Schädlinge und Schaderreger in der Klimakrise

Auswirkungen der Klimakrise auf Schädlinge und Schaderreger – eine Einschätzung vom Julius Kühn-Institut

Wie wirken sich Extremwetterlagen auf die Populationsdynamiken von Schädlingen und Schaderregern aus? Und welche Folgen ergeben sich daraus für die Landwirtschaft, insbesondere den Öko-Landbau? Darauf antworten Dr. Sandra Krengel-Horney und Prof. Dr. Stefan Kühne vom Julius Kühn-Institut für Strategien und Folgenabschätzung.

Oekolandbau.de: Extremwetterlagen im Zuge der Klimakrise bedrohen die landwirtschaftliche Produktivität. Inwiefern werden sich die Populationsdynamiken diverser Schadorganismen und Krankheitserreger wahrscheinlich verändern?

Sandra Krengel-Horney: Die Auswirkungen der Klimaveränderungen werden sich in den verschiedenen Teilen Deutschlands und auch je nach Anbaubedingungen unterschiedlich stark auswirken. Die östlichen Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden den projizierten Wassermangel im Frühjahr und Sommer am deutlichsten spüren. Die sandigen Böden haben eine geringe Wasserspeicherfähigkeit und die zunehmende Vorsommertrockenheit führen zu Dürren. Bestimmte Kulturen wie zum Beispiel die Kartoffel können nur noch mit Beregnung wirtschaftlich angebaut werden. Durch das häufigere und zum Teil intensivere Auftreten extremer Wetterlagen und Wetterereignisse, wie zum Beispiel Hagelschlag steigen sowohl abiotische als auch biotische Anbaurisiken, was sich in einer höheren Variabilität von Erträgen und Qualitäten landwirtschaftlicher Produkte zeigt. An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass es neben einem generellen Anstieg der Temperatur höchstwahrscheinlich zu einer Umverteilung, nicht unbedingt Abnahme, der Niederschlagsmengen kommt. Im Sommer werden seltenere, aber intensivere Regenereignisse angenommen und im Winter sogar ein Anstieg der Regenmengen. Diese Erkenntnisse sind für die Abschätzung zukünftiger biotischer Risiken wichtig. 

    Stefan Kühne: In Bezug auf die Schadorganismen lässt sich zunächst festhalten, dass es keine generelle Aussage gibt, da die Auswirkungen stark von der Biologie der Organismen abhängen. Viele Schadinsekten werden von einer wärmeren und trockeneren Witterung im Frühjahr und Sommer profitieren. Oft lagen die Temperaturen der letzten 20 bis 30 Jahre noch unterhalb der Optima für Vermehrung und starker Fraßleistung. Allerdings kann man davon ausgehen, dass sich feucht-milde Winter in vielen Fällen sogar eher reduzierend auf den Schaderregerdruck auswirken, weil viele der im Boden oder in Bodennähe überwinternden Insektenstadien vermehrt durch Verpilzung reduziert werden.  

    Viele heimische Insekten halten eine trocken-kalte Phase besser aus, weil sie die Fähigkeit haben, Glykol als Frostschutzmittel zu bilden. Ein mildes und früh eintretendes Frühjahr kann demgegenüber zu einer frühen Besiedelung der Kulturen führen. Für viele pilzliche Schaderreger werden sich die Bedingungen eher verschlechtern, wenngleich es hier zu einer weiteren Verschiebung der Relevanz hin zu wärmeliebenden Erregern von beispielsweise Rostpilzen kommen wird. Sommertrockenheit wirkt der Ausbreitung von Pilzkrankheiten aber grundsätzlich entgegen. In Hinblick auf Unkräuter und -gräser ist der Wissensstand zu den Effekten des Klimawandels am geringsten, da die Untersuchungen schwierig sind, da oft standörtliche und anbautechnische Bedingungen die Effekte überlagern. Aber auch hier ist von einer Verschiebung der Relevanz hin zu wärmeliebenden Arten auszugehen. Insbesondere in Reihenkulturen können intensive Pflanzenschutzmaßnahmen notwendig werden. Für alle Schadorganismengruppen wird davon ausgegangen, dass sich neue Arten etablieren können und sich die Verbreitungsgebiete in Richtung Norden ausweiten.

