Kartoffelkäfer wirksam bekämpfen

Kartoffelkäfer wirksam bekämpfen

In den letzten Jahren häufen sich bundesweit die Meldungen über das verstärkte Auftreten der Kartoffelkäfer. Dabei summieren sich die Faktoren, die eine Massenvermehrung unterstützen, wie zum Beispiel die Klimaerwärmung. Milde Winter verhindern örtlich das Abfrieren nicht geernteter Kartoffeln, die dann als Durchwuchskartoffeln im Getreide einen geschützten Lebens- und Vermehrungsraum für die Käfer im Folgejahr bieten.

In heißen Sommern erscheint die neue Käfergeneration frühzeitig und kann das Kartoffellaub weiter schädigen. Bleibt eine Bekämpfung des Käfers aus oder ist sie aufgrund geringer Wirksamkeit der angewendeten Pflanzenschutzmittel unzureichend, vergrößert sich die Ausgangspopulation im darauffolgenden Jahr.

Sie sind gerade auf dem Kartoffelacker unterwegs und haben keine Zeit, sich den Beitrag über die Bekämpfung des Kartoffelkäfers durchzulesen? Diesen Beitrag des Öko-Blogs Kartoffel können Sie sich auch auch unkompliziert anhören! Klicken Sie dafür einfach auf den Play-Button:

Exkurs: Lehren aus der Geschichte der Kartoffelkäferbekämpfung

Im Kriegsjahr 1944 kam es in Deutschland durch den Zusammenbruch der gesellschaftlichen Strukturen und die ausbleibenden Bekämpfungsmaßnahmen zu einer schnellen Ausbreitung des Kartoffelkäfers. Innerhalb eines Jahres legte er 400 Kilometer bis zur östlichen Ausbreitungslinie von Rostock im Norden bis Südwest-Thüringen zurück. Der "Rostocker Anzeiger" zeichnet in seiner Ausgabe von 1945 anschaulich den Weg seiner Ausbreitung nach. Zur Abwehr des Kartoffelkäfers wurde in der sowjetischen Besatzungszone sofort ein Suchdienst eingerichtet. "Durch kolonnenweises Absuchen sämtlicher Kartoffelfelder sollen alle Befallsstellen sofort entdeckt und durch sorgfältiges Absammeln aller gefundenen Käfer und deren Larven und Eigelegen sowie nachfolgendes Spritzen mit Kalkarsenbrühe oder Bestäuben mit Gesarol ausgetilgt werden".

Bei letzterem handelte es sich um das sogenannte DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan), das erstmalig 1942 als Pflanzenschutzmittel durch das schweizer Chemieunternehmen J. R. Geigy AG auf den Markt kam und in der Folge seinen "Siegeszug" als Insektizid weltweit antrat. Damit wurden die für Menschen hochtoxischen Arsenpräparate langsam abgelöst. In der sowjetischen Besatzungszone wurden sie allerdings noch bis in die 1950er Jahre zur Kartoffelkäferbekämpfung angewendet.

Gegen beide Wirkstoffe entwickelte der Käfer jedoch Resistenzen. Im Jahre 1962 veröffentlichte dann die US-amerikanische Biologin Rachel Carson das Buch Silent Spring (Der stumme Frühling), mit dem erstmalig die Probleme und Risiken des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in der breiten Öffentlichkeit bekannt wurden. Neben den besagten aber auch teuren Pflanzenschutzmitteln wurden in der Nachkriegszeit immer wieder Schulklassen zum Absammeln der Käfer auf die Felder geschickt. Neben der umweltschonenden Schädlingsbekämpfung wurden die vielfältigen Facetten und Mühen der Landbewirtschaftung, der Bezug zur Produktion von Nahrungsmitteln allen Schülerinnen und Schülern dabei lebhaft bewusst.

