Fairhandelsprogramm von Rapunzel

Bio und Fair gehen bei Rapunzel Hand in Hand

Bereits seit 1992 bietet Rapunzel Naturkost seiner Kundschaft fair gehandelte Bio-Produkte mit dem eigens entwickelten und extern zertifizierten Fairtrade-Programm "Hand in Hand" an. Diese damals noch besondere Kombination von Bio und Fair ist bis heute keine Selbstverständlichkeit, denn fair gehandelte Produkte müssen nicht zwangsläufig auch bio-zertifiziert sein. Über die Unterschiede zu anderen Fairhandelsinitiativen und aktuelle Herausforderungen sprach Oekolandbau.de mit Barbara Altmann, Leiterin Nachhaltiges Lieferketten-Management bei Rapunzel Naturkost. 

Oekolandbau.de: Wie unterscheidet sich das "HAND IN HAND"-Projekt von anderen Fairhandelsinitiativen? 

Barbara Altmann: Das HAND IN HAND-Programm von Rapunzel gibt es seit 1992 und basiert auf einer besonderen Kombination von 100 Prozent Bio und Fair Trade – eine damals sehr spezielle Ausrichtung, die auch heute noch nicht selbstverständlich ist. Viele Fairhandelsprodukte am Markt sind bis heute nicht bio-zertifiziert. Für uns bei Rapunzel ist die Verbindung von Bio und Fairem Handel jedoch zentral, denn sie schützt sowohl die Menschen als auch die Umwelt. 

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal unseres Programms ist, dass sowohl Kleinbauernorganisationen, zum Beispiel Kooperativen als auch sozial ausgerichtete Familienunternehmen, sogenannte Social Entrepreneurs, als HAND IN HAND-Partner aufgenommen werden können. Während sich andere Fairhandelsorganisationen, wie zum Beispiel Transfair oder die FLO, vorrangig auf Kleinbauernorganisationen konzentrieren, war es Rapunzel von Anfang an wichtig, auch sozial verantwortliche Familienunternehmen zu unterstützen. Diese Unternehmen legen ebenso großen Wert auf einen ökologisch und sozial nachhaltigen Ansatz, der uns sehr am Herzen liegt. 

Ein zentraler Aspekt des HAND IN HAND-Programms ist der Fokus auf eine gerechte Behandlung und faire Arbeitsbedingungen – sowohl für die Kleinbäuerinnen und -bauern und Arbeiterinnen und Arbeiter in der Landwirtschaft als auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Angestellten in den verarbeitenden und exportierenden Betrieben. Von Beginn an haben wir großen Wert darauf gelegt, dass sichere und faire Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette gewährleistet sind. 

Ein weiteres besonderes Merkmal ist die Verwendung der HAND IN HAND-Prämie. Sie dient der Finanzierung öko-sozialer Projekte auf kommunaler Ebene und wird nur in Ausnahmefällen direkt an die Produzentinnen und Produzenten weitergegeben. Unser Ziel war und ist es, die Entwicklung vor Ort nachhaltig zu fördern und so langfristig die Lebensbedingungen in den Anbauregionen zu verbessern.

Oekolandbau.de: Können Sie ein Beispiel nennen für was die HAND IN HAND-Prämie eingesetzt wurde?

Barbara Altmann: Ein besonderes Beispiel wäre die Einführung einer "Mutuelle de Santé" mit der HAND IN HAND-Prämie, die ein paar wenige Jahre angespart wurde: In Burkina Faso wurde das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mango-Trocknungsanlagen umgesetzt – oder auf den Komoren für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vanilleverarbeitung. Damit ist es möglich, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter, auch wenn sie nur während der Saison arbeiten, eine Krankenversicherung für sich und ihre Kinder bekommen, von der sie ganzjährig profitieren. Um ein solches Programm umzusetzen, braucht es am Anfang einen gewissen Grundstock an Kapital – wenn es läuft, soll sich das Modell aus sich heraus finanzieren.

HAND IN HAND-Fairhandelsprogramm 

Das HAND IN HAND-Programm von Rapunzel Naturkost wurde 1992 ins Leben gerufen und kombiniert 100 Prozent Bio mit Fairem Handel.  