      Beispiele für Schädlinge und Schaderreger, die sich ausbreiten könnten

      • Kartoffelkäfer als wärmeliebende Arten profitieren von der verlängerten Vegetationsperiode und können dann auch eine zweite Käfergeneration ausbilden und damit die Population stärken. Um den Wasserbedarf der Kartoffel zu sichern, nutzen Landwirtinnen und Landwirte bereits die Tröpfchenbewässerung um Wasser zu sparen und das Auftreten von Pilzkrankheiten zu minimieren.   
      • Zunehmende Bedeutung von Viruserkrankungen zum Beispiel des Gelbverzwergungsvirus am Getreide. Die Übertragung findet im Herbst durch Blattläuse statt und ist umso größer je länger im Herbst milde Temperaturen herrschen. 
      • Feuchtwarme Witterung fördert Pilzwachstum – Kraut- und Knollenfäule breitet sich nach Skandinavien aus und tritt bei uns bis zu vier Wochen früher im Jahresverlauf auf. 
      • Viele Samenunkräuter werden durch Temperaturanstieg begünstigt und breiten sich aus, wie zum Beispiel Windhalm, Hühnerhirse, Taube Trespe. Wurzelunkräuter wie zum Beispiel die Ackerkratzdistel können aufgrund ihrer tief reichenden Wurzeln Trockenperioden besser überstehen.

      Oekolandbau.de: Welche Schädlinge werden mit Blick auf die sich ändernden Klimabedingungen in Deutschland zunehmen oder sogar neu einwandern?  

      Kühne: Die Kirschessigfliege oder der Japankäfer sind der pflanzenbaulichen Praxis insbesondere im Süden Deutschlands mittlerweile ausreichend als einwandernde Schaderreger mit hohem Schadpotential in der Landwirtschaft bekannt. Anders sieht es bei der Verbreitung neuer Heuschreckenarten in Deutschland aus. Sie treten in südeuropäischen Ländern immer wieder als Landwirtschaftsschädlinge auf. Wir haben daher untersucht, ob durch die klimawandelbedingte Nordverschiebung wärmerer Zonen klimatisch geeignete Lebensräume für Feldheuschrecken in Deutschland entstehen und landwirtschaftlich genutzte Flächen dadurch betroffen sein können. Mit der Software CLIMEX wurde die mögliche Verbreitung der Italienischen Schönschrecke, der Marokkanischen Wanderheuschrecke und der Europäischen Wanderheuschrecke für 20 Standorte in Deutschland in sechs Szenarien modelliert. Aufgrund der Ergebnisse ist zu erwarten, dass sich die Italienische Schönschrecke in Deutschland stark verbreiten wird. Berichte über Massenvermehrungen dieser Art liegen in den 1990er Jahren aus praktisch allen Steppenregionen Südrusslands vor, in denen man Bekämpfungsmaßnahmen auf mehr als 200.000 Hektar durchgeführt hat. Heute ist diese Heuschreckenart schon häufig in Berlin und Brandenburg zu finden. Die Wanderheuschrecken werden demgegenüber zukünftig nur kleine und lokale Populationen ausbilden können.

      Krengel-Horney: Heuschreckenschwärme können potenziell pflanzliche Erzeugnisse auf etwa 10 bis 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland bedrohen. Ihr Auftreten schätzen wir allerdings bisher als unwahrscheinlich ein, da die intensive Nutzung von Grünlandflächen bisher nur unzureichende Vermehrungsbedingungen bietet. Die Schaffung größerer Brachflächen im Rahmen von Umweltschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen könnte dies zukünftig ändern. Zusätzlich sollten Schwarmbildungen im Ausland und mögliche Migrationsrouten nach Deutschland untersucht werden. Weiterhin wird die Entwicklung von Konzepten zur Prävention und Intervention für den Fall einer Heuschreckeninvasion empfohlen. Insgesamt ist jedoch aktuell von einem geringen Gefahrenpotenzial von Feldheuschrecken für die deutsche Landwirtschaft auszugehen.

      Oekolandbau.de: Inwieweit ist die Praxis darauf vorbereitet? 

