Oekolandbau.de: Was haben zehn Jahre Initiative Tierwohl (ITW) bisher gebracht?
Kathrin Kofent: Kurz gesagt: Besser als nichts, aber viel zu wenig. Nach zehn Jahren wurden die Minimalkriterien kaum ausgebaut und beispielsweise das Platzangebot von 10 auf 12,5 Prozent über die gesetzlichen Mindestmaße angehoben. Eine Anpassung, die der Gleichschaltung mit der Haltungsform 2 des Handels geschuldet ist und zeigt, wo das Tierwohl der ITW stehen geblieben ist. Den wenigsten Mastschweinen werden die paar zusätzlichen Zentimeter positiv auffallen.
Oekolandbau.de: Was sollte die Initiative Tierwohl denn besser machen?
Kofent: Der grundsätzliche Ansatz, dass Verbesserungen in der Tierhaltung honoriert werden, ist gut. Allerdings stehen wirtschaftliche Interessen des Handels und der Verarbeiter sehr oft weit vor dem Tierschutz. Mehrkosten auf den Höfen müssen 1:1 getragen werden. Statt die Standards entsprechend der Haltungsform 2 beizubehalten, muss das Angebot auf weitere Tierwohlbausteine wie mehr Platz, Außenklimareize, Scheuermöglichkeiten oder Wasserduschen ausgeweitet werden, um auch individuelle Mehrleistungen pro Tier zu honorieren. So bleibt das Tierwohl weiter in den Kinderschuhen stecken.
Oekolandbau.de: Welche Initiativen bräuchten wir jetzt am dringendsten, um das Tierwohl voranzubringen?
Kofent: Die staatliche Haltungskennzeichnung steckt leider derzeit bereits bei der ersten Umsetzung für Mastschweine fest. Insgesamt müssen durch Anpassungen im Tierschutzgesetz, wie sie unter der Ampelregierung geplant waren, Fakten geschaffen werden. Milchkühe, Mastrinder und Puten müssen in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aufgenommen werden. Für diese Tierarten gibt es derzeit keine gesetzlichen Mindestvorgaben!
Landwirtinnen und Landwirte benötigen neben Fördergeldern und unabhängigen Beratungen ganz dringend eine langfristige Planungssicherheit. Parallel dazu müssen Bund und Länder durch erhöhte Kontrolldichten sowie eine verschärfte Durchsetzung bestehender Vorschriften Tierleid eindämmen und ein klares Zeichen pro Tier setzen.
Oekolandbau.de: Was können wir Verbraucherinnen und Verbraucher tun, bis es eine klare gesetzliche Regelung gibt?
Kofent: Ideal wäre, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher regional in Hofläden einkaufen, wo sie sich die Tierhaltung ansehen können und der Mehrerlös für eine bessere Tierhaltung direkt den Erzeugerinnen und Erzeugern zugutekommt. Aber durch die Haltungskennzeichnung des Handels hat immerhin jede und jeder Konsumierende bei zahlreichen tierischen Produkten auch im Supermarkt die Wahl und wird sich nicht mehr so leicht von hübschen Werbebildern mit grasenden Kühen oder lachenden Schweinen beeinflussen lassen.
Vielmehr können sie sich nun bewusst entscheiden, ob ihnen das Schnitzel nach den Standards der Initiative Tierwohl der Haltungsform 2 mundet oder ob sie zumindest eines aus Haltungsform 3 oder sogar 4 oder 5 wählen.