Interview: Johannes Dries und Philipp Holz von Klima-Farm-Bilanz

Klima-Farm-Bilanz: Klimabilanz für (Bio-)Höfe

Welche Quellen klimaschädlicher Treibhausgase in der landwirtschaftlichen Produktion gibt es und wo liegen die Einsparpotenziale? Antworten auf diese Fragen liefern Johannes Dries und Philipp Holz vom Projekt Klima-Farm-Bilanz. In Rheinland-Pfalz ebnen sie mit dem Beratungsangebot den Weg zu mehr Energieeffizienz und Klimaschutz auf dem jeweiligen Betrieb! Initiativen wie diese gibt es in Niedersachsen und Hessen schon viele Jahre. Rheinland-Pfalz legt mit Klima Farm Bilanz jetzt nach!

Johannes Dries und Philipp Holz sind Projektkoordinatoren von Klima Farm Bilanz, ein von der EU gefördertes Innovations-Partnerschaftsprojekt (EIP-Agri). Zusammen mit anderen bundesweit tätigen Klimaberaterinnen und -beratern ermitteln sie auf Wunsch kostenlos den individuellen CO2-Fußabdruck landwirtschaftlicher Betriebe. Ab Oktober 2022 steht auch ein Beratungsangebot für den Weinbau zur Verfügung. Im Interview sprechen wir mit den beiden Klimaberatern über das Projekt sowie die Herausforderungen einer klimaverträglichen Landwirtschaft.

Was ist ein EIP-Agri Projekt?

  • EIP-Agri steht für "Europäische Innovationspartnerschaft für Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit" und wird zu 80 Prozent aus EU-Mitteln und zu 20 Prozent von Landesmitteln finanziert
  • Ziel ist es, die landwirtschaftliche Produktion bei geringerem Ressourcenverbrauch zu steigern und dadurch nachhaltiger zu machen
  • In sogenannten Operationellen Gruppen sitzen Landwirtinnen und Landwirte, Forschende sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Beratung, Unternehmen und Verbänden an einem Tisch, um ein Problem der landwirtschaftlichen Praxis gemeinsam zu lösen

Oekolandbau.de: Seit 2022 beraten Sie im Rahmen des Projekts Klima-Farm-Bilanz Landwirtinnen und Landwirte in Rheinland-Pfalz. Wie kam es zu dem Projekt? Was ist das Ziel?

Dries: Die Projektidee entstand durch die konkrete Nachfrage von Landwirtinnen und Landwirten: Wie klimafreundlich ist mein Betrieb bereits? Und wo können wir ansetzen, um den CO2-Fußabdruck zu verbessern? In Niedersachsen und Hessen gab es bereits Beratungsangebote, aber noch keins in Rheinland-Pfalz.

Heute setzen wir uns dafür ein, Wege aufzuzeigen, wie die rheinlandpfälzische Landwirtschaft klimaeffizienter werden kann. Absolute Grundbedingung ist hier, dass die Wirtschaftlichkeit der Betriebe auf dem bestehenden Niveau erhalten bleibt, im besten Fall aber sogar gesteigert werden kann. Ein weiterer wichtiger Grundpfeiler des Projekts ist die Öffentlichkeitsarbeit. Oft wird die Diskussion darum, inwiefern die Landwirtschaft eine Lösung in der Klimakrise sein kann, leider sehr einseitig, undifferenziert und emotional geführt. Uns ist es wichtig sachlich über diese Thematik aufzuklären! Bisher haben etwa 40 Betriebe die Beratung in Anspruch genommen.

Holz: Der Mehrwert für Landwirtinnen und Landwirte liegt im Wissen um den eigenen Fußabdruck und den damit verbundenen Argumenten im Dialog mit Kundschaft oder Gewerbe. Zusätzlich hilft jede Bilanz Mittelwerte für Rheinland-Pfalz zu generieren und damit eine Diskussionsgrundlage für Politik und Wirtschaft auf Länderebene zu schaffen.

Oekolandbau.de: Wie läuft eine Klimaberatung ab?

Dries: Eine Beratung besteht aus zwei Terminen. Beim ersten Termin machen wir einen Hofrundgang und setzen uns danach zusammen, um die benötigten Daten zusammenzutragen. Hier ist wichtig: diese Daten liegen der Landwirtin oder dem Landwirt bereits vor und müssen nicht noch extra erhoben werden.

