Klimalabel

Klimalabel – halten sie, was sie versprechen?

Immer mehr Menschen berücksichtigen die ökologischen, ökonomischen oder sozialen Folgen ihres Kaufverhaltens. Viele Unternehmen versprechen mit Siegeln und Prüfzeichen klima- oder CO2-neutrale Produkte. Doch ein Großteil dieser Umweltaussagen sind laut EU-Kommission wissenschaftlich nicht fundiert. Das möchte die Universität Göttingen mit einem Klimalabel für Lebensmittel ändern.

CO2-neutral, bienenfreundlich oder gar klimapositiv produziert – die Versprechen von Labels, Siegeln, Prüf- und Gütezeichen sollen Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Einkauf das Gefühl geben, etwas Gutes zu tun. So steigt laut einer Studie von Splendid Research die Bereitschaft, für ein gelabeltes Produkt mehr Geld auszugeben, um vier Prozent. Auch die Kaufbereitschaft für ein Produkt mit Gütesiegel liegt um fünf Prozent höher als für dasselbe Produkt ohne Gütezeichen. Für Unternehmen also ein lukratives Geschäft: In der EU gibt es mehr als 230 Nachhaltigkeitslabel. Doch die freiwillige und privatwirtschaftliche Kennzeichnung hat ihre Lücken – im Gegensatz zur gesetzlichen Bio-Kennzeichnung. Sie garantiert, dass Bio-Produkte aus umweltschonender ökologischer Produktion stammen. 

In vielen Fällen fehlt den Umweltaussagen zur Produktion eine fundierte wissenschaftliche Überprüfung. Bereits im Jahr 2020 hat die EU-Kommission die Verlässlichkeit dieser Aussagen geprüft (siehe Pressemitteilung "Verbraucherschutz: nachhaltige Kaufentscheidungen ermöglichen und Greenwashing beenden").

Das Ergebnis: 

  • 53 Prozent der Aussagen sind vage, irreführend oder unbegründet.
  • Für 40 Prozent der Aussagen wurden keine Belege gefunden. 

EU geht gegen Greenwashing vor

Um dem sogenannten Greenwashing in der Werbung einen Riegel vorzuschieben und verlässliche Umweltinformationen zu fördern, ist seit dem 26. März 2024 in der EU ein Gesetzespaket zur "Stärkung der Verbraucherinnen und Verbraucher im Grünen Wandel" (EmpCo) in Kraft getreten. Bis zum 27. März 2026 müssen diese Vorschriften in deutsches Recht umgesetzt werden und finden dann ab dem 27. September 2026 Anwendung. Die Richtlinien sehen strengere Vorgaben für die Darstellung verlässlicher, vergleichbarer, begründeter und nachprüfbarer Informationen zu den Umwelteigenschaften von Produkten und Unternehmen vor, so das Umwelt Bundesamt. Unter anderem wird die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken erweitert.

Folgende Handlungen sind demnach künftig untersagt:

  • Das Treffen allgemeiner, vager Umweltaussagen ("umweltfreundlich", "öko", "grün") eines Produktes, welche nicht nachgewiesen werden können,
  • Werbung mit klimaneutraler, klimareduzierter oder klimapositiver Wirkung der Produkte, wenn die Maßnahmen auf Kompensation von Treibhausgasen außerhalb der Lieferkette beruhen,
  • Die Kennzeichnung mit einem Nachhaltigkeitssiegel, das weder auf einem Prüfverfahren durch Dritte basiert oder von Behörden stammt,
  • Eine Umweltaussage zum gesamten Produkt oder dem gesamten Geschäftsbetrieb eines Unternehmens zu treffen, wenn die Umweltleistung nur einen bestimmtes Aspekt des Produkts oder eine bestimmte Tätigkeit des Unternehmens betrifft.

Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) begrüßt die neuen Green Claims-Richtlinien der EU-Kommission und sieht darin einen wichtigen Schritt in Richtung einer glaubwürdigen und einheitlichen Kennzeichnung zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln. "Aus Sicht des BNN braucht es deshalb ein Label, das der Komplexität von Nachhaltigkeit gerecht wird und gleichzeitig leicht verständlich ist. Beides zu vereinen, ohne Greenwashing zu betreiben, gelingt bisher nur dem Planet-score", so der Verband.

Eco-Score und Planet-Score sind zwei Nachhaltigkeitslabel, die die Umweltauswirkungen eines Produktes anhand einer fünfstufigen Scala abbilden. Während der Eco-Score nur einen Gesamtscore abbildet, werden beim Planet-Score noch drei Unterkategorien – Pestizide, Biodiversität und Klima – ausgewiesen. Die Umweltauswirkungen eines Produktes werden bei beiden Labeln anhand einer Lebenszyklusanalyse berechnet.

