Mob Grazing – Weidestrategie für trockene Gebiete

Mob Grazing – Weidestrategie für trockene Gebiete

Die Klimakrise stellt Tierhalterinnen und -halter in trockenheitsgefährdeten Grünlandregionen vor große Herausforderungen. Viele Wiesen und Weiden geben wegen anhaltender Trockenheit nicht mehr genügend Futter her, mit der Folge, dass die Betriebe die Tiere vorzeitig von der Weide holen und das Futter teuer zukaufen müssen. Mit Mob Grazing können in dürregefährdeten Regionen stabile Grünlanderträge erzielt und die Fruchtbarkeit der Böden verbessert werden.

Vor diesem Hintergrund findet gerade eine neue Methode das Interesse von Landwirtinnen und Landwirten: Mob Grazing. Diese Weidestrategie stammt ursprünglich aus Regionen der Erde, wo lange Trockenperioden keine Seltenheit sind – zum Beispiel die Prärien Nordamerikas oder die Savannen des südlichen Afrikas. Dort wird Mob Grazing seit Jahrzehnten schon angewendet und beschert den Tierhalterinnen und Tierhaltern stabile Erträge.

In Europa gibt es mit Mob Grazing bislang noch wenig Erfahrungen, was vor allem daran liegt, dass die meisten Grünlandregionen hierzulande bislang keine Niederschlagsdefizite aufwiesen. Dies hat sich jedoch geändert und macht vielerorts ein Umdenken nötig. Verschiedene Forschungsprojekte und Praxisbetriebe beschäftigen sich daher seit einigen Jahren eingehender mit dieser Methode. Mit dem Netzwerk Mob Grazing hat sich zudem eine Initiative entwickelt, die Mob Grazing im deutschsprachigen Raum als strategisches Weidewerkzeug fördern möchte.

    Man darf Mob Grazing nicht als starres Weidesystem verstehen, sondern vielmehr als strategisches Tool in der Werkzeugkiste eines weidehaltenden Betriebs, sagt Josefin Röwekamp, vom Netzwerk Mob Grazing.

    Was ist Mob Grazing? 

    Vereinfacht gesagt wird beim Mob Grazing das natürliche Weideverhalten von Wildtierherden nachgeahmt. Konkret bedeutet das: Viele Tiere weiden eng nebeneinander in kurzer Zeit auf einer kleinen Fläche mit hohem Aufwuchs. Anschließend zieht die Herde weiter und die Fläche bekommt viel Zeit, um sich zu regenerieren.

    In seiner praktischen Ausführung ähnelt Mob-Grazing einer intensiven Portionsweide innerhalb einer Koppel – allerdings in abgewandelter Form. Dabei sind die folgenden Punkte charakteristisch:

    Hohe Besatzdichte und kurze Beweidungsdauer

    Den gewünschten Herdeneffekt erreicht man laut Netzwerk Mob Grazing ab einer Besatzdichte von Minimum 100.000 Kilogramm Lebendmasse pro Hektar. Gemeint ist damit das Herdengewicht bezogen auf die tatsächliche Weidefläche pro Umtrieb (hochgerechnet auf einen Hektar). Die Besatzdichte ist nicht zu verwechseln mit der Besatzstärke, die das durchschnittliche Lebendgewicht für die Gesamtfläche pro Jahr angibt.

    Neben der Besatzdichte ist der Faktor Zeit sehr bedeutend: Die Beweidungsdauer pro Umtrieb ist beim Mob Grazing äußerst kurz und liegt je nach Jahreszeit, Aufwuchs und Koppelgestaltung meist zwischen sechs und 24 Stunden.

