Lieferkettengesetz und We Care-Standard

Lieferkettengesetz und We Care-Standard

Seit 1. Januar 2024 sind Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten dazu verpflichtet, die Einhaltung sozialer Mindeststandards entlang ihrer Lieferketten zu kontrollieren. Für die Bio-Branche gibt es seit 2021 einen eigenen Nachhaltigkeitsstandard: Das "We Care"-Siegel zeichnet Unternehmen aus, die umfassende ökologische und soziale Kriterien gemeinsam mit ihren Partnern einhalten.

T-Shirts aus Bangladesch, seltene Erden für unsere Handys und Kaffee aus Brasilien – keine andere Nation ist so in internationale Lieferketten eingebunden wie Deutschland. Dabei genießen wir unseren Wohlstand oft auf Kosten anderer. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind weltweit 79 Millionen Kinder von ausbeuterischer Kinderarbeit betroffen. Der Lohnanteil einer Näherin an einem Marken-T-Shirt beträgt 0,6 Prozent des Verkaufspreises.

Nur wenige Unternehmen überprüfen die Arbeits- und Umweltbedingungen bei ihren Zulieferern aus aller Welt. Um das zu ändern, hat das BMZ das nationale Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht.

Was besagt das Lieferkettengesetz?

Am 11. Juni 2021 hat der Bundestag den Entwurf für das Lieferkettengesetz, offiziell Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkGS), beschlossen. Der Bundesrat hat das Gesetz am 25. Juni desselben Jahres gebilligt. Es ist ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden in Kraft getreten, ab dem 1. Januar 2024 dann auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden.

"Ziel ist es, den Schutz grundlegender Menschenrechte zu verbessern und insbesondere das Verbot von Kinderarbeit durchzusetzen. Auch Umweltbelange sind relevant, wenn sie zu Menschenrechtsverletzungen führen oder dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen", so das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Weiter heißt es: "Das Gesetz legt klare und umsetzbare Anforderungen für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen fest und schafft so Rechtssicherheit für Unternehmen und Betroffene." Die Einhaltung des Gesetzes wird vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überprüft. Bei Versäumnissen oder Verstößen können entsprechend Bußgelder verhängt oder Unternehmen bis zu drei Jahre von der öffentlichen Beschaffung ausgeschlossen werden. Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen erstreckt sich dabei über die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum Verkaufsprodukt.

We Care: Unternehmen statt Produkte prüfen

Einen stärkeren Fokus auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit als das Lieferkettengesetz legt der 2021 beschlossene Nachhaltigkeitsstandard des Forschungsinstitutes für biologischen Landbau (FiBL) We Care: Für diesen Standard können sich alle Unternehmen – unabhängig ihrer Größe – zertifizieren lassen, die Lebensmittel importieren, selbst verarbeiten oder herstellen. Auch Groß- und Einzelhändler, die Rohwaren oder Fertigprodukte vertreiben, können sich zertifizieren lassen.

Bei We Care werden nicht wie bei anderen Bio-Standards einzelne Produkte geprüft, sondern Unternehmen zertifiziert. Anhand von vier Handlungsfeldern wird die nachhaltige Arbeitsweise eines Unternehmens mit Hilfe von 164 Kriterien überprüft. Nachfolgend sind einige Punkte genannt:

  1. Unternehmensführung:
    Unternehmensgrundsätze, Prozessintegration, Notfall- und Krisenmanagement, Sortimentspolitik und Produktentwicklung, Mitarbeiterqualifikation, interne Audits, Compliance, Unternehmenskommunikation
  2. Lieferkettenmanagement:
    Vertragsgestaltung und faire Partnerschaften, Risiken in der Lieferkette (Sozial, Umwelt, Tierwohl), Operative Beschaffung
  3. Mitarbeiterverantwortung:
    Arbeitsverträge und Beschäftigungsbedingungen, Entlohnung und Sozialleistungen, Arbeitszeiten, Aus- und Weiterbildung, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Gleichberechtigung und Vermeidung von Diskriminierung, Ausschluss von Kinder- und Zwangsarbeit
  4. Umweltmanagement:
    Klimaschutz, Abfall-, Wasser-, Bodenmanagement, Biodiversität, Tierwohl, Umgang mit Chemikalien/Gefahrstoffen. Mitarbeitermobilität, Logistik

We Care integriert zudem bestehende Standards wie das europäische Umweltmanagement-System EMAS oder die der Öko-Anbauverbände. Wer beispielsweise Bioland-zertifiziertist, muss zu Gentechnik und Tierwohlkriterien nichts mehr nachweisen. So lassen sich Doppelzertifizierungen vermeiden.

Wenn in der Lieferkette eines zertifizierten Unternehmens Sozial-, Umwelt- oder Tierwohlstandards verletzt werden, verlangt We Care sofort gegenzusteuern. Darüber hinaus muss das Unternehmen nachweisen, dass es mit seinen Lieferanten und Lieferantinnen langfristig und partnerschaftlich zusammenarbeitet. Der Einkauf achtet darauf, dass die Bäuerinnen und Bauern faire Preise für ihre Rohwaren erhalten. Die Lieferanten und Lieferantinnen müssen sich auch ihrerseits We-Care-konform verhalten, um mit We-Care-zertifizierten Unternehmen zusammenarbeiten zu können.

Unabhängig und wissenschaftlich

Das Öko-Institut Freiburg begleitet We Care wissenschaftlich. Für Dr. Jenny Teufel vom Öko-Institut hat der Nachhaltigkeitsstandard drei Vorteile: "Erstens füllt er die Lücken bestehender Systeme, zweitens ist er offen für alle Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft und drittens erfolgt die Zertifizierung über eine unabhängige und anerkannte Zertifizierungsstelle." Das FiBL Deutschland e.V. ist der Träger von We Care und damit auch des Siegels. Dabei gibt es ein Basislevel und ein höheres Level. Das Basislevel dient der internen Verbesserung und Kommunikation. Für das höhere Level muss ein Unternehmen zu mindestens 80 Prozent Bio-Produkte herstellen oder im Sortiment führen. Nur damit dürfen Unternehmen das We-Care-Zeichen auch auf den Produktverpackungen führen.

Praktische Umsetzung

Wer das We Care-Zeichen bekommen will, muss sein Unternehmen von unabhängigen Auditorinnen und Auditoren prüfen lassen. Das dauert je nach Unternehmensgröße einen bis mehrere Tage.

Als erste Pilotunternehmen haben sich die Handelskette Alnatura und der Tee-, Kaffee- und Gewürzhersteller Lebensbaum und zertifizieren lassen. "We care verpflichtet uns, überall genau hinzusehen. Werden die Menschenrechte in Risikogebieten wie dem Teeanbaugebiet Assam eingehalten? Können die Kinder unserer Lieferanten selbst in abgelegenen Gebieten zur Schule gehen?", erläutert Henning Osmers-Rentzsch von Lebensbaum. Weitere neun Bio-Unternehmen machen jetzt ebenfalls mit.

Aber auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher könnte der neue Standard einen Mehrwert bringen. Sie müssen nicht mehr zwischen verschiedenen Siegeln auswählen. "Nicht die Kunden müssen achtgeben, sondern wir kümmern uns um Nachhaltigkeit als Ganzes über das gesamte Sortiment hinweg", verspricht der Nachhaltigkeitsbeauftragte Osmers-Rentzsch.

Text: Jutta Schneider-Rapp, Ökonsult


Letzte Aktualisierung 24.10.2024

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