      Krengel-Horney: Der Prozess der Veränderung bzw. Anpassung an den Klimawandel ist ein schleichender Prozess, der im Zuge bereits messbarer Klimaänderungen schon eine Zeit im Gange ist. Jedoch zeigen sich die Veränderungen in den letzten zehn Jahren besonders deutlich und schreiten rasch voran. Die Praxis reagiert bereits mit den verfügbaren Mitteln wie Aussaat-Termin und Fruchtfolgegestaltung auf die Veränderungen. Auch neue Kulturen wie Kichererbsen und Soja werden im Anbau erprobt und bieten neue Vermarktungschancen. Eine besondere Herausforderung sind dabei die verschiedenen Maßnahmen auf die neue Situation auszurichten und richtig zu kombinieren. Auch bestehen Lücken im Werkzeugkasten der Landwirte wie zum Beispiel Sorten mit Resistenzeigenschaften gegenüber tierischen Schaderregern. Die begrenzte Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln verstärkt den Druck auf die Forschung alternative Maßnahmen zum chemischen Pflanzenschutz zu entwickeln und miteinander zu verknüpfen.

      Oekolandbau.de: Bietet der biologische Pflanzenschutz Vorteile in der Klimakrise? 

      Kühne: Der biologische Pflanzenschutz wird heute umfassend definiert und beinhaltet sowohl die Nützlingsförderung durch Blühstreifen und Hecken als auch die Anwendung von Nutzorganismen und biologischen Pflanzenschutzmitteln. Der Ökologische Landbau verfügt hier über einen größeren Erfahrungsschatz bei der Anwendung eines ganzheitlichen Vorgehens im Pflanzenschutz. Neben den biologischen- werden auch die vorbeugenden Pflanzenschutz-Maßnahmen, wie zum Beipiel die Nutzung von Fruchtfolgeeffekten oder Sorteneigenschaften stärker berücksichtigt. Zukünftig ist auch der konventionelle Landbau noch stärker als bisher auf ein integriertes und ganzheitliches Vorgehen im Pflanzenschutz angewiesen. Ein Vorteil kann sich aus dem Umstand ergeben, dass von biologischen Verfahren in der Regel geringere Nebenwirkungen auf die Umwelt ausgehen und sogar die Biodiversität gefördert wird. 

      Oekolandbau.de: Bietet die im Öko-Landbau verbotene Technik der Gen-Schere CRISPR/Cas Ihrer Meinung nach Lösungen?

      Kühne: Die Technik ermöglicht, das Erbgut von Pflanzen einfach und mit höchster Präzision zu verändern ohne Spuren im Genom zu hinterlassen. Ein Vorteil gegenüber klassischen transgenen Methoden ist, dass letztlich keine artfremde DNA ins Genom eingebaut ist. Die Methode bietet die Chance gezielt und schneller als bisher an den Klimawandel angepasste Sorten bereitzustellen. Auch anderen Faktoren kann in kürzerer Zeit begegnet werden, denn auch Schaderreger passen sich an. Mit herkömmlichen Züchtungsmethoden kann es schon mal sieben bis 15 Jahre dauern, bis eine Kultursorte zugelassen wird, bei Dauerkulturen deutlich länger. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 25. Juli 2018, dass grundsätzlich auch mit der CRISPR/Cas-Methode bearbeitete Pflanzen ohne Fremd-DNA als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) anzusehen sind und den in der GVO-Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen unterliegen. Im Öko-Landbau sind gentechnische Methoden verboten und durch die Verbände strikt abgelehnt. Diese Position ermöglicht eine scharfe Abgrenzung zum konventionellen Landbau und wird durch viele Verbraucher honoriert. Die Forschung sollte allerdings als Plattform für den weiteren fachlichen Austausch dienen.  

      Oekolandbau.de: Sehen Sie die Ernährungssicherheit in Deutschland in den nächsten 10 bis 20 Jahren bedroht?

      Krengel-Horney: Grundsätzlich nicht. Bezogen auf die landwirtschaftliche Produktion hat Deutschland das wissenschaftliche und wirtschaftliche Potenzial, sich an die mit dem Klimawandel verbundenen Veränderungen anzupassen. Forschungsergebnisse zu künftig zu erwartenden Ertragsentwicklungen bei Ackerbaukulturen zeigen, dass im Zuge des Klimawandels beide Seiten der Medaille betrachtet werden sollten: Die längere Vegetationszeit und höhere Kohlendioxidwerte in der Atmosphäre können das Pflanzenwachstum durchaus positiv beeinflussen, jedoch erhöht sich durch die Klimaveränderungen ebenfalls das Risiko von Ertragsverlusten in der Landwirtschaft. Wichtig aber ist, dass die Herausforderungen auf allen Ebenen – Wissenschaft, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und landwirtschaftliche Praxis – angenommen, gezielte Anpassungsprozesse in Gang gesetzt und so bestehende Potentiale ausgeschöpft werden können.


      Letzte Aktualisierung 28.02.2023

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