Weniger Fischmehl

Darf es etwas weniger Fischmehl sein?

In der ökologischen Aquakultur werden neben reinen Pflanzenfressern auch karnivore Arten gehalten, die andere Fische oder Meerestiere zu ihrer Nahrungsgrundlage zählen. Die Fütterung in der ökologischen Aquakultur steht dabei vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen gilt der Einsatz von Fischmehl bzw. -öl derzeit als unverzichtbar bei der Ernährung karnivorer Kulturfische, zudem muss eine artgerechte Fütterung von Raubfischen tierische Bestandteile beinhalten. Der Anteil pflanzlicher Erzeugnisse am Futter karnivorer Fische ist in der ökologischen Aquakultur daher auf maximal 60 Prozent begrenzt.

Andererseits ist aus Gründen der Ressourcenschonung ein sparsamer Umgang mit Fischmehl angezeigt  - Fischmehle aus ökologischer Aquakultur oder Verarbeitungsüberreste aus nachhaltiger Fischerei sind nur begrenzt verfügbar und zudem kostspielig. Sinkende Fischpopulationen in den Weltmeeren machen eine sparsame Verwendung dieses tierischen Futtermittels ohnehin zur Pflicht. Eine ausgewogene Zusammensetzung von Futtermitteln ist daher gefragt.

Wissenschaftler des Forschungsinstituts für biologischen Landbau in Frick, Schweiz, und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, untersuchten unabhängig voneinander die Möglichkeit, mit Proteinen aus Insektenlarven einen Teil des Fischmehls zu ersetzen. In der Diät für Regenbogenforellen wurden bei einer Substitution von 45 Prozent des Fischmehls durch ein Mehl aus Larven der Black Soldier Fly (Hermetia illucens) keine signifikanten Unterschiede beim Wachstum und in der Produktqualität festgestellt. Beim Heilbutt (Psetta maxima) wurden bereits bei einem Fischmehlersatz mit Hermetiamehl von über 33 Prozent negative Auswirkungen beobachtet.

Im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) haben Wissenschaftler die ökologische Aufzucht von Raubfischen unter verschiedenen Futterregimes getestet. Ihr Fazit: Gut die Hälfte des Fischmehls lässt sich durch Getreideprodukte ersetzen ohne Leistung, Gesundheit oder Qualität zu beeinträchtigen.

Regenbogenforelle

Mit Kartoffelprotein - ein Nebenprodukt der Herstellung von Stärkemehl - und Weizenkleber lassen sich 56 Prozent des Fischmehls in der ökologischen Aufzucht von Regenbogenforellen (Oncorhynchus mykiss) problemlos ersetzen, und zwar ohne negative Einflüsse auf Futteraufnahme, Verwertung, Wachstum oder Tiergesundheit. Dies stellten Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bei Fütterungsversuchen fest. "Auch die Ganzkörperzusammensetzung und Blutparameteranalyse zeigte, dass alle angebotenen Futtermittel eine ausreichende Versorgung sicherstellen können", sagt Projektleiter Professor Carsten Schulz.

Die Mischung macht's, auch beim Einsatz hoher pflanzlicher Eiweißanteile: Kartoffelprotein alleine ist reich an essentiellen Aminosäuren, jedoch in höheren Dosen wenig schmackhaft und verringert daher die Futteraufnahme. Ursache hierfür ist vor allem der Gehalt an Stoffen, die unverdaulich sind oder die Verdauung und Aufnahme behindern (antinutritive Bestandteile), unter anderem bitter schmeckende Glykoalkaloide wie beispielsweise Solanin. Weizenkleber dagegen ist relativ kostengünstig und im Wasser stabil. Weizenkleberprotein ist jedoch vergleichsweise minderwertig und arm an der essentiellen Aminosäure Lysin. Die Forscher empfehlen den kombinierten Einsatz von bis zu 300 Gramm Kartoffelprotein und 190 Gramm Weizenkleber pro Kilogramm Futtermittel.

Bachforelle

Vier Futtermittel für Salmoniden - drei davon ökologisch - testeten Fischexperten der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Starnberg und des Max Rubner-Instituts in Kiel. Die für den Fütterungsversuch eingesetzten Bachforellen (Salmo trutta fario) wurden in naturnahen Teichen gemäß den Richtlinien des ökologischen Anbauverbands Naturland gehalten. Auch hier zeigte sich: Der Fischanteil am Futtermittel (je nach Fütterung zwischen 30 und 80 Prozent Fischmehl/-öl) war nicht entscheidend für die Wachstumsleistungen der Tiere. Für rasches Wachstum sorgten vielmehr Futtermittel mit hohen Fettanteilen von bis zu 25 Prozent. Die als sehr gut bewertete Zusammensetzung der Fische aus ökologischer Aufzucht und damit ihre Qualität und Schmackhaftigkeit als Lebensmittel wurde vom Futtermittel nicht systematisch beeinflusst. Insgesamt zeigten die Versuche, dass die Produktion von Bachforellen unter den Bedingungen des Ökolandbaus Potenzial für Erzeuger birgt.

Seesaibling

Deutlich problematischer schätzen die gleichen Wissenschaftler die ökologische Erzeugung von Seesaiblingen (Salvelinus alpinus) ein. Unabhängig vom verwendeten Futtermittel wuchsen diese langsamer als die Bachforellen. Es gab mehr Krankheitsfälle, und die Geschlechtsreife mit dem damit verbundenen Rückgang der Zunahmen setzte früher ein. Zudem nahmen die Tiere das angebotene Futter nur unregelmäßig auf. Mit Hand- statt Automatenfütterung kann der Halter auf die schwankende Futteraufnahme reagieren und dadurch Futterverluste senken und Wasserverschmutzung vermeiden. Die ökonomische Aufzucht von Seesaiblingen in der ökologischen Aquakultur halten die Forscher wegen der erheblichen Risiken jedoch nur für bedingt machbar.


Kontakt

Regenbogenforelle

Prof. Dr. Carsten Schulz
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Tierzucht und Tierhaltung (FB Aquakultur)
Hermann-Rodewald-Straße 6, 24118 Kiel
Tel.: 04 31 / 8 80 25 84
cschulz@tierzucht.uni-kiel.de
www.tierzucht.uni-kiel.de

Bachforelle und Seesaibling

Dr. Reinhard Reiter
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
Institut für Fischerei (IFI)
Weilheimer Straße 8
82319 Starnberg
Tel.: 0 81 51 / 26 92 - 121
reinhard.reiter@lfl.bayern.de
http://www.lfl.bayern.de/ifi/

Dr. Horst Karl
Max Rubner-Institut (MRI)
Institut für Sicherheit und Qualität bei Milch und Fisch (MF)
Hermann-Weigmann-Straße 1
24103 Kiel
Tel.: 04 31 / 6 09 22 50
horst.karl@mri.bund.de
www.mri.bund.de


Letzte Aktualisierung 30.05.2014

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