    Mit der hohen Besatzdichte und der kurzen Beweidungsdauer will man verschiedene Ziele erreichen:

    • Die Tiere fressen den oberen nährstoffreichen Teil des Grasbestands – etwa das oberste Drittel – ab und trampeln den Rest nieder. Das Niedertrampeln ist erwünscht, denn vermischt mit dem Dung der Tiere entsteht dadurch eine Mulchschicht, die den Boden vor Austrocknung und Erosion schützt. Auf lange Sicht führt sie zudem zu einer Anreicherung von Humus im Boden und fördert die Bodenfruchtbarkeit. Über ein optimal aufeinander abgestimmtes Verhältnis von Besatzdichte und Koppelgröße strebt man an, dass rund 50 Prozent der Weidereste – also jene oberirdische Pflanzenmasse, die die Tiere nicht fressen – niedergetrampelt werden.
    • Es entsteht eine Konkurrenzsituation unter den Tieren, die dazu führt, dass diese bei der Futteraufnahme weniger wählerisch sind. Dies führt dazu, dass die Fläche gleichmäßiger abgeweidet wird und die Bestände weniger verunkrauten.
    • Durch die hohe Besatzdichte wird eine relativ gleichmäßige Verteilung von Kot und Harn über die Fläche erzielt. Punktuelle Überdüngung in hochfrequentierten Bereichen wie Tränke oder Ruheplatz bleiben dadurch aus.

    Lange Rastzeiten und hoher Aufwuchs

    Ein weiterer bedeutender Aspekt des Mob Grazing ist, dass den Pflanzen eine sehr lange Rastzeit gewährt wird. Erst bei Aufwuchshöhen von über 20 Zentimetern – teilweise sehr viel mehr – wird wieder beweidet.

    Das hat folgenden Grund: Die höheren Pflanzenbestände beschatten in Trockenzeiten den Boden und schaffen damit ein wassersparendes Mikroklima. Durch die lange Regenerationszeit steht den Pflanzen außerdem mehr Energie zur Verfügung, um ein intensives und tiefreichendes Wurzelwerk auszubilden. Dadurch gelangen die Pflanzen nicht nur an Wasser und Nährstoffe in tieferen Bodenschichten. Die absterbenden Wurzeln hinterlassen dadurch auch deutlich mehr Biomasse im Boden für den Humusaufbau.

    Um den Pflanzen diese lange Rastzeit uneingeschränkt zu gewähren, ist es sehr wichtig, dass die beweideten Flächen nach dem Umtreiben abgezäunt werden, damit die Tiere nicht wieder darauf zurückkehren können.

    Flexibel handhaben

    "Man darf Mob Grazing nicht als starres Weidesystem verstehen, sondern vielmehr als strategisches Tool in der Werkzeugkiste eines weidehaltenden Betriebs", sagt Josefin Röwekamp, vom Netzwerk Mob Grazing. So könne diese Weidestrategie auch nur partiell auf geeigneten Flächen oder in besonders trockenen Phasen angewendet werden. Auf Gut Temmen in der Uckermark, wo das Netzwerk Mob Grazing zusammen mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) gerade ein Projekt im Ackerfutterbau durchführt, ist Mob Grazing zum Beispiel nur in den von Trockenheit betroffenen Monaten Juni bis September ein Baustein des strategischen Weideplans und wird im Jahresverlauf mit Schnellumtriebsweiden abgewechselt.

    Wie hoch ist der Arbeits- und Pflegeaufwand?

    Mob Grazing gilt als Low-Input-Weidestrategie, unter anderem, weil Nachsaaten, Unkrautbekämpfung und Weidepflegemaßnahmen in der Regel nicht nötig sind. "Durch das tägliche Umtreiben entsteht allerdings ein Mehraufwand für das Wassermanagement und die Weideflächeneinzäunung", sagt Röwekamp. Hilfsmittel wie Zaunspinnen und Zaunheber können hier die Arbeit jedoch erleichtern. Auch Konzepte wie Virtual Fencing, bei dem ganz auf Zaunmaterial verzichtet wird, könnten zukünftig das Arbeiten mit Mob Grazing erleichtern. Über Stockmanship könne zudem ein stressarmer Umgang mit den Tieren erlernt werden, der zusätzlich Zeit spart, so Röwekamp.

