Wie wirkt sich die Klimakrise auf die Landwirtschaft aus?

Wie wirkt sich die Klimakrise auf die Landwirtschaft aus?

Der Landwirtschaft kommt in puncto Klimakrise eine doppelte Rolle zu. Denn sie zählt nicht nur zu den Verursachern der Klimakrise, sondern ist auch in besonderer Weise von den Auswirkungen betroffen. So werden für das Frühjahr künftig steigende Temperaturen erwartet, die Sommer sollen trockener und heißer, die Winter wärmer und feuchter werden. Das wird die Rahmenbedingungen für das Pflanzenwachstum nachhaltig verändern und bringt neue Herausforderungen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung mit sich.

Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zeigen, dass die mittlere Jahrestemperatur in Deutschland seit 1881 um 1,4 Grad Celsius gestiegen ist. Verschiedene Klimamodelle prognostizieren, dass sich die Durchschnittstemperatur hierzulande bis zum Jahr 2100 um weitere 2 bis 4 Grad Celsius erhöhen wird. Insbesondere im Süden und Südosten Deutschlands können die Temperaturen überdurchschnittlich stark ansteigen. Mit den steigenden Temperaturen verfrüht sich auch der Vegetationsbeginn, was insgesamt zu längeren Vegetationsperioden führt.

Die Temperaturzunahme mitsamt der Vegetationsverlängerung kann positive, wie negative Auswirkungen auf die hiesige Landwirtschaft haben. Für den Gemüsebau kann das zum Beispiel von Nutzen sein, weil mehrere Sätze innerhalb einer Vegetationsperiode möglich sind – fruchtbare Böden und gute Wasserversorgung vorausgesetzt. Eine schnellere Abreife beim Mais kann dazu führen, dass auch in den nördlichen Gebieten Deutschlands spät abreifende, ertragreichere Sorten angebaut werden können. Im Winterrapsanbau bringt eine frühere Blüte Vorteile für die Regulierung von Schädlingen und Krankheiten sowie die Fruchtfolgegestaltung mit sich. Darüber hinaus wird der Anbau von wärmeliebenden Kulturen wie Soja, Körnerhirse, Sonnenblumen oder Hartweizen künftig auch in Regionen möglich, die heute vergleichsweise kühl und feucht sind. Heute ist es bereits so, dass besonders wärmeliebende Rotweinsorten wie Merlot und Syrah in deutschen Weinbaugebieten angebaut werden können.

Auf der anderen Seite bringt der verfrühte Vegetationsbeginn aber auch die Gefahr von Spätfrösten und damit verbundenen Ertragseinbußen mit sich – besonders im Obstbau. Einige Pflanzenarten können durch die steigenden Temperaturen zudem in ihrem Wachstum gestört werden. Weizen zum Beispiel ist in der Blütezeit extrem hitzeempfindlich: Temperaturen über 30 Grad Celsius können in dieser Phase den Ertrag deutlich mindern. Wärmere Winter können sich außerdem negativ auf die Wintergetreideernten auswirken, da der für sie erforderliche Kältereiz (Vernalisation) nicht mehr ausreichend ist. Obst und Weinreben werden bei extremer Hitze anfälliger für Sonnenbrand.

Ein weiteres Problem ist, dass zwar viele Pflanzen temperatursensitiv reagieren und ihre Blüte mit der Klimakrise früher einsetzt. Zahlreiche bestäubende Insekten sind jedoch photosensitiv, was bedeutet, dass ihre Entwicklung von der Tageslänge bestimmt wird – und die ändert sich mit der Klimakrise nicht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchten somit eine Entkopplung der Systeme. 

Umgekehrt gibt es aber auch Schadorganismen (Insekten, Viren und Pilze), die von dem Temperaturanstieg profitieren werden. So zeigen Untersuchungen, dass mit dem beobachteten Temperaturanstieg der letzten Jahrzehnte auch die Aktivität von Pflanzenschädlingen wie Maiszünsler, Blattläuse und Apfelwickler zugenommen haben. Schäden durch Pilze, die meist auf längere Feuchteperioden angewiesen sind, könnten dagegen zurückgehen.

In der landwirtschaftlichen Tierhaltung sehen Expertinnen und Experten das größte Problem im ⁠Hitzestress⁠. Vor allem moderne Nutztierrassen, die bereits an ihrer physiologischen Belastungsgrenze arbeiten, sind sehr empfindlich gegenüber Temperaturänderungen. Hitzestress kann somit zu einer Belastung für die Tiere und Einbußen in der Erzeugung tierischer Produkte führen. 

Trockenheit nimmt zu

Nicht nur die Temperatur nimmt im Zuge der Klimakrise zu, auch die Menge und Verteilung von Niederschlägen ändert sich. Die Anzahl der trockenen Tage hat bereits in der Vergangenheit zugenommen und wird Klimamodellen zufolge auch in Zukunft weiter ansteigen. Vor allem in den Monaten Juli bis September wird künftig mit mehr trockenen Tagen zu rechnen sein. Besonders stark von Trockenheit betroffen sind der Osten Deutschlands und Teile Süddeutschlands. Seit ein paar Jahren wird in der Landwirtschaft auch eine zunehmende Frühjahrstrockenheit beklagt. Diese Trockenheit in den Monaten März bis Mai lässt sich durch einen leichten Rückgang der Niederschläge und das frühere Einsetzen der Vegetation und die damit verbundenen höheren Verdunstungsraten erklären. Verlässliche Aussagen zu künftigen Entwicklungen dieser Frühjahrstrockenheit liegen derzeit allerdings noch nicht vor.

Extreme Wetterereignisse 

Durch die Klimakrise bedingte Extremwetterereignisse wie Starkregen, Dürre, Kahlfrost oder Hagel traten in der Vergangenheit bereits häufiger auf. Besonders prägend für die Landwirtschaft waren in dieser Hinsicht die Jahre 2018 und 2021 (siehe Infokasten). Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass solche Wetterextreme in Deutschland in den nächsten drei Jahrzehnten mit hoher bis sehr hoher Wahrscheinlichkeit zunehmen werden.

2018 und 2021 waren Katastrophenjahre

Die Jahre 2018 und 2021 waren in großen Teilen Deutschlands von extremen Wettereignissen geprägt. 2018 verursachte eine langanhaltende Trockenheit und Hitze in Deutschland Schäden und Ertragsausfälle in Höhe von insgesamt 770 Millionen Euro. In besonders stark betroffenen Gebieten konnten die Landwirtinnen und Landwirte nur etwa ein Drittel des üblichen Ertrags vom Feld holen – teilweise hat sich die Ernte gar nicht mehr gelohnt. 2021 sorgte dagegen eine Hochwasserkatastrophe, ausgelöst durch Starkregenfälle, in Teilen Deutschlands für extreme Schäden – auch in der Landwirtschaft. Felder wurden verwüstet, Tiere ertranken und Gebäude und Maschinen wurden beschädigt: Schätzungen des Bundeministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gehen allein für die Schäden im Agrarsektor von rund 380 Millionen Euro aus.


Letzte Aktualisierung 27.09.2022

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