Oekolandbau.de: Hat sich die Transparenz bisher ausgezahlt?
Jutta Kienzle: Vor der Veröffentlichung der ersten Praxisdaten zum Pflanzenschutz hatten wir ein bisschen Angst vor den öffentlichen Reaktionen. Aber dann ist überhaupt nichts passiert. Die Medien haben so gut wie gar nicht darüber berichtet. Aber seitdem wurde der Bio-Obstbau auch nicht mehr von der Presse kritisiert. Denn wir können mit diesen Daten schwarz auf weiß belegen, was wir tun und was wir anders machen als die konventionellen Betriebe. Auch die Politik hat großes Interesse an den Daten. Sie sind eine wichtige Grundlage für eine fachliche Diskussion und politische Entscheidungen. Und nicht zuletzt bringt es auch den ökologischen Obstbau voran. Denn wenn wir uns weiterentwickeln wollen, müssen wir die Realitäten in der Praxis abbilden und kein Bullerbü, das auf Wunschvorstellungen beruht. Das ist die Basis für Verbesserungen.
Oekolandbau.de: Gab es Ergebnisse, die Sie als Expertin überrascht haben?
Jutta Kienzle: Überrascht hat uns, dass mit schorfwiderstandsfähigen „schowi“-Sorten wie ‘Topaz’, die in großem Stil angebaut werden, immer weniger Pflanzenschutzmittel eingespart werden aufgrund zunehmender Resistenzdurchbrüche. Wir führen diese Entwicklung auf fehlende Sortenvielfalt zurück, die das Risiko für Resistenzdurchbrüche erhöht. Interessant war auch, dass eine neu entwickelte indirekte Maßnahme wie das Laubsaugen kaum praktiziert wird, während die Förderung des Laubabbaus durch Vinasse im Herbst ihren Weg in die Praxis gefunden hat. Einige Betriebe arbeiten das Laub inzwischen in den Baumstreifen ein, obwohl es dazu keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt. Damit hatten wir nicht gerechnet.
Oekolandbau.de: Wie nutzen Sie diese und andere Ergebnisse der Datenanalyse für die Weiterentwicklung?
Jutta Kienzle: Diese Erkenntnisse sind für die Weiterentwicklung sehr wertvoll, weil wir jetzt wissen, was auf den Betrieben tatsächlich gemacht wird. Das gilt besonders für die indirekten Maßnahmen, die das Rückgrat der Strategie sind. Konkret ergibt sich daraus zum Beispiel, dass wir jetzt in einem Projekt prüfen wollen, ob das Einarbeiten von Laub wirksam ist. Eine übergeordnete Erkenntnis ist, wie wichtig die Sortenwahl und vor allem Sortenvielfalt für den vorbeugenden Pflanzenschutz sind.