausgeweitet.
In sieben Ländern Europas gibt es aktuell 770 geöffnete Schwärmereien, weitere 68 befinden sich derzeit im Aufbau (Stand September 2024). Allein im Heimatland Frankreich gibt es momentan 369 Schwärmereien. In Deutschland befinden sich in zwölf Bundesländern aktuell 96 Schwärmereien, weitere 27 sind in Planung.
Das Konzept der Marktschwärmerei ist so einfach wie genial. Es funktioniert wie eine Mischung aus Onlinehandel und Bauernmarkt: Auf der Onlineplattform von Marktschwaermer.de legen die Kundinnen und Kunden die gewünschten Produkte in einen virtuellen Einkaufskorb und bezahlen sie. Die Bestellungen werden an die jeweiligen Erzeugerbetriebe weitergeleitet. Für die Erzeugerinnen und Erzeuger bringt das eine enorme Planungssicherheit. Die Bezahlung ist sichergestellt und es ist genau bekannt, welche Erzeugnisse in welcher Menge benötigt werden.
Als Verteilerstandorte kommen die unterschiedlichsten Orte in Frage: Cafés, Fabrikhallen, heimische Gärten oder Bauernhöfe, nahezu alles ist möglich. Zum Teil werden auch Erzeugerinnen und Erzeuger selbst aktiv und gründen auf dem eigenen Betrieb eine Schwärmerei.
Für eine Neugründung können sich Interessierte insbesondere in Regionen mit einer schwächeren Abdeckung an Schwärmereien einbringen und gemeinsam mit dem Berliner Projektteam ein Konzept entwickeln. Wichtige Punkte sind der Verteilerstandort, die Bekanntmachung in der Umgebung und natürlich die Kontakte sowohl zur Kundschaft als auch zu den Erzeugerinnen und Erzeugern.
Die Produkte werden nicht nur von Landwirtinnen und Landwirte bereitgestellt. Auch Käsereien, Ölmühlen, Bäckereien, Imkereien und viele weitere können sich beteiligen. Grundvoraussetzung ist, dass die Produktion in derselben Region stattfindet, in der die Erzeugnisse verkauft werden. Jedes noch so kleine Lebensmittelhandwerk hat in diesem Projekt die Chance, die Produkte direkt an die Kundinnen und Kunden zu verkaufen. Das schafft finanzielle Sicherheit, einen wachsenden Bekanntheitsgrad und die Möglichkeit des Wachstumsund der Entfaltung.
Grundlegend geht es bei der Marktschwärmerei um Lebensmittel. Zusätzlich können die Erzeugerinnen und Erzeugern sogenannte Near-Food-Produkte verkaufen. Hierzu gehören zum Beispiel Bienenwachstücher, Ziegenmilchseife oder Körperöle. Eben alles, was an Nebenerzeugnissen während der Lebensmittelproduktion anfällt oder aus einem Lebensmittelrohstoff geschaffen werden kann. Der Anteil dieser Produkte am Gesamtmarkt ist jedoch sehr gering.
Im Vordergrund steht der regionale Gedanke. Einmal in der Woche findet ein Regionalmarkt statt, an dem die Kundinnen und Kunden ihre Bestellungen am Verteilerort abholen können. Im Durchschnitt beträgt die Entfernung zwischen erzeugendem Betrieb und Marktschwärmerei in Deutschland rund 40 Kilometer.
Allerdings müssen die Produkte einer Marktschwärmerei nicht zwingend ökologisch sein. Dennoch ist eine klare Tendenz in Richtung Bio zu erkennen. Das Projektteam von Marktschwaermer.de betont, dass "sie aktiv an der Agrarwende hin zu mehr Nachhaltigkeit und fairen Marktstrukturen mitwirken möchten. Die Mehrheit ihrer lokalen Einkaufsgemeinschaften begreift diesen Auftrag auch konkret als Förderung des Ökolandbaus." Auf jeder lokalen Einkaufsplattform besteht die Möglichkeit, speziell nach Bio-Produkten zu filtern.
An den Verteilerstandorten kommen alle Beteiligten regelmäßig zusammen, hier können sich alle Interessierten intensiv mit den Lieferantinnen und Lieferanten austauschen. Auch werden immer wieder Hofbesichtigungen angeboten. Zudem ist jeder Erzeugungsbetrieb, der mit Marktschwärmer zusammenarbeitet, zu Transparenz angehalten. Dazu gehören die Auskünfte über Qualität, Anbau- und Produktionsmethoden der Produkte und Zutaten. So wird eine gegenseitige Vertrauensbasis geschaffen, ein Grundpfeiler des gesamten Projekts. Dafür betreibt das Marktschwärmer-Team neben der Plattform einen regelmäßigen Blog. Dort kommen im "Erzeugerportrait" die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter der produzierenden Betriebe zu Wort und werden vorgestellt. Zudem werden Neuigkeiten aus der Projektarbeit veröffentlicht sowie Tipps für alle "Lebenslagen" mitgegeben. Das reicht von Rezepten mit saisonalem Hintergrund über Superfood und plastikfreiem Einkaufen bis hin zu Freizeitaktivitäten.
Laura Kozlowski von Marktschwärmer erklärt:
Viele für Marktschwärmereien erzeugende Unternehmen sind sehr klein. Sie produzieren und agieren zwar nach Bio-Richtlinien, können oder wollen sich jedoch die Bio-Zertifizierung nicht leisten. Deshalb sind sie als konventionelle Erzeugungsunternehmen geführt, sind jedoch im Stillen und in ihrer Überzeugung Bio.
In Deutschland sind Stand September 2024 knapp 3.150 Erzeugerinnen und Erzeuger sowie rund 225.000 Nutzerinnen und Nutzer registriert. Eier zählen laut den Schwärmereien zum beliebtesten Produkt.
Dennoch gibt es einige Regionen, in denen keine Marktschwärmereien zu finden sind. Kozlowski hat hierzu folgende Erklärung:
Die leeren Flächen haben zwei sehr unterschiedliche Hintergründe. Zum einen gibt es in vielen Bundesländern bereits eine weit verbreitete regionale Direktvermarktung. Der zweite Hintergrund wiegt jedoch viel schwerer: Die Gründung der ersten Schwärmerei in einer bisher nicht erfassten Region ist immer am schwierigsten: Der Aufbau eines Netzwerks, die Überzeugung von potenziellen Lieferantinnen und Lieferanten und die anfängliche Kommunikation mit der interessierten Kundschaft. All diese Punkte verlangen Herzblut, Fleiß und Idealismus. Die Betreiberinnen und Betreiber einer Schwärmerei, liebevoll Gastgeber genannt, bewerkstelligen den Aufwand oftmals neben dem Hauptjob und im Vorfeld unentgeltlich. Erst wenn eine Schwärmerei läuft, können die Gastgebenden vergütet werden. Entsprechend groß ist die Freude, wenn neue Gebiete "erschlossen" werden. Die zweite und dritte Schwärmerei geht dann auch viel leichter von der Hand.
Letzte Aktualisierung 25.09.2024