Kartoffelkäfer und ihre natürlichen Feinde

Der ursprünglich aus Nordamerika stammendeKartoffelkäfer, früher auch Coloradokäfer genannt, tritt seit 1936 in Deutschland auf. In den vergangenen Jahrzehnten haben in Deutschland keine natürlichen Gegenspieler wirklich Geschmack an dem Käfer gefunden, der sich durch das giftige Solanin, dem Alkaloid das er aus der Kartoffel aufnimmt, wirksam gegen Feinde zur Wehr setzt. Von Vögeln (Fasan, Rebhuhn) wird er gelegentlich gefressen. Hühner fressen in der Regel nur einmal Kartoffelkäfer und verschmähen dieses Futter anschließend.

Zwar findet man im Feld immer wieder die Larven der Florfliegen (Chrysopa spp.), welche die Eier und Larven der Kartoffelkäfer aussaugen, aber auch hier liegt die Vermutung nahe, dass nur bei Mangel an Blattläusen auf diese alternative Nahrungsquelle zurückgegriffen wird. Auch zukünftig ist nicht zu erwarten, dass über natürliche Gegenspieler und deren Förderung eine effektive Kontrolle der Käfer erfolgen könnte.


Film ab: Schädlingsporträt des Kartoffelkäfers


Vorbeugende Maßnahmen konsequent anwenden

Zu den vorbeugenden Maßnahmen, die konsequent anzuwenden sind, gehören neben der Fruchtfolge und der Einhaltung der Anbaupausen eine Entfernung der Kartoffelfelder zu den Vorjahresflächen von mindestens 500 Metern. Die Einwanderung über das Flugvermögen der Käfer kann damit, je nach Temperaturverlauf, um bis zu 14 Tagen verzögert werden.

Durchwuchskartoffeln müssen vermieden werden, um eine ungestörte Entwicklung der Käfer zu verhindern. Dabei handelt es sich um Kartoffeln, die nicht geerntet wurden und in einem milden Winter auf der nun mit Getreide bestellten Fläche überleben und nicht abfrieren. Sie können im Folgejahr im Getreide wachsen und als Überhälter für Kartoffelkäfer und die Krautfäule dienen.

Das Vorkeimen aber auch die Nutzung früher Sorten schafft einen Entwicklungsvorsprung der Pflanzen, der auch bei Folgeschäden durch Krautfäule von Nutzen ist.

Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zur Bekämpfung des Kartoffelkäfers

Im ökologischen Landbau können Kartoffelkäfer wirksam mit biologischen Pflanzenschutzmitteln reguliert werden. Die höchsten Wirkungsgrade erzielt man durch die zeitlich versetzte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff des tropischen Neembaumes (NeemAzal-T/S) und des Bakterienpräparates Bacillus thuringiensis tenebrionis (B.t.t.; Novodor FC, Abstand 4 bis 6 Tage). Mit dieser Kombination können Wirkungsgrade von über 80 Prozent erzielt werden.

Auch die einmalige Anwendung von Spinosad (SpinTor) wurde als erfolgreiche Bekämpfungsstrategie bisher empfohlen. Hier ist jedoch zu beachten, dass Spinosad durch die deutschen Öko-Anbauverbände aufgrund seiner Bienengefährlichkeit (B1) verboten ist. Deshalb darf es nur in Betrieben, die nach EU-Ökorichtlinien wirtschaften, angewendet werden. Mit dem Widerruf der EU-Wirkstoffzulassung von B.t.t., auf Antrag des Zulassungsinhabers am 30. April 2019, erfolgt die Anwendung von Novodor FC seitdem nur noch über eine immer wieder jährlich neu auszusprechende Notfallzulassung.

Gegen Naturpyrethrum, das als Wirkstoff gegen Kartoffelkäfer ebenfalls zur Verfügung steht, haben viele Käferpopulationen bereits Resistenzen aufgebaut. Eine Anwendung dieses Wirkstoffes ist nur noch regional – nach positiven Erfahrungen – weiterhin sinnvoll.

