Kantine Zukunft wirkt nachhaltig

Kantine Zukunft wirkt nachhaltig

Die "Kantine Zukunft" will gemeinsam mit Berliner Küchenteams mehr Qualität, Nachhaltigkeit und Wertschätzung in die Gemeinschaftsgastronomie bringen. Erfahrungen und eine interne Evaluation zeigen: Das Beratungsprogramm wirkt nachhaltig.

Mit dem Beratungsprogramm "Kantinen Werkstatt" soll der Anteil biologisch erzeugter, pflanzlicher und vor Ort frisch verarbeiteter Produkte deutlich erhöht werden. Seit dem Start Ende 2019 haben 154 Küchen das Programm erfolgreich abgeschlossen oder nehmen aktuell daran teil. Konkret stehen bei der Kantinen-Werkstatt fünf Zielwerte im Mittelpunkt, die als Benchmarks dienen – aber nicht in jedem Einzelfall erreicht werden können.

  • mindestens 60 Prozent Bio-Anteil
  • maximal 10 Prozent hochverarbeitete Produkte
  • mindestens 60 Prozent unverarbeitete Rohprodukte
  • mindestens 60 Prozent pflanzliche Produkte
  • mindestens 60 Prozent vegetarische Gerichte

Erfahrene Trainerinnen und Trainer begleiten und beraten die Küchenteams über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten dabei, so weit wie möglich auf diesem Weg voranzukommen.

Evaluation der Kantinen-Werkstatt

Werden diese Ziele am Ende des Beratungsprozesses erreicht und auch sechs bis zwölf Monate danach noch umsetzt? Eine unabhängig durchgeführte Evaluation in stichprobenartig ausgewählten Kantinen sollte Antworten auf diese Fragen liefern. Dazu wurden die Speisepläne sowie Einkaufslisten von 13 Kitas und zwei Betriebskantinen auswertet, die am Beratungsprogramm teilgenommen hatten, und die jeweiligen Küchenleitungen befragt.

In den Kitas der Stichprobe wurden die angestrebten Ziele der Kantinen-Werkstatt bis auf wenige Ausnahmen erreicht: Der Bio-Anteil konnte von 13 Prozent zu Beginn auf durchschnittlich 81 Prozent am Ende des Beratungsprogramms gesteigert und auch 6 bis 12 Monate später auf diesem Niveau gehalten werden. Nach Abschluss der Kantinen-Werkstatt setzten die Kita-Küchen nur noch 5 Prozent hochverarbeitete Fertigprodukte ein. Dieser Anteil stieg dann wieder auf 10 Prozent, liegt damit aber immer noch im angestrebten Rahmen. Zu über 80 Prozent setzten die Kita-Küchen unverarbeitete Rohprodukte und zu zwei Dritteln pflanzenbasierte Produkte ein. Der Anteil vegetarischer Gerichte im Speiseplan betrug nach Projektabschluss 82 Prozent, ein halbes bis ein Jahr später noch immer 78 Prozent.

Bei den zwei Betriebskantinen lag der Bio-Anteil zu Beginn bei durchschnittlich 5 Prozent und konnte nach Abschluss der Beratung auf 41 Prozent auch deutlich erhöht werden. Allerdings sank er ein halbes bis ein Jahr später moderat auf 35 Prozent ab. Die Betriebskantinen verwendeten am Ende der Kantinen-Werkstatt beziehungsweise danach rund 24 Prozent (Ende der Kanttinen-Werkstatt) und 30 Prozent (danach) hochverarbeitete Fertigprodukte. Knapp zwei Drittel verwendeten unverarbeitete Rohprodukte und etwa die Hälfte pflanzliche Produkte. Insgesamt konnten in den Betriebskantinen die angestrebten Ziele in Teilen erreicht werden. Allerdings sind diese Ziele für die Betriebsgastronomie deutlich ambitionierter als im Kita-Bereich. Dort lässt sich beispielsweise meist einfacher ein deutlich pflanzenbetonterer Speiseplan umsetzen.

Umstellung der Speisepläne

Im Rahmen der Kantinen-Werkstatt werden die Speisepläne häufig grundlegend neugestaltet. Im Fokus steht, mehr Hülsenfrüchte sowie heimische und saisonale Obst- und Gemüsesorten in den Speiseplan aufzunehmen. Viele Kitas machen gute Erfahrungen damit, die Häufigkeiten von Fleischgerichten zu reduzieren – von einmal die Woche beziehungsweise einmal alle zwei Wochen bis hin zu rein vegetarischen Speiseplänen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, bei Gerichten mit Fleisch die Fleischmengen zu reduzieren. Beispielsweise, indem Hackfleisch mit pflanzlichen Lebensmitteln wie Linsen, Grünkern oder Couscous gemischt wird.

In den größeren Küchenteams der Betriebskantinen werden die Veränderungen meist als herausfordernder eingeschätzt als in den Kita-Küchen. Dennoch konnte auch hier eine große Akzeptanz erreicht werden. Unter anderem, indem Mitarbeitende in die Rezeptentwicklung aktiv einbezogen wurden. Generell besteht bei den Beratungen ein großes Interesse an Rezepten für vegetarische Gerichte mit überwiegend saisonalen Produkten. Dabei muss natürlich auf einrichtungsspezifische Präferenzen Rücksicht genommen werden. Personen, die überwiegend Bürotätigkeiten ausüben, haben andere Vorlieben als Essensgäste, die körperlich hart arbeiten.

