Oekolandbau.de: Wie weit verbreitet ist das Verfahren der Kernspinresonanz-Spektroskopie generell in der Lebensmittelanalytik?
Andreas Juadjur: Die Kernspinresonanz-Spektroskopie wird in der Lebensmittelanalytik immer häufiger eingesetzt. Auch immer mehr Untersuchungsämter setzen auf diese Technologie, um die Authentizität und Qualität von Lebensmitteln zu überprüfen. Metabolomik-Ansätze, unterstützt durch die heutigen Möglichkeiten im Bereich Künstliche Intelligenz und maschinellem Lernen, werden immer gefragter. Diese fortschrittlichen Techniken ermöglichen sehr schnelle, detaillierte Analysen und Vorhersagen. Allerdings sind authentische Daten die Grundvoraussetzung für zuverlässige Ergebnisse.
Oekolandbau.de: Sie haben im Rahmen des Projektes OekoEiSpec mit Ihrem Team eine Datenbank mit den Referenzspektren von rund 4.500 Bio-Eiern aufgebaut. Bleibt diese Datenbank langfristig erhalten?
Andreas Juadjur: Ja, beim DIL wird die Datenbank mit den Referenzspektren von Bio-Eiern dauerhaft und zentral angesiedelt bleiben und auch für externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Labore zugänglich sein. Wir werden sie weiterhin für die Authentizitätsbestimmung von Eiern und für weitere Forschungstätigkeiten nutzen.
Oekolandbau.de: Welche Inhaltsstoffe sind charakteristisch für Bio-Eier?
Andreas Juadjur: Aufgrund der aktuellen Datenlage sprechen einige Inhaltsstoffe wie eine bestimmte Zusammensetzung der Fettsäuren, Aminosäuren, Carotinoide und Cholesterin für die ökologische Haltung, reichen aber als alleiniges Merkmal nicht aus. Die Konzentration dieser und anderer Inhaltsstoffe im Ei wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst, darunter Fütterung, Jahreszeit und die Gesundheit der Hennen. Diese Faktoren variieren sowohl innerhalb als auch außerhalb ökologischer Haltungen. Dadurch können sich die metabolischen Profile von ökologischen und konventionellen Eiern teilweise überlappen. Ein so aussagekräftiges Modell wie in unserem Projekt funktioniert nur über einen ganzheitlichen Ansatz, der auf dem Metabolom basiert und möglichst alle Inhaltsstoffe erfasst. Das ist auch eine wichtige Erkenntnis des Projektes, dass ein valider Nachweis der Authentizität nur über die Gesamtheit der Stoffwechselprodukte im Eigelb möglich ist.
Die 1H-NMR-Spektroskopie in Kombination mit multivariater Datenanalyse, wie der linearen Diskriminanzanalyse (LDA), ermöglicht es, komplexe Muster in den NMR-Spektren zu erkennen, die charakteristisch für unterschiedliche Haltungsformen und Herkunftsquellen sind, die aber leider nicht auf einzelne Inhaltsstoffe zurückgeführt werden können.
Oekolandbau.de: Wie aufwändig ist es, die Eiprobe aufzubereiten und mittels Kernspinresonanz-Spektroskopie zu analysieren?
Andreas Juadjur: Dies ist im Vergleich zu anderen analytischen Methoden recht unkompliziert. Der Prozess umfasst Schritte wie die Extraktion des Eigelbs, das Vorbereiten der Messlösung, das Einstellen des pH-Wertes und die eigentliche Messung mittels NMR-Spektroskopie, die nur 20 Minuten dauert.
Oekolandbau.de: Muss Ihre Datenbank fortlaufend aktualisiert werden, damit die Ergebnisse weiterhin aussagekräftig bleiben?
Andreas Juadjur: Ja, die Datenbank muss kontinuierlich mit neuen Daten aktualisiert werden, um eine hohe Vorhersagekraft zu gewährleisten. Regelmäßige Updates reflektieren mögliche Veränderungen in den Inhaltsstoffprofilen, die durch Änderungen in den Produktionsbedingungen oder der Fütterung verursacht werden. Nur so lässt sich die Modellgenauigkeit erhalten. Eine große Anzahl von Ei-Proben beziehungsweise Referenzspektren ist notwendig, um statistisch robuste und aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Deshalb sollten jährlich mindestens 400 authentische Proben, also mindestens 100 pro Haltungsform, gemessen werden.
Oekolandbau.de: Aus der DIL-Internetseite geht hervor, dass das DIL auch die Qualität und Echtheit von pflanzlichen Lebensmitteln anhand von NMR-Spektroskopie untersucht. Ist hier auch, wie bei dem BÖL-Projekt, der Nachweis der Bio-Qualität möglich?
Andreas Juadjur: Ein Nachweis der Bio-Qualität ist auch bei Honig und pflanzlichen Produkten wie Fruchtsaft und Wein denkbar, wird jedoch derzeit nicht von uns durchgeführt. Bei pflanzlichen Produkten zielt die Analytik mehr auf spezifische qualitätsbestimmende Inhaltsstoffe sowie den Nachweis von Regionalität und möglichen Verfälschungen ab.
Oekolandbau.de: Eignet sich das NMR-Spektroskopie-Verfahren auch, um bei Milch, Fleisch und Wurstwaren die Öko-Haltung der Tiere zu ermitteln?
Andreas Juadjur: Unser Ziel ist es, diese innovativen Analysetechniken auch auf Fleisch und weitere tierische Produkte auszuweiten und weitere relevante Fragestellungen zu untersuchen, etwa im Bereich der ökologischen Haltung, der Grünlandnutzung und des Tierwohls. Wir sind zuversichtlich, dass sich diese Methode auch für andere tierische Lebensmittel sehr gut eignet, um deren Qualität sicherzustellen.
Dr. Andreas Juadjur im Interview mit Nina Weiler für Oekolandbau.de