Partnerschaften:

Im HAND IN HAND-Programm können sowohl Kleinbauernorganisationen als auch sozial ausgerichtete Familienunternehmen ("Social Entrepreneurs") Partner werden. Langfristige Partnerschaften und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit stehen dabei im Mittelpunkt. Einige Kooperationen bestehen bereits seit dem Beginn des Fairhandelsprogramms. 

Kriterien:

Die HAND IN HAND-Kriterien, die regelmäßig aktualisiert werden, basieren auf internationalen Fairtrade-Standards und beinhalten soziale Anforderungen wie faire Arbeitsbedingungen sowie transparente Handelsbeziehungen. Diese beinhalten langfristige Verträge, faire Preise und verlässliche Zahlungsvereinbarungen. Kurzgesagt zielen die Kriterien auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe ab. 

Die HAND IN HAND-Prämie wird zur Finanzierung öko-sozialer Projekte in den Anbauregionen eingesetzt. 

Kontrollen und Qualitätssicherung:

Um die Einhaltung der Kriterien sicherzustellen, werden regelmäßige Inspektionen von unabhängigen Organisationen durchgeführt. Auch Rapunzel selbst unterzieht sich diesen Kontrollen. Durch persönliche Besuche und Audits vor Ort wird der Austausch mit den Partnern gefördert, um gemeinsam Herausforderungen zu meistern.

Oekolandbau.de: Wie findet Rapunzel Produzentinnen und Produzenten, die Teil von HAND IN HAND werden möchten? 

Barbara Altmann: Die Suche nach neuen HAND IN HAND-Partnern erfolgt auf verschiedenen Wegen. Zum einen suchen wir aktiv nach neuen Lieferanten, insbesondere auf Messen wie der BioFach, die für uns eine wichtige Plattform ist. Neben der BioFach sind auch lokale Fachmessen in den Anbauregionen seit über 30 Jahren ein bedeutender Weg, um neue Partnerschaften aufzubauen. 

Zum anderen gibt es auch Fälle, in denen Produzentinnen oder Produzenten selbst auf uns zukommen. Viele haben von Rapunzel und unserem HAND IN HAND-Programm gehört oder gelesen und sind an einer Zusammenarbeit interessiert. Diese direkte Kontaktaufnahme hat ebenfalls zu wertvollen Partnerschaften geführt. 

Unsere HAND IN HAND-Partnerschaften sind oft langjährig. Viele der heutigen Kooperationen gehen auf die 1990er-Jahre zurück und basieren auf einer vertrauensvollen und nachhaltigen Zusammenarbeit, die über Jahrzehnte gewachsen ist.

Oekolandbau.de: Welche Kriterien müssen Produzentinnen und Produzenten erfüllen, um Teil des "HAND IN HAND"-Projekts zu werden?

Barbara Altmann: Die Grundlage für eine Partnerschaft im HAND IN HAND-Programm sind unsere HAND IN HAND-Kriterien, die sowohl von den Lieferanten als auch von Rapunzel selbst erfüllt werden müssen. Diese Kriterien werden alle zwei bis vier Jahre in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Stakeholdern überarbeitet und aktualisiert, um sicherzustellen, dass sie den aktuellen Anforderungen an Fairtrade und Nachhaltigkeit gerecht werden. 

Die HAND IN HAND-Kriterien umfassen vor allem soziale Aspekte wie Arbeitsbedingungen, die sich an den ILO-Kernarbeitsnormen orientieren. Darüber hinaus legen wir großen Wert auf klare Regelungen bezüglich der Handelsbeziehungen, insbesondere was langfristige Vertragszusagen, faire Preisgestaltungen und transparente Zahlungsvereinbarungen betrifft. 

Ein weiteres Kriterium ist, dass potenzielle HAND IN HAND-Partner bereits eine Zeit lang eine Lieferbeziehung mit Rapunzel gehabt haben müssen. Für uns ist es wichtig, dass eine solide Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit besteht, bevor die Lieferanten Teil des Programms werden. Hier spielen Faktoren wie die Produktqualität, eine funktionierende Kommunikation und gegenseitiges Verständnis für die jeweiligen Herausforderungen eine wesentliche Rolle. Beiderseitige Transparenz und Verlässlichkeit sind entscheidende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Partnerschaft. 

Die HAND IN HAND-Kriterien sind auf der Rapunzel Webseite öffentlich einsehbar, um volle Transparenz zu gewährleisten.