Anschließend berechnet die Klimaberaterin oder der Klimaberater die Klimabilanz. In einem Folgetermin werden die Ergebnisse der Bilanz besprochen. Dabei werden Stellschrauben identifiziert und überlegt, welche Maßnahmen man im nächsten Jahr umsetzen kann, um den CO2-Fußabdruck zu verringern. Im Nachgang bekommen die Landwirtin oder der Landwirt eine ausführliche Ergebnisdarstellung und eine Urkunde zur erfolgreichen Teilnahme am Klima-Check.

Oekolandbau.de: Ist eine Klimaberatung in allen Bundesländern möglich und kostenlos?

Dries: Nein, noch nicht. Zurzeit (Stand: August 2022) gibt es das Angebot der Agrar-Klima Beratung in Niedersachsen, Hessen und hier in Rheinland-Pfalz. In Niedersachsen wird schon seit einiger Zeit eine Klimaschutzberatung von der dortigen Landwirtschaftskammer angeboten. Hier fällt nur die Mehrwertsteuer als Kostenpunkt an. In Hessen gibt es vom dort ansässigen Landesbetrieb Landwirtschaft ein Beratungsangebot, das vom Land bezahlt wird. Und in Bayern werden die Landwirtinnen und Landwirte von der Landesanstalt für Landwirtschaft mit einem Online-Tool zur Quantifizierung und Bewertung der Klimawirkung landwirtschaftlicher Tätigkeit versorgt. In vielen weiteren Bundesländern befinden sich Beratungsangebote in der Aufbauphase oder sind zumindest angedacht. Teilweise gibt es auch private Beratungsringe, welche eine Klimaberatung mitanbieten.

Oekolandbau.de: Wie sehen die bisherigen Bilanzen bzw. Ergebnisse aus?

Dries: Wir erleben eine große Diversität der Betriebe. Das bestätigt unseren einzelbetrieblichen Ansatz. Denn dieser erlaubt es auf die betriebsspezifischen Besonderheiten einzugehen und diese in der Klimabilanz zu berücksichtigen. Es hat sich gezeigt, dass die Betriebe in Rheinland-Pfalz im Schnitt schon sehr effizient und damit klimaeffizient wirtschaften. So wird auf den Höfen schon im großen Stil regenerative Energie über PV- und in einigen Fällen über Biogasanlagen produziert.

Die Minderungspotentiale der Betriebe liegen im Schnitt bei drei bis acht Prozent Reduktion der THG-Emissionen gemessen in CO2-Äquivalenten je Produkteinheit, also Liter Milch oder Kilogramm Getreide. Größere Investitionen wie eine Biogasanlage, zum Beispiel in einem Milchviehbetrieb, können einmalig zehn Prozent oder mehr einsparen. Das ist aber die absolute Ausnahme und mit dieser Maßnahme ist dann auch der größte Teil des Einsparpotenzials ausgeschöpft. Es darf nicht der falsche Eindruck entstehen, dass im nächsten Jahr an gleicher Stelle nochmal fünf oder zehn Prozent möglich sind.

Wichtig zu verstehen ist, dass es ist nicht möglich ist Lebensmittel klimaneutral zu produzieren: Bei der Rinderhaltung entsteht unvermeidlich Methan, bei der Stickstoffdüngung unvermeidlich Lachgas. Der Ausstoß dieser Gase lässt sich nur reduzieren, nicht komplett verhindern.

Oekolandbau.de: Wurden konkrete Maßnahmen schon umgesetzt? Wo liegen die Herausforderungen in der Umsetzung?

Holz: Das ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Die konkrete Bewertung von erfolgten Maßnahmen kann erst ab einer zweiten Bilanz geprüft werden. In Rheinland-Pfalz fehlen uns dazu noch Daten, weil wir erst im Januar 2022 mit der Beratung begonnen haben. Dennoch können wir bei den Landwirtinnen und Landwirten unseres Projekts erste Erfolge von Maßnahmen erkennen: So wurde im Ackerbau durch Aussaat einer Zwischenfrucht der Einsatz von N-Dünger um 20 Kilogramm je Hektar verringert, wodurch der Betrieb fünf Prozent seiner Emissionen pro Kilogramm Trockenmasse Getreide einsparen konnte. In einem Milchviehbetrieb wurde die Nutzungsdauer der Kühe um sechs Monate erhöht, wodurch der CO2-Fußabdruck hier um zwei Prozent gesunken ist. In CO2-Äquivalenten waren das 12 Gramm pro Liter, was für den Betrieb mit knapp 300 Kühen insgesamt knapp 35 Tonnen Einsparung bedeutet.

