Verpackungsmüll vermeiden – auf welche Strategien setzt der Handel?

Verpackungsmüll vermeiden – auf welche Strategien setzt der Handel?

Die steigenden Mengen an Verpackungsmüll sind ein großes Problem für unsere Ökosysteme. In Deutschland sind es aktuell rund 237 Kilogramm pro Kopf. Der Handel kann unterschiedliche Stellschrauben nutzen, um Ressourcen zu schonen, die Umwelt zu schützen und den Verpackungsabfall einzudämmen.

Einerseits schützen Verpackungen Lebensmittel bei Lagerung, Transport und Verkauf und vermindern deren Verderb, andererseits belasten Herstellung und Entsorgung die Umwelt. In Deutschland fielen im Jahr 2021 insgesamt rund 19,7 Millionen Tonnen Verpackungsabfall an – eine Rekordmenge.

Mit umgerechnet rund 237 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf liegt Deutschland im EU-Ranking hinter Irland auf dem zweiten Platz und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von 190 Kilogramm pro Kopf.

Als Gründe für den Anstieg von Verpackungsabfällen nennt das Umweltbundesamt unter anderem die geänderten Lebensbedingungen und Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher:

  • Die Zahl der Ein- und Zwei-Personenhaushalte nimmt zu, welche eher kleinere Packungsgrößen kaufen,
  • der Außer-Haus-Verzehr steigt,
  • der steigende Zubereitungsgrad von Lebensmitteln führt zu einem höheren Verpackungseinsatz. 

Gut die Hälfte der Verpackungsmaterialien landet bei den privaten Haushalten im Müll. Die andere Hälfte fällt bei Handelsunternehmen für industrielle Packungen und in der Logistik an. Bis zum Jahr 2030 könnten Hochrechnungen zufolge im EU-Schnitt sogar 209 Kilogramm Verpackungsabfall pro Kopf anfallen.

Um gegen die wachsenden Abfallmengen anzugehen, hat die EU-Kommission im April 2024 über eine neue Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, kurz: PPWR) abgestimmt. Diese Verordnung beinhaltet konkrete Maßnahmen, um die Umweltverschmutzung durch Verpackungsmaterialen zu reduzieren und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft für Verpackungen zu fördern. Im Herbst 2024 dürfte die Verordnung formell verabschiedet werden, bis zum Inkrafttreten in allen 27 EU-Mitgliedsländern können danach noch 18 Monate vergehen.

PPWR – Alle Verpackungen müssen bis 2030 recycelbar sein

Die PPWR soll nicht nur für Unternehmen und Hersteller, die in der EU ansässig sind gelten, sondern sie richtet sich auch an solche, die Verpackungen in die EU einführen. Im Wesentlichen basiert die Verordnung auf folgenden Zielvorgaben:

  • Reduzierung von Verpackungsabfällen: Die EU-Mitgliedsstaaten müssen die Pro-Kopf-Verpackungsabfälle schrittweise bis 2040 um 15 Prozent im Vergleich zu 2018 reduzieren. Bis 2025 müssen 65 Prozent der Verpackungsabfälle recycelt werden, bis 2030 steigt der Anteil auf 70 Prozent.
  • Designanforderungen: Die Recyclingfähigkeit von Verpackungen soll erhöht und unnötige Verpackungen vermieden werden. Gewicht und Volumen von Verpackungen sollen auf ein Mindestmaß reduziert werden, der Leerraumanteil darf maximal 50 Prozent betragen.
  • Verwendung von Rezyklaten: Basierend auf der EU-Richtlinie über Einwegkunststoffe sind strengere Regeln für die Verwendung von Einwegplastikverpackungen vorgesehen. Bestimmte Einwegverpackungen sollen ab 2030 verboten werden, zum Beispiel Einzeltütchen für Soßen oder Miniaturkosmetika. Daneben soll die Rezyklatquote bei Kunststoffen bis 2030 einen Mindestanteil zwischen zehn und 35 Prozent je nach Typ und Werkstoff erreichen.
  • Mehrweg und Pfandsysteme: Neben einer verpflichtenden Quote für Mehrwegverpackungen wird eine Plicht zur Etablierung von Pfandsystemen für Einwegkunststofflaschen und Getränkedosen festgesetzt.
  • Kennzeichnung und Information: Verpackungen müssen einen Hinweis über deren Recyclingfähigkeit und den korrekten Entsorgungsweg enthalten.
  • Erweiterte Herstellerverantwortung (EPR): Herstellende und Vertreibende von Verpackungen sind dazu verpflichtet, die Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte und Verpackungen zu übernehmen, beispielsweise für das Sammeln, Sortieren und Recycling der Packmittel.

Neben diesen Zielvorgaben enthält die PPWR bindende Fristen. Bis 2030 müssen demnach alle Verpackungen, die auf dem EU-Markt angeboten werden, recycelbar sein. Ab 2035 müssen Herstellende diesbezüglich einen Nachweis erbringen können.

Für und Wider von Verpackungen abwägen

Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hat im Jahr 2023 in einer nicht-repräsentativen Stichprobe in 48 Supermärkten die Verpackungen von Obst und Gemüse, Getränken, Molkereiprodukten wie Milch und Joghurt sowie Selbstbedienungs- und Frischetheken erneut einem Verpackungscheck unterzogen. Laut dessen Ergebnis konnten lediglich die getesteten Bio-Supermärkte hinsichtlich Abfallvermeidung und wiederverwendbaren Verpackungen überzeugen. Obst und Gemüse werden dort laut DUH weitgehend unverpackt verkauft und Getränke in Mehrweglösungen angeboten.