Oekolandbau.de: Wie wird die Einhaltung der HIH-Richtlinien in den verschiedenen Anbauregionen sichergestellt? 

Barbara Altmann: Um die Einhaltung der HAND IN HAND-Kriterien zu gewährleisten, organisiert Rapunzel sogenannte HAND IN HAND-Inspektionen. Dabei arbeiten wir mit ausgewählten, erfahrenen und unabhängigen Inspektorinnen und Inspektoren zusammen. Sollte ein Handelspartner zudem über das "Fair for Life"-Programm (FFL) fair-zertifiziert sein, koordinieren wir uns mit Ecocert, um den Inspektionsaufwand für die Partner zu minimieren. Die Zertifizierung selbst wird als unabhängiger Schritt von der Bioinspecta Schweiz durchgeführt. 

Auch Rapunzel unterzieht sich regelmäßigen Kontrollen. Ecocert überprüft, ob wir als Unternehmen die HAND IN HAND-Kriterien einhalten. Darüber hinaus ist Rapunzel seit einigen Jahren FFL- und "for Life" (FL)-zertifiziert, wobei sich einige der wesentlichen Kriterien mit den HAND IN HAND-Anforderungen überschneiden. 

Ein wichtiger Bestandteil unseres Programms sind gegenseitige Besuche, die dem Informationsaustausch dienen und gleichzeitig für firmeneigene Audits vor Ort genutzt werden. Diese persönlichen Treffen tragen wesentlich dazu bei, das Verständnis für die jeweiligen Anforderungen und Herausforderungen der Handelspartner zu schärfen. Der direkte Austausch vor Ort ist für Rapunzel von großer Bedeutung, um eine nachhaltige und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu fördern.

Oekolandbau.de: Wie lange bestehen die Partnerschaften mit den Produzentinnen und Produzenten in der Regel und wie fördern Sie langfristige Beziehungen? 

Barbara Altmann: Einige unserer Partnerschaften bestehen bereits seit 1987 – also seit die ersten Ideen zu einem Bio-Fairhandelsprogramm entstanden sind. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation mit der bolivianischen Kooperative El Ceibo, die 1987 den Kakao für die erste Bio-Schokolade lieferte, sowie das Familienunternehmen Planeta Verde aus Brasilien, das den Rapadura-Vollrohrzucker beisteuerte. Beide Unternehmen sind heute noch HAND IN HAND-Partner. Die erste Bio-Schokolade wurde damals von Maestrani in der Schweiz verarbeitet – auch Maestrani ist weiterhin ein wichtiger Lieferpartner. 

Viele unserer Partnerschaften im Rahmen des HAND IN HAND-Programms gehen auf die 1990er Jahre zurück. Langfristige Lieferbeziehungen entstehen und bestehen, wenn im Alltag keine größeren Probleme auftreten oder wenn auftretende Herausforderungen transparent und gemeinsam gelöst werden. Eine wichtige Grundlage dafür ist das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Anforderungen und Herausforderungen der Partner

Im Zentrum steht dabei das gemeinsame Verständnis für die Qualität der Produkte. Dieses Verständnis entwickelt sich über die Zeit, wenn beide Seiten offen kommunizieren und ihre Erwartungen klar formulieren. Gleiches gilt für die öko-sozialen Themen, die für uns eine zentrale Rolle spielen. Nur wenn beide Partner dieselben Werte und Ziele in Bezug auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung teilen, kann eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit entstehen.

Oekolandbau.de: Was sind die größten Herausforderungen, denen sich das "HAND IN HAND"-Projekt in der Klimakrise und in der aktuellen globalen Wirtschaftslage stellen muss? 

Barbara Altmann: Eine der größten Herausforderungen für das HAND IN HAND-Programm sind die Produktionsverluste, die durch klimatische Extremereignisse wie Überschwemmungen, Dürren oder Unwetter wie Hurrikane verursacht werden. Diese Wetterextreme haben insbesondere für die Kleinbäuerinnen und -bauern, aber auch für die Bauernorganisationen weitreichende wirtschaftliche Folgen. In Jahren, in denen große Teile der Ernte durch Überschwemmungen verloren gehen oder zu wenig Wasser für die Pflanzen zur Verfügung steht, sehen sich unsere HAND IN HAND-Partner in der Folge mit einer instabilen wirtschaftlichen Situation konfrontiert. In einigen Regionen, wie zum Beispiel in Mittelamerika und der Dominikanischen Republik, stellen auch Hurrikane eine große Herausforderung dar. 