Generell lässt sich festhalten, dass Hofeigentümerinnen und Hofeigentümer Entscheidungen für Veränderungen der Wirtschaftsweise meist aus rein ökonomischen Gesichtspunkten abwägen. Manche Maßnahmen sind mit großen Investitionen verbunden und werden daher nicht sofort umgesetzt.

Oekolandbau.de: In welchen Bereichen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb lassen sich erfahrungsgemäß die meisten CO2-Einsparungen erwarten?

Holz: Zu den großen Stellschrauben gehören im Bereich der Tierproduktion die eigene Futterherstellung und bei Wiederkäuern das Güllemanagement und eine möglichst lange Nutzungsdauer; Im Bereich des Ackerbaus die effiziente Nutzung von Düngemitteln: So unterscheidet sich die direkte Einarbeitung des Wirtschaftsdüngers von der Einarbeitung nach vier Stunden oder mehr um den Faktor zehn was die Ammoniak Emissionen betrifft. Das Ausbringen der Gülle auf dem Grünland mittels Injektion oder Schleppschuh ist mit etwa halb so vielen Ammoniak Emissionen verbunden wie mittels Breitverteiler. So kann Technisierung einen Vorteil bieten, wie beispielsweise auch die teilflächenspezifische Ausbringung von Düngemitteln.

Oekolandbau.de: Wie sähen effektive Anreize für Landwirtinnen und Landwirte aus, um mehr Klimaschutz zu betreiben? Mehr Wissen, Infos, Geld?

Dries: Platt gesagt: Klimafreundliches wirtschaften muss sich einfach mehr rechnen als klimaschädliches! Dazu müssen natürlich entsprechende politische Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es gibt diverse Ausarbeitungen der Zukunftskommission Landwirtschaft und auch des Borchert-Plans in denen Klimaschutz mitgedacht wird. Diese Pläne benötigen aber zwingend zwei Elemente: Die Förderung der Transformation der Landwirtschaft durch die Politik, sprich Geld und das Verständnis und den Willen der breiten Bevölkerung diese Transformation auch mitzutragen. Damit entscheidet sich der Erfolg von Klimaschutz in der Landwirtschaft, wie bei vielen Programmen für die heimische Landwirtschaft, auch am Supermarktregal.

Außerdem sollten alle Landwirtinnen und Landwirte die Möglichkeit bekommen, eine solche Beratung kostenlos in Anspruch zu nehmen, um einen Einstieg in das Thema zu bekommen. Zudem benötigen sie konkrete finanzielle Anreize, wenn es darum gehen soll die tierische Produktion zurückzufahren und auf pflanzliche Produkte umzusteigen. Und ganz wichtig ist eine höhere Wertschätzung für die Gemeinwohlleistungen, die in der Landwirtschaft geleistet werden.

Oekolandbau.de: Ist denn die ökologische Landwirtschaft per se klimafreundlicher als die konventionelle?

Holz: So einfach lässt sich diese Frage nicht beantworten. Grundsätzlich unterscheiden sich die beiden Wirtschaftsweisen in ihrer Ausrichtung: Während der Öko-Landbau einen großen Fokus auf Nachhaltigkeit legt, verfolgte die konventionelle Landwirtschaft das Ziel möglichst viele Menschen aus einer begrenzten Fläche zu ernähren.

Daher ist der Bezugsrahmen ausschlaggebend: Auf die Fläche bezogen ist der Fußabdruck von ökologisch wirtschaftenden Betrieben geringer. Schaut man sich die produktbezogene Klimawirkung an ist der konventionelle Betrieb meist besser.