Bekämpfung des Kartoffelkäfers: Bestimmung des optimalen Spritztermins

Für eine erfolgreiche Bekämpfung des Kartoffelkäfers und seiner Larvenstadien mit Pflanzenschutzmitteln ist der Spritzzeitpunkt von großer Bedeutung. Nur die Junglarven im L1 und L2-Stadium können effektiv bekämpft werden. Zur Bestimmung des optimalen Bekämpfungszeitraumes, der im Juni allgemein innerhalb einer Woche durchlaufen wird, eignet sich das kostenlos bereitgestellte SIMLEP 3-Prognosemodell. Als Eingabeparameter dienen der Erstfund von Eigelegen im Feld und die Auswahl der nächstgelegenen Wetterstation.

Aufgrund der geringeren Lichtstabilität biologischer Pflanzenschutzmittel liegt der optimale Anwendungstermin in den Abendstunden. In der Regel reduziert sich dann auch die Windgeschwindigkeit und die Gefahr der Abdrift. Da die Käfer aus Richtung der Vorjahresschläge in die Kartoffelfelder einfliegen und die zugewandte Feldseite stärker besiedeln, lohnt sich auch zu prüfen, ob nur eine Teilflächenbehandlung vorzunehmen ist, um Kosten zu sparen.

    Als Methode zur Bestimmung der Eigelege und Kartoffelkäferlarven auf dem Feld eignet sich die Linienbonitur:

    • An 5 Punkten einer Linie vom Feldrand Richtung Feldmitte, im Abstand von jeweils 20 Schritten, werden jeweils 5 Kartoffelpflanzen hintereinander bonitiert.
    • Der erste Boniturpunkt liegt 20 Schritte vom Feldrand entfernt.
    • Die Kartoffelblätter werden dabei angehoben und vorsichtig gedreht, so dass man auf der Blattunterseite die orangefarbenen Eigelege erkennen kann.
    • Findet man schon frisch geschlüpfte Junglarven (L1), sollte man für das Prognosemodell den Termin für das Erstauftreten der Eigelege um 6 Tage vordatieren.

    Entwicklungsstadien der Kartoffelkäferlarve

    Neue Methoden zur Kartoffelkäferregulierung sind in der Erprobung

    Fazit: Alterantive Bekämpfungsmethoden gegen Kartoffelkäfer

    Die Anwendung biologischer Pflanzenschutzmittel und alternativer Regulierungsstrategien wird zukünftig nicht nur für den Öko-Landbau zum Mittel der Wahl, denn weitere Restriktionen bei der Anwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel sind zu erwarten. Die Wirksamkeit biologischer Pflanzenschutzmittel ist ausreichend, um den Schädling unter der ökonomischen Schadensschwelle zu halten.

    Der Neemwirkstoff (Azadirachtin) sowie das Bakterium B.t.t. schonen außerdem die Nützlinge und die Biodiversität der Insekten allgemein, da sie als Fraßgift nur selektiv die Larven des Kartoffelkäfers abtöten. Allerdings sind die Mittelkosten für Neem vergleichsweise sehr hoch.

    SpinTor (Spinosad) ist kostengünstig, besitzt eine hohe Wirksamkeit, ist aber als Bienengiftig (B1) eingestuft. Es darf nicht auf blühende oder von Bienen beflogene Pflanzen ausgebracht werden. Das gilt auch für blühende Beikräuter und für Kartoffeln mit Honigtau, die deshalb gelegentlich von Honigbienen aufgesucht werden. Hier zeigt sich, dass auch biologische Pflanzenschutzmittel ein unterschiedliches Umweltrisiko besitzen und dies bei der Auswahl der Mittel mitberücksichtigt werden sollte.

    Mechanische Absammelgeräte können zukünftig die Anwendung von Pflanzenschutzmittel ersetzen und Attract and Kill-Strategien zur Reduzierung beitragen. Neue Kartoffelzüchtungen mit Abwehrstoffen gegen Schadinsekten werden in Zukunft ein weiterer Baustein im Kampf gegen den Kartoffelkäfer sein.

    Ansprechpartner:

    Prof. Dr. habil. Stefan Kühne

    Julius Kühn-Institut
    Institut für Strategien und Folgenabschätzung
    Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow
    E-Mail: stefan.kuehne@julius-kuehn.de



    Letzte Aktualisierung 28.03.2024

    Nach oben
    Nach oben