Biodiversitätsverlust in Agrarlandschaften

Biodiversitätsverlust in Agrarlandschaften: Der Zustand ist kritisch

Tag für Tag verschwinden wertvolle Wildpflanzen und Wildtiere samt ihrer Lebensräume – und das in alarmierendem Tempo. Doch nicht nur wildlebende Arten sind vom Biodiversitätsverlust in Agrarlandschaften betroffen, auch die Vielfalt an Kulturpflanzen und Nutztierrassen nimmt immer weiter ab.

Wie dramatisch die Situation in Deutschland ist, zeigt der 2024 veröffentlichte "Faktencheck Artenvielfalt". Für die Studie werteten 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von rund 75 Institutionen über 6.000 Publikationen aus. Das Ergebnis ist besorgniserregend: Mehr als 60 Prozent der 93 Lebensraumtypen in Deutschland befinden sich in einem schlechten oder unzureichenden Erhaltungszustand. Besonders betroffen sind Grünland, ehemals artenreiche Äcker, Moore, Moorwälder sowie Sümpfe und Quellen. Fast ein Drittel aller untersuchten Arten in Deutschland sind stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht, etwa 3 Prozent gelten bereits als ausgestorben.

Biodiversitätsverlust in der Agrarlandschaft – alarmierende Zahlen

Da landwirtschaftliche Flächen mehr als die Hälfte der deutschen Landfläche ausmachen, ist ihr Einfluss auf die Artenvielfalt enorm. Besonders deutlich zeigt sich der Rückgang in folgenden Bereichen:

Wildpflanzen

  • Seit 1950 ist die Häufigkeit typischer Grünlandpflanzen um bis zu 90 Prozent gesunken.
  • Auf Ackerflächen sind sogar mehr als 95 Prozent der Pflanzenarten verloren gegangen.
  • Rund ein Drittel der noch existierenden 350 Wildpflanzenarten auf Äckern sind mittlerweile gefährdet.

Vögel

  • Zwischen 2006 und 2018 sind die Bestände an Vogelarten in Agrarlandschaften um fast 30 Prozent zurückgegangen.
  • Selbst ehemals häufige Vogelarten sind inzwischen auf der Liste der gefährdeten Arten. In den vergangenen 25 Jahren hat zum Beispiel die Anzahl der Kiebitze um 93 Prozent, die der Rebhühner um 91 Prozent und die der Feldlerchen um 50 Prozent abgenommen.

Insekten

  • Die Insektenbiomasse ist in den letzten Jahrzehnten um 76 Prozent gesunken.
  • Von 585 Wildbienenarten sind mehr als die Hälfte gefährdet.
  • Bei Schwebfliegen sind es 32 Prozent, bei Tagfaltern 27 Prozent.

Intensive Landwirtschaft hat großen Anteil am Verlust der Biodiversität

Früher spielte die Landwirtschaft eine Schlüsselrolle für die Erhaltung der Artenvielfalt und Biotopvielfalt in der Kulturlandschaft. Doch mit der zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft – vor allem seit dem zweiten Weltkrieg – ist sie zu einem Haupttreiber des Biodiversitätsverlustes geworden.

Mit fortschreitender Technisierung wurden landwirtschaftliche Flächen immer größer sowie Fruchtfolgen stark vereinheitlicht und verengt. Hinzu kam eine immer effektivere Erntetechnik und Saatgutreinigung. Brachen beziehungsweise Flächenstilllegungen, Dauergrünland und extensiv bewirtschaftete Lebensräume wurden über die Jahrzehnte immer seltener und auch Landschaftselemente wie Feldhecken und Raine sind zunehmend beseitigt worden.

Zusätzlich verschärft der massive Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln im konventionellen Anbau die Problematik. Diese Stoffe gelangen in natürliche Ökosysteme und verdrängen dort die ursprüngliche, an den Standort angepasste Vegetation.

Wie lässt sich der Biodiversitätsverlust stoppen?

Erfahrungen zeigen, dass sich die biologische Vielfalt erholen kann, wenn schädliche Einflüsse begrenzt und Lebensräume nachhaltig verbessert werden.

Trotz jahrelanger Bemühungen der Europäischen Union ist es bislang jedoch nicht gelungen, die Biodiversitätsverluste zu stoppen. Erst kürzlich warnte die Europäische Umweltagentur (EEA), dass die EU-Staaten weiterhin nicht auf dem richtigen Weg seien, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu bremsen.

Ein massiver Rückschlag ist zudem, dass verpflichtende Bereitstellung von nicht-produktiven Landschaftselementen und Flächen zur Verbesserung der Biodiversität, wie sie im Rahmen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik 2023 bis 2027 vorgesehen war, bis zum Ende der Förderperiode ausgesetzt ist.

Doch es gibt Lösungen: Der "Faktencheck Artenvielfalt" zeigt, dass nachhaltige Landnutzungssysteme wie der ökologische Landbau eine entscheidende Rolle spielen können.

Ökolandbau: Ein Schlüssel zur Rettung der Artenvielfalt

Wie zahlreiche Studien der vergangenen Jahre belegen, schneidet die biologische Landwirtschaft in puncto Naturverträglichkeit und Biodiversität deutlich besser ab als die konventionelle Landwirtschaft. Nicht zuletzt aus diesem Grund soll der Anteil des Ökolandbaus in Deutschland und auf EU-Ebene auch deutlich angehoben werden. Auf EU-Ebene soll der Anteil der Öko-Flächen bis 2030 auf 25 Prozent steigen. Bislang liegt der Anteil in der EU bei 10,5 Prozent und hierzulande bei knapp 12 Prozent. Um die Biodiversität nachhaltig zu schützen, sind deshalb deutlich mehr Anstrengungen nötig.

Autor: Jörg Planer


Letzte Aktualisierung 21.05.2025

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