Mehr Milchgeld, mehr Nachhaltigkeit

Mehr Milchgeld, mehr Nachhaltigkeit – das Konzept der Hamfelder Bauerngemeinschaft

Um 20 Cent pro Liter hat die Hamfelder Bauerngemeinschaft den Preis für ihre Bio-Milch erhöht und weist auf der Verpackung gut sichtbar darauf hin. Ein mutiger Schritt. Doch Handel und Kundschaft reagierten bislang überwiegend positiv darauf. Bei den Mitgliedsbetrieben löste er sogar eine Aufbruchstimmung aus. Warum, das erklärt Geschäftsführer Janosch Raymann im Interview.

Die Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof im schleswig-holsteinischen Mühlenrade besteht in der jetzigen Form seit 2013. Geschäftsführer ist Janosch Raymann, Sohn des Gründerehepaars. Der Gemeinschaft gehören heute 36 Milchviehbetriebe aus Schleswig-Holstein, dem nördlichen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern an. Im letzten Jahr wurden etwa 19 Millionen Liter Milch verarbeitet, vor allem zu Frischmilch, länger haltbarer Milch, Joghurt und Butter. Wichtigste Abnehmer sind der Naturkostfachhandel und der Lebensmitteleinzelhandel, aber keine Discounter. Zum 1. Oktober 2021 hat die Gemeinschaft ihren Verkaufspreis für Bio-Milch um 20 Cent erhöht.

Oekolandbau.de: Herr Raymann, Sie sind mit einer Jahresmilchmenge von 19 Millionen Litern sehr klein im Vergleich zu konventionellen Großmolkereien und anderen Bio-Molkereien. Wie schaffen Sie es, auch bei den großen Playern des Lebensmitteleinzelhandels so gut vertreten zu sein?

Janosch Raymann: Als Anbieter hat man laut Lehrbuch zwei Möglichkeiten. Entweder man geht über den Preis, was in der Regel bei kleinen Betrieben aufgrund der Kostenstruktur wegfällt. Oder man setzt auf besondere Qualität, die über einen gesundheitlichen Mehrwert hinausgeht und auch die Art der Erzeugung mit einbezieht. Das ist das Thema, an dem wir arbeiten. Man muss sich damit so positionieren, dass die Artikel für den Handel interessant sind. Das gelingt uns ganz gut. Außerdem arbeiten wir schon sehr lange zusammen mit den meisten Handelspartnern und sind etabliert. Auch der intensive persönlichen Austausch ist wichtig. Das erfordert auch einen langen Atem. Wir haben uns kontinuierlich weiterentwickelt, sind dabei neben der Umsetzung großer Projekte wie der Gründung unserer eigenen Meierei auch viele kleine Schritte gegangen. Eine nachhaltige Unternehmensentwicklung steht dabei für uns vor möglichst schnellem Wachstum. In der Summe hat all dies dazu beigetragen, dass wir gut wahrgenommen werden und erfolgreich sind.

Oekolandbau.de: Diese Politik der kleinen Schritte haben Sie mit Ihrem aktuellen Konzept aufgegeben, bei dem Sie für mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit in der Erzeugung einen Preisaufschlag von 20 Cent pro Liter Milch festgelegt haben. Wie haben Ihre Mitgliedsbetriebe bei den ersten Gesprächen auf diesen Ansatz reagiert?

Janosch Raymann: Diesen Schritt haben wir uns ja nicht von heute auf morgen überlegt. Das Konzept ist das Ergebnis eines sehr intensiven Prozesses, der vor drei Jahren begann und bei dem die Betriebe natürlich eingebunden waren. Wir haben am Anfang ganz einfache, offene Fragen gestellt. Was wollen wir? Was sind unsere Ideale? Und was brauchen wir, um das zu erreichen? Die Antworten haben wir gesammelt und in mehreren Schritten auf einige Grundziele zusammengeführt. Die Zielsetzungen für dieses Projekt kamen aus unserer Bauerngemeinschaft. Das waren im Kern eben mehr Tierwohl, mehr Nachhaltigkeit bei der Bewirtschaftung, aber auch der Wunsch nach mehr Wertschöpfung beziehungsweise einer generationenübergreifenden Perspektive auf den Höfen. Und auf die Frage, wie sich das umsetzen lässt, gab es letztlich nur eine Antwort: Wir brauchen neben Mut und Engagement auch einen höheren Milchpreis.

Oekolandbau.de: Die selbst auferlegten Vorgaben für die Erzeugung übersteigen die Vorgaben des Verbandes zum Teil deutlich. Wie verlief der Einigungsprozess und was bedeuten diese ehrgeizigen Ziele für die Betriebe?

Janosch Raymann: Die Vorgaben sind in der Tat anspruchsvoll. So haben wir uns für eine kuhgebundene Kälberaufzucht entschieden, für die es zurzeit nur wenig Praxiserfahrungen gibt. Die Weidehaltung wurde auf mindestens 180 Tage im Jahr ausgedehnt und die Ställe sollen mehr Bewegungsfreiheit und bessere Licht- und Luftverhältnisse bieten. Zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität muss jeder Hof auf mindestens zehn Prozent seiner Betriebsfläche auch einen eigenen Naturschutzplan umsetzen, bei dem zum Beispiel bestimmte Wiesen und Weiden nur noch extensiv genutzt werden dürfen. Das bedeutet letztlich für jeden Betrieb, dass über kurz oder lang ein neuer Stall gebaut werden muss. Wahrscheinlich wird durch die kuhgebundene Kälberaufzucht auch die Milchleistung zurückgehen. Das war allen Praktikerinnen und Praktikern klar, weshalb es natürlich intensive Diskussionen gab. Aber durch die offene Fragestellung zu Beginn des Prozesses war dann letztlich bei allen Beteiligten die Bereitschaft da, diesen Weg zu unterstützen. Das Konzept wurde als wichtiger Baustein für unser Kernziel gesehen, möglichst viel Wertschöpfung auf die Höfe zu bringen, um die ökologische Landwirtschaft weiterzuentwickeln. Schließlich wird der Aufschlag von 20 Cent pro Liter komplett an die Betriebe weitergegeben, sodass sie seit dem 1. Oktober 2021 etwa 70 Cent pro Liter als Auszahlungspreis erhalten.