Kochbuch "Currywurst und Grünzeug"

Das Kochbuch der Kantine Zukunftumfasst über 80 einfache und praxiserprobte Rezepte, die speziell für die Bedürfnisse der Gemeinschaftsgastronomie entwickelt wurden. Inspiriert von den Erfahrungen aus der Kantinen-Werkstatt rücken Gemüse und einfache, handwerkliche Verarbeitung in die Tellermitte. Auf mehr als 200 Seiten verbindet es Genuss mit Praktikabilität und die Bedürfnisse der Tischgäste mit den Rahmenbedingungen der Großküche.

Die Reduktion von Convenience-Produkten und der vermehrte Einsatz von unverarbeiteten und frischen Produkten führt in den Küchen zunächst zu einem höheren Arbeitspensum. Viele Küchenleitungen betonen jedoch gleichzeitig die positiven Effekte: Die Küchenteams kalkulieren die Produktionsmengen genauer und verwerten besser die Reste. Um den erhöhten Aufwand auszugleichen, bieten viele Betriebskantinen nun weniger Menülinien an. Dadurch verringert sich die Anzahl der verschiedenen Frischeprodukte, die verarbeitet werden müssen. Wichtig ist dabei, dass die Rezepte einfach gehalten sind, um den Arbeitsaufwand zu minimieren, aber den Tischgästen ebenso gut schmecken.

Verbesserung der Arbeitsprozesse und Motivation

Ein zentraler Erfolgsfaktor ist zudem die Optimierung der Arbeitsprozesse und die Analyse und Anpassung von vorhandenen Gerätschaften in der Küche im Hinblick auf das Ziel: Wie können vermehrt frische Produkte verarbeitet werden? Je nach Bedarf wurden dabei in den Küchen Schichtzeiten an das Arbeitsaufkommen angepasst oder Küchenmaschinen angeschafft. So können beispielsweise Gemüseschneider die Arbeit erleichtern.

Und noch ein Effekt zeigt sich: Die Teilnahme an der Kantinen-Werkstatt steigert die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden – trotz höherem Arbeitsaufwand. Die andere Art zu arbeiten fördert die Identifikation mit dem Kochhandwerk und verbessert die Wertschätzung des Küchenpersonals. Allerdings sind Partizipation und gute Kommunikation hier essenziell: Die Mitarbeitenden müssen von Anfang an bei diesem Prozess mitgenommen und informiert werden. Keinesfalls lässt sich dieser Transformationsprozess einfach von oben überstülpen.

Auswirkungen auf den Wareneinsatz

In den Interviews mit den Küchenleitungen wurden drei Faktoren genannt, weshalb die Erhöhung des Bio-Anteils nicht als relevanter Kostentreiber wahrgenommen wird. Erstens achten die Kitas und Betriebskantinen der Stichprobe darauf, so weit als möglich saisonales und regionales Obst und Gemüse zu verwenden. Dann bestehen häufig keine gravierenden Preisunterschiede zwischen biologischen und konventionellen Produkten. Zweitens wird in den Kitas der Stichprobe Fleisch nur einmal pro Woche beziehungsweise alle zwei Wochen angeboten. In Betriebskantinen ist das häufig eine größere Herausforderung. Aber auch hier gibt es Lösungen, zum Beispiel drei Menülinien, davon sind zwei attraktive vegetarische Gerichte und eines ein Fleischgericht. Drittens achten die Küchen stärker darauf, Lebensmittelabfälle zu vermeiden, wenn sie vorher die Speise selbst zubereitet haben.

"Grundsätzlich ist es unser Ziel, Mehrkosten beim Einkauf von Bio-Produkten durch Veränderungen in der Speiseplanung, bei Rezepturen und beim Einkauf möglichst abzufedern", so Dr. Philipp Stierand, Leiter der Kantine Zukunft Berlin. Aber er hält es nicht für möglich, hier einen Bio-Anteil anzugeben, bei dem generell eine kostenneutrale Umstellung möglich ist. Zu viel Variablen bestimmen im Einzelfall die Kosten.

Ambitionierte, aber realistische Ziele setzen

Die Erfahrungen mit der Kantinen-Werkstatt zeigen, wie viel in der Gemeinschaftsverpflegung möglich ist, wenn Leitungen und Küchenmitarbeitende motiviert an einem Strang ziehen. Gleichzeitig warnt der Berater Stierand davor, dass man eine Küche nicht mit zu hohen Ansprüchen überfordern sollte. Es kann sein, dass äußere Rahmenbedingungen das Erreichen von Zielen begrenzen, die von den Küchen selbst nicht beeinflusst werden können. Beratung kann viel, aber sie ist auch kein Allheilmittel. "Wenn unsere Gesellschaft einen höheren Bio-Anteil in der Gemeinschaftsverpflegung will, dann müssen das Leitungen und Träger als Ziel definieren und dafür auch die notwendigen Ressourcen bereitstellen", bekräftigt Dr. Philipp Stierand.

Text: Andreas Greiner


Letzte Aktualisierung 17.09.2024

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