Wir bei Rapunzel sehen einen möglichen Lösungsansatz in der aktiven Förderung von professionellen Agroforstwirtschaftssystemen, die insbesondere in tropischen und subtropischen Regionen den Kleinbäuerinnen und -bauern helfen können, die durch den Klimawandel zunehmenden Unsicherheiten ökonomisch abzumildern. Diese Systeme fördern nicht nur die Ertragsstabilität, sondern tragen auch zur Verbesserung der Bodenqualität und Biodiversität bei. 

Neben den klimabedingten Herausforderungen sehen wir auch in den aktuellen EU-Regelungen, wie der Revision der EU-Bio-Verordnung von 2018, und der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) große Hürden. Während die geänderten Anforderungen der EU-Bio-Verordnung für europäische Bäuerinnen und Bauern gut umsetzbar sind, werden sie bei Kleinbauernorganisationen weltweit, zum Beispiel beim Thema Gruppenzertifizierung, zu erheblichen Mehrkosten führen. Das stellt eine zusätzliche Belastung für viele unserer Handelspartner dar. Die Anforderungen der EUDR, die den Fokus auf entwaldungsfreie Lieferketten legen, sind ein positiver Ansatz, um weltweit einen Beitrag zu weniger Entwaldung zu leisten. Jedoch bringen auch diese Anforderungen einen hohen bürokratischen Aufwand mit sich. Vor allem für Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Kleinbauernorganisationen ist es in vielen Regionen herausfordernd, sich in der vorgegebenen Zeit an die neuen Regelungen anzupassen.

Oekolandbau.de: Welche politischen Maßnahmen könnten dazu beitragen, die negativen Folgen für kleinbäuerliche Strukturen abzufedern?  

Barbara Altmann: Ein zentraler Ansatzpunkt wäre die Bereitstellung finanzieller Mittel zur spezifischen Beratungsunterstützung für Kleinbauern-Organisationen. Diese Organisationen stehen oft vor großen Hürden, wenn es darum geht, die komplexen Anforderungen der EU-Verordnungen zu verstehen und umzusetzen. Zielgerichtete Beratungsprogramme könnten sicherstellen, dass Kleinbäuerinnen und -bauern in der Lage sind, die neuen Vorschriften zu erfüllen, ohne dass dies zu einer übermäßigen finanziellen oder organisatorischen Belastung führt. 

Darüber hinaus sollten finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um eine konkrete Begleitung bei der Umsetzung dieser Anforderungen zu gewährleisten. Es ist wichtig, dass Kleinbäuerinnen und -bauern nicht nur durch theoretische Schulungen unterstützt werden, sondern auch durch praxisnahe Begleitung vor Ort. Dies könnte durch Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit erfolgen, die über langjährige Erfahrung in der Unterstützung von Kleinbauern-Organisationen verfügen. 

Besonders hervorzuheben ist, dass viele der bio-fairen Projekte, die in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurden, durch diese neuen EU-Regelungen vor enormen Herausforderungen stehen. Die Zertifizierungskosten, insbesondere im Hinblick auf die EU-Bio-Verordnung, steigen für Kleinbauern-Organisationen deutlich an, was viele von ihnen an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Belastbarkeit bringt. 

Es wäre sinnvoll, hier global agierende Institutionen wie die IFOAM Organics International zu stärken, die eine globale Perspektive auf den Ökologischen Landbau haben. Diese Organisation könnte Kleinbäuerinnen und Kleinbauern weltweit beratend zur Seite stehen und sie bei der Umsetzung der Verordnungenunterstützen. Dies wäre deutlich effizienter als national isolierte Programme, die jeweils ihre eigenen Expertinnen und Experten benötigen.

Die Bündelung von Expertise auf globaler Ebene würde nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch sicherstellen, dass bio-faire Ansätze weltweit nachhaltig gestärkt werden, anstatt sie durch regionale Interessen zu fragmentieren. 


Letzte Aktualisierung 23.10.2024

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