Oekolandbau.de: Wie werden die strengeren Vorgaben auf den Betrieben kontrolliert?

Janosch Raymann: Geplant ist zunächst eine interne Kontrolle, die vier Mal im Jahr im Zuge erweiterter Betriebsentwicklungsgespräche stattfinden soll. Zusätzlich wollen wir das mittelfristig durch eine externe Prozesskontrolle absichern.

Oekolandbau.de: Wann haben Sie den Handel in das neue Konzept eingebunden und wie waren die Reaktionen?

Janosch Raymann: Auch unsere Handelspartner mussten diesen Schritt natürlich mitgehen. Deshalb haben wir mit allen frühzeitig darüber gesprochen, nachdem wir die wesentlichen Punkte des Konzepts intern festgelegt hatten. Da wir alle Schritte gut begründen konnten, waren auch unsere Handelspartner überwiegend offen für diesen Weg und haben uns dabei zum Teil gleich im ersten Gespräch Ihre Unterstützung zugesagt.

Oekolandbau.de: Sie gehen auch gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern offensiv mit dem Preisanstieg um und drucken sogar auf die Milchverpackung, dass Sie teurer werden. Ein sehr ungewöhnlicher Weg der Kommunikation, oder?

Janosch Raymann: Das war eine der wesentlichen Fragen, nachdem wir uns für den Zuschlag von 20 Cent entschieden haben: Wie bringen wir das rüber bei unserer Kundschaft? Grundsätzlich halten wir es bei Lebensmitteln für ungünstig, den Preis in den Fokus zu stellen. Aber wir kamen bei unseren Überlegungen schnell zu der Erkenntnis, dass wir uns keinen Gefallen tun, wenn wir nicht gut erkennbar auf den höheren Preis hinweisen. Denn das könnte den Eindruck erwecken wir würden hoffen, dass es niemand bemerkt. Wir tricksen nicht. Stattdessen wollten wir etwas Ungewöhnliches machen und offensiv damit umgehen. Für uns war es dann vielmehr eine Chance, den Leuten zu erklären, was hinter unserer Milch steht, warum wir so arbeiten und welchen gesellschaftlichen Beitrag unsere Betriebe leisten. Und das unterstützen die Kundinnen und Kunden, indem sie bereit sind, einen Zuschlag zu zahlen.

Oekolandbau.de: Welche Rolle spielt die Kommunikation nach außen überhaupt bei der Hamfelder Bauerngemeinschaft?

Janosch Raymann: Wir sind klein und haben deshalb auch kein riesiges Marketingbudget. Außerdem vertreten wir die Ansicht, dass eine eher zurückhaltende Kommunikation mit Fokus auf die wirklich wesentlichen Themen der richtige Weg ist. Deshalb arbeiten wir an diesen Stellen inhaltlich so detailliert und zielgerichtet wie möglich. Die Öffentlichkeitsarbeit ist dabei ein wichtiger Baustein. Natürlich arbeiten wir in der Kommunikation auch mit externen Dienstleistern zusammen, aber wir investieren hier auch persönlich viel Arbeit. So kümmert sich meine Mutter bis heute um das Verpackungsdesign. Gerade, wenn es um Inhalte geht, sind wir natürlich besonders gefordert. Denn nur wir wissen ja, welche Themen uns wichtig sind und wie wir diese genau ansprechen wollen. Allein am Text auf der Verpackung für unser neues Konzept haben wir zwei Monate lang immer wieder gefeilt und um Formulierungen gerungen. Die Zeit nehmen wir uns dann auch.

Oekolandbau.de: Die höheren Preise gelten jetzt seit etwa einem Monat. Haben Sie schon einen Überblick, wie die Verbraucherinnen und Verbraucher darauf reagiert haben?

Janosch Raymann: Für ein abschließendes Fazit ist es noch zu früh. Was wir sagen können ist, dass der Absatz nicht wesentlich eingebrochen ist. Zudem haben wir wirklich sehr viele Rückmeldungen bekommen, die ganz überwiegend positiv waren. Das freut uns sehr und gibt uns noch einmal zusätzlichen Rückenwind für unser Vorhaben. Doch die für mich erfreulichste Entwicklung ist bisher, dass wir auf unseren Mitgliedsbetrieben eine echte Aufbruchstimmung erzeugen konnten. Die haben dank der neuen Perspektiven durch die höheren Auszahlungspreise richtig Lust bekommen, etwas Neues zu entwickeln. Das ist für mich eigentlich der größte Erfolg. Und vielleicht gelingt es uns ja mit diesem Konzept, auch anderen Erzeugergemeinschaften Mut zu machen, mit ungewöhnlichen Schritten mehr Wertschöpfung auf die Betriebe zu bringen.


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Hamfelder Bauerngemeinschaft

Letzte Aktualisierung 16.11.2021

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