Am Beispiel der Milchkuhhaltung können wir sehen, dass ein Betrieb, der jährlich 10.500 Liter aus einer Kuh melkt, einen hohen Output besitzt, was gut für den produktbezogenen Fußabdruck ist. Gleichzeitig ist ein hoher Input in das System notwendig, etwa in Form von mineralischem Dünger auf den Feldfutterflächen oder zugekauftem Futter, um die Ration für Hochleistungskühe genau abzustimmen.

Dagegen kann ein ökologischer Betrieb mit einer Durchschnittsleistung von 6.500 Litern pro Kuh, also weniger Output, den gleichen produktbezogenen Fußabdruck erreichen, weil hier der Input ins System wesentlich geringer ausfällt. Hier  werden keine chemisch-synthetischen Düngemittel eingesetzt und die Kühe ernähren sich hauptsächlich von Gräsern – womit die Emissionen des Futterbaus auf dem Acker geringer ausfallen. Unterm Strich geht es also immer um das effiziente Haushalten mit den Ressourcen.

Oekolandbau.de: Bei Unternehmen ist oft die Rede von CO2-Neutralität oder „Netto 0“. Was bedeutet das? Und kann man dieses Ziel auf die Landwirtschaft übertragen?

Dries: Netto-THG-Neutralität bedeutet, dass das unternehmerische Handeln ohne jegliche Klimawirkung ist: Unterm Strich werden nur noch so viele Emissionen ausgestoßen, wie an anderer Stelle durch CO2-Senken, wie zum Beispiel durch einen aufwachsenden Baumbestand, eingelagert werden. In der Regel gleicht das Unternehmen seine Emissionen durch Kompensationszertifikate aus. Diese Zertifikate versprechen zum Beispiel das Aufforsten eines Waldes in Südamerika, wodurch eine gewisse angenommene Menge CO2 pro Jahr eingelagert wird. Aus meiner Sicht ist das aber leider in den meisten Fällen "greenwashing", da dieses Vorgehen mit enorm vielen Unsicherheiten behaftet ist. Zum Beispiel wird nicht geprüft, ob der Wald überhaupt aufwächst oder, ob daraus ein etablierter, dauerhafter Bestand wird. Des Weiteren kommt es immer wieder vor, dass CO2-Senken mehrfach verbucht werden.

Diese Vorgehensweise könnte man auch auf die Landwirtschaft übertragen, sie ist aber aus meiner Sicht klimaschutztechnisch nicht zielführend. Die Landwirtschaft kann aus sich selbst heraus nicht klimaneutral werden; das liegt vor allem an der Methan- und Lachgasproblematik. Zwar würde eine starke Extensivierung die Klimawirkung deutlich verkleinern, sie ginge aber sehr zu Lasten der Produktivität. In der Landwirtschaft sollte man daher den Blick auf das richten, was sie beisteuern kann. Und das ist schon jede Menge! Zunächst ist es für den Sektor Landwirtschaft wichtig die THG-Emissionen soweit wie möglich zu mindern. Die Restemissionen müssen dann über CO2-Senken innerhalb und außerhalb des Sektors kompensiert werden. Negative CO2-Emissionen durch Humusaufbau auf landwirtschaftlichen Flächen, die in diesem Zusammenhang oft genannt werden, können dabei nur ein Teil der Lösung sein. Die wichtigere Funktion des Humusaufbaus liegt bezüglich Klima in der Klimaanpassung.

Mehr Informationen zum Handel mit Humuszertifikaten
Eine Stellungnahme von Klimapraxis und 30 weiteren Organisationen zu diesem Thema finden Sie hier.

Wie sieht für Sie das Idealbild der landwirtschaftlichen Zukunft aus?

Dries: Folgende Faktoren hätten den größten positiven Einfluss auf eine klimaschützende Landwirtschaft: Die Etablierung einer verlustarmen Kreislaufwirtschaft, die Verbesserung der Stickstoffeffizienz, die Wiedervernässung trockengelegter Moore und die Nassnutzung der Moore, eventuell in Kombination mit Agriphotovoltaikanlagen.