    Bei Mob Grazing auf Ackerfutterflächen ist zusätzlich darauf zu achten, dass die Zusammensetzung des Pflanzenbestands angepasst werden muss. Herkömmliche Ackerfuttermischungen haben oft einen hohen Gehalt an Leguminosen, was ein erhöhtes Blähungsrisiko für die Tiere mit sich bringen kann. Versuche haben gezeigt, dass Ackerfuttermischungen mit tanninhaltigen Arten wie Esparsette und Zichorie das Blährisiko reduzieren. Zudem braucht es an Trockenheit angepasste und zugleich nährstoffreiche Gräserarten wie tiefwurzelnde Obergräser.

    Entspannte Tiere, weniger Parasiten

    Die Erfahrungen mehrerer Betriebe zeigen inzwischen, dass die Tiere beim Mob Grazing deutlich ruhiger und entspannter sind als bei den bisher üblichen Weidesystemen. Erklärt wird dies damit, dass den Tiere permanent eine Fläche mit frischem schmackhaftem Aufwuchs zur Verfügung steht und sie damit niemals dem Stress ausgesetzt sind, ihnen könne das Futter ausgehen.

    Auch die Parasitenbelastung scheint durch die Mob-Grazing-Strategie abzunehmen. So berichtet Ruven Hener, Leiter des Rinderbereichs auf Gut Temmen, dass die Tiere seit Einführung von Mob Grazing nur noch alle zwei Jahre, statt jedes Jahr, gegen Parasiten behandelt werden müssen. Den geringeren Parasitendruck führt Hener darauf zurück, dass die Tiere nur das obere Drittel des Aufwuchses fressen, und damit gar nicht erst in Kontakt mit Parasiten kommen, die eher an den unteren Pflanzenteilen sitzen. Außerdem seien die Tiere bis zum Schlupf der Fliegen in den Kuhfladen bereits mehrmals weitergezogen. Das heißt, auch durch die räumliche Distanz wird der direkte Befall verringert.

    Für welche Betriebsformen eignet sich Mob Grazing?

    Im Allgemeinen wird Mob Grazing für die Mutterkuhhaltung auf extensiv genutzten Grünland- oder Ackerfutterflächen empfohlen und ist in dieser Form auch bislang am weitesten verbreitet.

    Generell stellt Mob Grazing aber auch für Milchvieh in Regionen mit trockenen, heißen Sommern eine Option dar. Hier ist allerdings zu prüfen, ob die Milchleistung der weidenden Milchviehherden nicht negativ beeinflusst wird.

    In Haus Riswick, einem Versuchs- und Bildungszentrum der Landwirtschaftskammer NRW läuft seit April 2021 ein Versuch mit Mob Grazing bei einer 45-köpfigen Öko-Milchkuhherde, im Rahmen einer Halbtagsweide. Die Kühe dieser Herde haben eine durchschnittliche jährliche Milchleistung von über 9.000 Litern.

    Die Erfahrungen nach zwei Jahren sind positiv, berichtet Anne Verhoeven, die den Versuch in Haus Riswick betreut. Bislang konnten mit der Mob Grazing-Strategie stabile Milchleistungen erreicht werden. Verhoeven führt das darauf zurück, dass die Tiere beim Mob Grazing vor allem die üppigen, energie- und proteinreichen Pflanzenspitzen und oberen Blätter fressen und die restlichen, weniger nährstoffreichen Pflanzenteile als Weiderest stehen lassen. Verhoeven schränkt jedoch ein, dass die neue Weidestrategie bei einer für Öko-Verhältnisse hochleistenden Herde wie in Haus Riswick nur als Halbtagsweide funktionieren kann.

    Dass Mob Grazing auch bei Vollweide funktioniert, zeigen die Ergebnisse des Projekts KUH-proKLIMA. Hier wurde auf zahlreichen Praxisbetrieben mit Milchkühen im Allgäu unter anderem das Konzept "Holistic Planned Grazing" getestet, bei dem das Mob Grazing zentraler Bestandteil der Managementmaßnahme ist. Es zeigte sich, dass mit diesem Verfahren auch in Vollweide bis zu 6.000 Liter aus dem Grundfutter erreicht werden können.


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    Letzte Aktualisierung 05.02.2024

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