Während im Bio-Fachhandel auf ein reines Bio-Angebot zurückgegriffen werden kann, sieht die Situation im Lebensmitteleinzelhandel anders aus. Dort werden ökologisch und konventionell erzeugt Waren parallel angeboten. Dadurch muss unverpacktes Bio-Obst und Gemüse mit dem Bio-Siegel gekennzeichnet werden, zum Beispiel mit einer Banderole, einem Klebeetikett oder durch sogenanntes Natural Branding.

Viele Handelsunternehmen setzen zudem bei Eisbergsalat oder Brokkoli auf dünne Folien, um die Haltbarkeit der Produkte zu verbessern und damit den Warenausschuss, sprich Food Waste, zu verringern. Die Vor- und Nachteile von Verpackungen gilt es also genau abzuwägen.

Auf Mehrweg statt Einweg setzen

Händlerinnen und Händler können aktiv dazu beitragen Verpackungsmüll zu reduzieren, indem sie Mehrweglösungen anbieten. Das fängt bei der Warenanlieferung mit Mehrwegsteigen für die B2B-Belieferung an, setzt sich bei Getränken, Molkereierzeugnissen und Trockenware in Mehrwegflaschen und -gläsern fort und reicht bis hin zu Unverpackt-Stationen für die Kundschaft direkt im Laden.

Auch Pool-Mehrwegsysteme verschiedener Anbieterinnen und Anbietern können im Bereich Take-away eingesetzt werden. Unter dem Motto "Mehrweg statt mehr Müll" hat die Klimaschutzoffensive des Handels hierzu einen Leitfaden entwickelt.

Sofern Kundinnen und Kunden eigene Boxen, Behälter oder Beutel zum Abfüllen von Frischeprodukten an die Theke mitbringen, müssen einige hygienische Aspekte befolgt werden. Unter anderem sollen

  • ausgewiesene Abstellbereiche, Tabletts oder Halterungen für das Behältnis das Risiko von Kreuzkontaminationen im Hygienebereich verringern,
  • Kontaktflächen müssen gereinigt und desinfiziert werden können,
  • ebenso die Hände bei Kontakt mit kundeneigenen Behältnissen.

Hierzu hat der Lebensmittelverband Deutschland Merkblätter für Servicekräfte zusammengestellt. Nicht zuletzt soll die seit Januar 2023 geltende Mehrwegpflicht für Letztvertreibende den Verpackungsmüll bei Speisen und Getränken zum Mitnehmen eindämmen. Natürlich sollte auch die Kundschaft motiviert werden, Mehrweglösungen zu verwenden. So erhalten Kundinnen und Kunden, die einen Mehrwegbecher verwenden, in teilnehmenden Denns Biomärkten zum Beispiel einen Nachlass auf den Preis des Heißgetränks.

Besser und nachhaltiger verpackt

Am nachhaltigsten ist es, unverpackte Lebensmittel anzubieten. Hierzu können Handelsunternehmen Mehrweg-Verpackungen oder wiederverwendbare Netze und Beutel für den Kauf von losem Obst, Gemüse und Backwaren im Laden anbieten. Zudem sollten Handelsunternehmen die Kreislaufwirtschaft fördern. Durch Mülltrennung und Recycling können aus den entsorgten Materialien sekundäre Rohstoffe (beispielsweise Recyclingpapier oder Rezyklat) für neue Produkte oder Verpackungen gewonnen werden.

Laut Angaben des Forum Rezyklat sind Rezyklate Sekundärrohstoffe, die durch die Aufbereitung von entsorgten Kunststoffen wie PE (Polyethylen), PP (Polyprophylen) oder PET (Polyethylenterephthalat) entstehen und für die Produktion von neuen Verpackungen wiederverwendet werden können. Dabei wird zwischen Post-Consumer-Rezyklaten (PCR), recyceltem Plastik aus Abfällen von Haushalten, Industrie und Gewerbe, sowie Post-Industrial-Rezyklaten (PIR), Abfälle aus Produktionsrückständen bei der Herstellung von Kunststoffverpackungen, unterschieden.

Aber auch Verpackungen können im Sinne der Nachhaltigkeit optimiert werden, wenn beispielsweise alternative oder sekundäre Rohstoffe hierfür verwendet werden und/oder das Material besser wiederverwertet werden kann. Dünneres Verpackungsmaterial und der Verzicht auf unnötige Leerräume, also verkürzte Verpackungen, schonen Ressourcen.

Zudem können Handelsunternehmen auf unnötiges Verpackungsmaterial verzichten, indem sie zusätzliche Deckel weglassen, verschweißte Beutel statt Beutel mit Verschlussclips anbieten oder auf Leichtglasflaschen bei Säften, Ölen und Wein setzen. Alnatura verzichten laut Firmenangaben seit 2019 auf den Einsatz von Aluminiumfolie bei Schokoladentafeln und Kaffeeverpackungen (außer bei vakuumverpackten Sorten).

Text: Birgit Rogge


Letzte Aktualisierung 04.07.2024

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