Zusätzlich würden wir in Deutschland unseren Konsum von Lebensmitteln bewusster gestalten: Weniger tierische Lebensmittel konsumieren, dafür aber aus besseren Haltungsformen! Wir kommen weg von der Einstellung, dass Lebensmittel immer und überall verfügbar sind und verschwenden auch weniger Lebensmittel. Die Menschen sind umfassend informiert und entlohnen nicht nur den Anbau von Lebensmitteln, sondern vielmehr auch die Ökosystemleistungen der Landwirtschaft. Grundsätzlich genießt die Landwirtschaft mit ihrer gesellschaftlichen Leistung mehr Wertschätzung in der gesamten Bevölkerung. Für die Bäuerinnen und Bauern bedeutet das: Gleicher monetärer Ertrag für weniger Produktion – wodurch auch die Emissionen sinken!

Die beiden Ausrichtungen des ökologischen und konventionellen Anbaus nähern sich gegenseitig an, um eine stabile Produktion bei gleichzeitiger Förderung der Ökosysteme zu gewährleisten. Die tatsächlichen Kosten, die ein Lebensmittel verursacht, werden in die Produkte eingepreist wie beim "True cost accounting". So werden klimaschädliche Produkte automatisch teurer und dadurch weniger nachgefragt. Generell wird ein deutlich größerer Anteil des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben als bisher. Die Landwirtschaft sorgt nach wie vor für die Ernährungssicherheit in Deutschland und liefert Produkte mit einer hohen Qualität. Und das Wirtschaften findet unter Wahrung der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit statt!

Oekolandbau.de: Wen sehen Sie in der Pflicht, um der Krise angemessen zu begegnen? Politik, Praxis oder Verbraucherinnen und Verbraucher?

Holz: Um das aktuelle Gefüge von industrieller Vernetzung, politischer Hierarchie und Preiswahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger wirklich einordnen zu können, müssen wir uns die Geschichte der Europäischen Union vor Augen führen:

Wir befinden uns in einer Wirtschaftsgemeinschaft, welche seit Beginn die Landwirtschaft subventioniert und entsprechende Anreize zur Maximierung von Produktion gesetzt hat.

Diese Historie hat direkten Einfluss auf die Preiswahrnehmung unserer Gesellschaft. Seit dem zunehmenden "Öffnen" des europäischen Marktes sind wir in den letzten Jahren globalpolitisch von einem stark beschützten in einen, etwa durch Handelsabkommen, offenen Weltmarkt gesteuert, welcher unsere Landwirtinnen und Landwirte heute vor Herausforderungen stellt. Gleichzeitig haben wir eine Generation erzogen, die es gewohnt ist, günstige Lebensmittel zu jeder Jahreszeit zu konsumieren.

Es ist ein Irrglaube, dass wir der Krise angemessen begegnen können, ohne dass wir unsere Konsumgewohnheiten ändern. Bürgerinnen und Bürger müssen Einsichten in die Folgen ihres Konsums und die Agrarpraktiken in- und ausländischer Hersteller bekommen, damit sie an der Kasse eine bewusste Entscheidung treffen können. Darüber hinaus haben wir in Deutschland vier große Lebensmittelhändler, welche rund 85 Prozent Marktanteil besitzen, wozu es zu einer Asymmetrie der Geldverteilung kommt, in der Landwirtinnen und Landwirte nur einen Bruchteil des Erlöses erhalten.

Daher sehe ich die Verantwortung bei allen Akteurinnen und Akteuren: Wir brauchen ein bundes- oder europaweites Herkunftskennzeichen oder Label, welches die Umweltkosten deutlich macht unter denen die Lebensmittel entstanden sind, wie zum Beispiel den Planet-Score. Diese Umweltkosten sollten dann auch bei den Produkten eingepreist werden – um Leakage Effekte durch günstige Produkte mit niedrigeren Qualitätsstandards aus dem Ausland zu vermeiden. Der Lebensmittelhandel sollte vertraglich an die Abnahme von Produkten gebunden sein, mit denen sie Werbung für Tierwohl und Klimaschutz machen. Und wir als Verbraucherinnen und Verbraucher müssen uns von der Illusion lösen, das Billigware mit fragwürdigen "Klimaneutral"-Zertifizierungen wirklich schonend für Mensch und Umwelt sind.

Gemeinsam können wir unseren Konsum auf Nachhaltigkeit ausrichten und dafür Sorge tragen, dass unsere Landwirte und Landwirtinnen die Entlohnung und Wertschätzung erhalten, die sie verdienen.


Letzte Aktualisierung 02.11.2022

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