Offene Fragen zur Green Claims-Richtline

Zu den Richtlinien der EU gibt es aber noch offene Fragen, die vor allem die Bio-Branche umtreiben. Was dürfen Bio-Unternehmen über ihre Produkte kommunizieren? Dürfen Bio-Produkte noch als "biologisch" oder "ökologisch" gekennzeichnet werden? Was ist mit den besonderen Umweltleistungen des Öko-Landbaus in puncto Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeit, Grundwasserschutz, Tierhaltung? Und was ist mit den Standards der Bio-Anbauverbände, die über die EU-Öko-Verordnung hinausgehen? Diese und weiteren Fragen werden in einer Podcast-Folge des Forschungsinstituts Biologischer Landbau (FiBL) diskutiert und beantwortet.

Gemeinsam mit der Assoziation Ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts ein Rechtsgutachten (PDF-Dokument) beauftragt, das die Richtlinien mit Blick auf die Kommunikation zu Bio-Lebensmitteln analysiert hat. Darin werden einige (juristische) Widersprüche aufgezeigt, die einer Klärung bedürfen.

Zahlreiche Herausforderungen für das perfekte Klimalabel

An der Universität Göttingen soll ein Klimalabel für Lebensmittel in Niedersachsen entwickelt werden. Das Forschungsteam des "Projekts EEklim" muss Antworten unter anderem auf folgende Fragen finden: 

  • Wie kann das Label verständlich gestaltet werden?
  • Welche Umweltauswirkungen werden erfasst?
  • Wie werden diese erfasst?
  • Wie wird die Einhaltung der Labelstandards kontrolliert?

"Vorrangige Zielgruppe unseres Ansatzes sind Verbraucherinnen und Verbraucher, die bislang zwar grundsätzliches Interesse äußern, sich umweltfreundlich zu verhalten beziehungsweise zu ernähren, hierzu jedoch nicht über ausreichend Informationen verfügen", berichtet Dr. Birgit Schulze-Ehlers, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung. "Tests haben gezeigt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher komplexe Labels mit vielen Detailinformationen bei direkter Abfrage gegenüber einem einfacheren Label wie einer Ampel-Darstellung bevorzugen, diese aber oft nicht richtig verstehen." Verbraucherinnen und Verbraucher betrachten die Verpackungen im Supermarkt in der Regel nur wenige Sekunden – wenig Zeit, um alle wichtigen Informationen verständlich zu vermitteln.

Die größte Herausforderung besteht darin, die Umweltauswirkungen – sowohl die negativen als auch die positiven – in ihrer Gesamtheit korrekt zu erfassen und zu integrieren. Dies gelte insbesondere für die Leistungen des ökologischen Landbaus in puncto Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit, Grundwasserschutz und Kohlenstoffspeicherung durch Humusaufbau. "Die Ökobilanzierung muss noch weiterentwickelt werden, um breitere Umweltwirkungen valide und fair zu erfassen. Für Klima und Wasser liegen aktuell gute Methoden vor", betont Dr. Schulze-Ehlers.

Ihrer Ansicht nach gelinge eine sinnvolle Produktkennzeichnung von Klima- und weiteren Umweltwirkungen aber nur, wenn eine Datenbank für Lebensmittel in Deutschland aufgebaut werde. "Sonst werden kleinere Hersteller, die keine eigene Öko-Bilanzierung durchführen können, benachteiligt. Hier muss die Politik aktiv werden. Nur so kann Greenwashing einerseits und ein Übermaß an Dokumentationsaufwand vermieden – und damit echte Transformationswirkung entfaltet werden", fasst Dr. Schulze-Ehlers die bisherigen Forschungsergebnisse zusammen. 

Von Schadensbehebung bis Schadensbegrenzung: Welche alternativen Ansätze gibt es?

Ein Produkt oder Lebensmittel ohne Umweltauswirkungen zu produzieren, ist schlichtweg unmöglich. Möglich ist aber, eine gewisse Transparenz über die Umwelteinflüsse während der Produktion zu schaffen. Hier greifen unter anderem zwei Ansätze, die der Schadensbehebung nach dem True-Cost-Prinzip und die der Schadensvermeidung nach dem True-Welfare-Prinzip

  • Im Falle von True Cost werden die "wahren Kosten" von Lebensmitteln ermittelt. Diese enthalten ökologische und soziale Folgekosten, die bei der Herstellung eines Lebensmittels entlang der gesamten Lieferkette entstehen, sich aber im Regelfall nicht im Verkaufspreis widerspiegeln. Tendenziell schneiden ökologisch erzeugte Lebensmittel besser ab als konventionell erzeugte Lebensmittel, für die ein höherer Preisaufschlag berechnet wurde.
  • Bei True Welfare werden die Leistungen, die (Bio-)Landwirtinnen und Landwirte beispielsweise für Klimaschutz, Artenvielfalt und die Gesellschaft erbringen, anhand eines Tools zur Nachhaltigkeitsberechnung als monetärer Geldwert ermittelt. So können diese Gemeinwohlleistungen nicht nur sichtbar gemacht werden, sondern auch besser wertgeschätzt und an die Gesellschaft kommuniziert werden. 

Text: Birgit Rogge, Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI)


Letzte Aktualisierung 01.10.2024

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