Was bringt die Initiative Tierwohl?

Was bringt die Initiative Tierwohl?

Mehr Tierwohl für alle lautet das Motto der Initiative Tierwohl. In diesem Wirtschaftsbündnis versuchen Akteurinnen und Akteure aus Landwirtschaft, Fleischverarbeitung und Handel das Wohl der Nutztiere flächendeckend zu steigern. Teilnehmende Betriebe können das Label der Initiative Tierwohl verwenden. Das ist von Bio-Standards jedoch weit entfernt.

Wer steckt hinter der Initiative Tierwohl?

Die Initiative Tierwohl ist ein branchenübergreifendes Förderprogramm für mehr Tierwohl. Seit 2015 arbeiten die großen Verbände aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft, Lebensmittelhandel und Partner aus der Gastronomie daran, eine artgerechtere Haltung für unsere Nutztiere zu erreichen. Um das umzusetzen, haben sie die Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH gegründet.

Die Förderung beruht auf zwei Säulen: Zum einen hat die Initiative die Haltungsform-Kennzeichnung im Handel eingeführt. Dank der fünfstufigen Kennzeichnung können Verbraucherinnen und Verbraucher in allen Supermärkten und Discountern erkennen, wie viel Tierwohl im Fleisch oder in Milchprodukten steckt.

Außerdem unterstützt die Initiative Tierwohl Landwirtinnen und Landwirte dabei, Maßnahmen zum Wohl von Huhn, Schwein, Kuh und Co. umzusetzen.

Das Siegel der Initiative Tierwohl kennzeichnet Fleisch- und Geflügelprodukte von Betrieben, die freiwillig höhere Tierwohlstandards als die gesetzlichen Vorgaben umsetzen. Die Einhaltung dieser Standards wird im Schnitt zweimal pro Jahr von unabhängigen Kontrollstellen überprüft. Die Mindestanforderungen für das Siegel entsprechen den Kriterien der Haltungsform 2 ("Stall plus Platz").

Welcher Haltungsstufe entspricht das Siegel der Initiative Tierwohl?

Anders als bei den Bio-Anbauverbänden geht es aber nicht darum, die ideale Tierhaltung zu ermöglichen.

Wir möchten das Tierwohl in die Breite bringen, sprich in so vielen Ställen wie möglich verbessern,

erklärt Dr. Patrick Klein von der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung. Ziel sei es zunächst, dass die Haltung sich im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard (Haltungsform 1) verbessert. Das heißt praktisch: die teilnehmenden Betriebe müssen keine Ställe umbauen oder neu bauen, sondern mehr Tierwohl in ihren bestehenden Ställen erreichen. Beispielsweise bekommen Mastschweine jetzt Raufutter wie Stroh in den Stall. Die Kriterien zur Teilnahme sind nicht anspruchsvoll. Sie entsprechen mindestens den Kriterien der Haltungsform 2 (StallPlus).

Wer kontrolliert die Betriebe der Initiative Tierwohl?

Genau wie bei der Bio-Kontrolle überprüfen unabhängige Kontrollstellen, ob die Betriebe diese Kriterien auch einhalten. Die Kontrollen umfassen Tierwohl-Kriterien wie zusätzliches Platzangebot, Stallklima- und Tränkewasserchecks.

Durchschnittlich werden teilnehmende Betriebe zweimal jährlich überprüft. Ein großer Vorteil, denn staatliche Stellen kontrollieren schweinehaltende Betriebe in Deutschland durchschnittlich nur alle 17 Jahre,

so Klein.

Heute machen rund 12.300 Betriebe mit. Die Initiative deckt 90 Prozent des Geflügelmarktes sowie 60 Prozent des Schweinemarktes ab. Davon profitieren derzeit jährlich rund 600 Millionen Schweine, Hähnchen und Puten. Das Programm fördert mittlerweile auch Betriebe mit Rindern und Enten.

Wie erkenne ich Betriebe der Initiative Tierwohl?

Für ihren Mehraufwand können beteiligte Betriebe mehr Geld für ihre Tiere beim Schlachthof aushandeln. Der gibt diese wiederum an die Fleischverarbeiter, den Handel oder Partner aus der Gastronomie weiter. Die Initiative Tierwohl empfiehlt dafür Aufpreise. Für ein Mastschwein, das nach Kriterien der Initiative Tierwohl gehalten wurde, gibt es derzeit ein Tierwohlentgelt von 7,50 Euro.

Unser Programm ist nicht darauf ausgelegt, dass die Landwirte Gewinn machen, aber sie bekommen ihre Unkosten für den Mehraufwand bezahlt,

erläutert Patrick Klein.

Das Fleisch lässt sich im Handel an dem Produktsiegel der Initiative Tierwohl erkennen. Das steht zusätzlich zum Haltungsform-Kennzeichen auf der Verpackung.

