Herausforderungen der Bio-Getreideernte

Herausforderungen der Bio-Getreideernte

Der Anbau von Bio-Getreide erfordert viel Wissen und Erfahrung. Das gilt auch für die Ernte: Beikräuter auf dem Feld können Mensch und Maschine belasten. Ferdinand von Lochow und Hubert Göhring, zwei versierte Öko-Landwirte, berichten aus der Praxis.

"Entscheidend für eine erfolgreiche Ernte ist der richtige Zeitpunkt. Die Körner von Weizen und Co. müssten am Erntetag unbedingt reif und trocken sein," erläutert Ferdinand von Lochow. Der Agraringenieur baut auf seinem Landgut Petkus mehrere hundert Hektar Getreide nach den Richtlinien von Bioland an. Außerdem dürften die im Öko-Landbau üblichen Untersaaten wie Kleegras, die als zweite Frucht auf dem Getreideacker stehen, nicht zu hoch sein. Ansonsten störten sie die Ernte der Hauptfrucht.

Manchmal zweimal ernten

Manchmal reifen die Bestände auf einem Feld unterschiedlich ab. Während an trockenen Bodenstellen das Getreide schon reif ist, ist es in feuchten Senken noch grün oder hat frische Seitentriebe ausgebildet. "Dann machen wir einen Zwei-Phasen-Drusch, in der ersten Phase ernten wir alles ab, was reif ist. Die grünen Ähren kommen zwei bis drei Wochen später dran", erläutert Ackerbauer von Lochow. Das sei jedoch glücklicherweise die Ausnahme.

Besonders in nassen Jahren kann das Getreide vor der Ernte stellenweise auch umkippen – ins Lager gehen, wie es in der Fachsprache heißt. Daher spritzen einige konventionelle Landwirtinnen und Landwirte ihr Getreide vorbeugend mit Wachstumsreglern wie Cycocel (CCC). Die halten die Halme kurz und stabil. Solche künstlichen Wachstumshemmer sind im Öko-Landbau jedoch verboten.

Biodiversität fordert Mensch und Maschine

Da Bio-Bäuerinnen und -Bauern keine Herbizide gegen Unkraut einsetzen, wachsen auf einem Bio-Acker natürlich mehr Beikräuter als auf einem konventionellen. Gut für die Natur, aber mühsam für Maschinen: "Mähdrescher sind für die Ernte von trockenem, reifem Getreide konstruiert. Enthält das Erntegut zusätzlich viele Beikräuter und ist deswegen feucht und schwer, verschleißen sie schneller", erklärt Bioland-Ackerbauer Hubert Göhring aus Oberschwaben.

Gelegentlich kann ein Distelnest im Feld sogar die Ernte stoppen. "Langstielige Disteln können sich um die Dreschtrommel wickeln und sie zum Stillstand bringen. Bevor es weitergeht, muss ich das stachelige Distelstroh-Getreidegemisch mit der Hand herausziehen. Das ist sehr mühsam und schmerzhaft", weiß Göhring aus leidvoller Erfahrung.

Außerdem sei der Erntezeitraum im Öko-Landbau etwas kürzer. Durch die Vielfalt auf seinem Bio-Acker herrsche hier eine höhere Luftfeuchte als auf den konventionellen Nachbarfeldern. Ernten lässt sich aber nur bei trockenem Wetter. "Während ich abends aufhören muss zu dreschen, können meine konventionellen Kollegen noch bis nachts unterwegs sein", so Göhring. Ein Vorteil, wenn am nächsten Tag Regen droht.

Mehr reinigen und länger trocknen

Beim Mähdrusch gelangen viele Beikrautsamen mit ins Erntegut. Daher müssen die Bio-Getreidekörner aufwändig gereinigt werden: sprich von Unkrautsamen befreit werden. "Wir reinigen unser Getreide direkt nach der Ernte in einer mobilen Reinigungsanlage. Zunächst bläst ein Gebläse das Erntegut durch zwei Siebe. Im Untersieb fällt alles raus, war kleiner ist als die Getreidekörner; das Obersieb fängt alles auf, was größer ist. Anschließend wird das Getreide noch mit Luft durchgepustet, sodass leichte Bestandteile wie zum Beispiel Spelzen herausfliegen", berichtet von Lochow. Zwischen drei und fünf Prozent der Erntemenge fliegen durchschnittlich raus.

Der Reinigungsaufwand sei im ökologischen Anbau durchschnittlich höher als im konventionellen. Die Anforderungen der Getreidemühlen an die Qualität sind jedoch gleich hoch: Bio-Getreide darf nicht mehr Fremdstoffe haben oder feuchter sein als konventionelles Getreide. Daher muss Bio-Getreide häufig getrocknet werden, bevor es ins Lager kommt.

Mischkulturen müssen zusammenpassen

Auch die im Öko-Landbau üblichen Mischkulturen erhöhen den Aufwand. Ein bewährtes Duo auf dem Bio-Feld sind beispielsweise Hafer und Erbsen. Hier gibt die Stützfrucht Hafer den rankenden Erbsen Halt, um hochzuwachsen. Nur wenn beide gleichzeitig reif sind, läuft die Ernte reibungslos.

Hinzu kommt, dass Öko-Betriebe eine größere Vielfalt an Kulturen haben. Dazu gehören Hirse und Dinkel. Jede Frucht hat ihre besonderen Herausforderungen. Beispielsweise muss der Mähdrescher beim Dinkel nicht nur die einzelnen Körner auffangen, sondern auch die Vesen. Das sind von einer Spelzhülle umschlossene Ährenkörper, in denen mehrere Körner stecken.

Jede Kultur hat ihre Ansprüche: bis zur Ernte

Für jede Kultur muss der Mähdrescher umgestellt werden. Das geht für Standardgetreide wie Weizen, Gerste und Roggen automatisch. Für andere Arten müssen die Höhe des Schneidwerks, die Geschwindigkeit der Haspel (die das Getreide einzieht) und vieles mehr jedoch mühsam von Hand eingestellt werden. "Das erfordert viel Erfahrung", sagt von Lochow.

Trotz aller Mühen sind die beiden Öko-Bauern Überzeugungstäter: "Ich kann und will gar nicht anders als ökologisch zu wirtschaften. Ich wünsche mir nur, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher unsere Arbeit auch wertschätzen", so Göhring.


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Letzte Aktualisierung 18.07.2023

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