Wie entwickelt sich die Initiative Tierwohl weiter?

Im Laufe der Zeit verschärfen sich die Kriterien. Waren es anfangs zehn Prozent mehr Platz als im Mindeststandard für ein Mastschwein, sind es jetzt wie beim geplanten Staatlichen Tierwohlkennzeichen 12,5 Prozent. Hinzu kommen strukturierte Buchten und Raufutter.

Genau wie beim Haltungsform-Kennzeichen spielen Tiertransport und Schlachtung keine Rolle. "Wir verlangen das, was machbar und auch messbar ist. Die Zwickmühle ist doch, dass alle mehr Tierwohl wollen, aber kaum jemand bereit ist, es auch zu bezahlen", bedauert Patrick Klein. Einige Betriebe gehen dennoch voran, wie die Preisträger des Innovationspreis Tierwohl zeigen.


Kritik an der Initiative Tierwohl

Die Tierschutzorganisation PROVIEH e. V. war Gründungsmitglied der Initiative Tierwohl, ist aber wegen der schwachen Kriterien wieder ausgestiegen. "Vom ursprünglichen Tierschutzgedanken sei am Ende wenig übriggeblieben", bedauert Kathrin Kofent, Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft. Im Interview zieht sie Bilanz, hofft auf strengere Tierschutzgesetze und die Unterstützung von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Oekolandbau.de: Was haben zehn Jahre Initiative Tierwohl (ITW) bisher gebracht?

Kathrin Kofent: Kurz gesagt: Besser als nichts, aber viel zu wenig. Nach zehn Jahren wurden die Minimalkriterien kaum ausgebaut und beispielsweise das Platzangebot von 10 auf 12,5 Prozent über die gesetzlichen Mindestmaße angehoben. Eine Anpassung, die der Gleichschaltung mit der Haltungsform 2 des Handels geschuldet ist und zeigt, wo das Tierwohl der ITW stehen geblieben ist. Den wenigsten Mastschweinen werden die paar zusätzlichen Zentimeter positiv auffallen.

Oekolandbau.de: Was sollte die Initiative Tierwohl denn besser machen?

Kofent: Der grundsätzliche Ansatz, dass Verbesserungen in der Tierhaltung honoriert werden, ist gut. Allerdings stehen wirtschaftliche Interessen des Handels und der Verarbeiter sehr oft weit vor dem Tierschutz. Mehrkosten auf den Höfen müssen 1:1 getragen werden. Statt die Standards entsprechend der Haltungsform 2 beizubehalten, muss das Angebot auf weitere Tierwohlbausteine wie mehr Platz, Außenklimareize, Scheuermöglichkeiten oder Wasserduschen ausgeweitet werden, um auch individuelle Mehrleistungen pro Tier zu honorieren. So bleibt das Tierwohl weiter in den Kinderschuhen stecken.

Oekolandbau.de: Welche Initiativen bräuchten wir jetzt am dringendsten, um das Tierwohl voranzubringen?

Kofent: Die staatliche Haltungskennzeichnung steckt leider derzeit bereits bei der ersten Umsetzung für Mastschweine fest. Insgesamt müssen durch Anpassungen im Tierschutzgesetz, wie sie unter der Ampelregierung geplant waren, Fakten geschaffen werden. Milchkühe, Mastrinder und Puten müssen in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufgenommen werden. Für diese Tierarten gibt es derzeit keine gesetzlichen Mindestvorgaben!

Landwirtinnen und Landwirte benötigen neben Fördergeldern und unabhängigen Beratungen ganz dringend eine langfristige Planungssicherheit. Parallel dazu müssen Bund und Länder durch erhöhte Kontrolldichten sowie eine verschärfte Durchsetzung bestehender Vorschriften Tierleid eindämmen und ein klares Zeichen pro Tier setzen.

Oekolandbau.de: Was können wir Verbraucherinnen und Verbraucher tun, bis es eine klare gesetzliche Regelung gibt?

Kofent: Ideal wäre, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher regional in Hofläden einkaufen, wo sie sich die Tierhaltung ansehen können und der Mehrerlös für eine bessere Tierhaltung direkt den Erzeugerinnen und Erzeugern zugutekommt. Aber durch die Haltungskennzeichnung des Handels hat immerhin jede und jeder Konsumierende bei zahlreichen tierischen Produkten auch im Supermarkt die Wahl und wird sich nicht mehr so leicht von hübschen Werbebildern mit grasenden Kühen oder lachenden Schweinen beeinflussen lassen.

Vielmehr können sie sich nun bewusst entscheiden, ob ihnen das Schnitzel nach den Standards der Initiative Tierwohl der Haltungsform 2 mundet oder ob sie zumindest eines aus Haltungsform 3 oder sogar 4 oder 5 wählen.

Text: Jutta Schneider-Rapp


Letzte Aktualisierung 11.06.2025

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