Leuchttürme für Bio: Wie inhabergeführte Läden den Bio-Markt stärken

Leuchttürme für Bio: Wie inhabergeführte Läden den Bio-Markt stärken

Anders als Filialbetriebe können selbstständige Ladnerinnen und Ladner mit besonderen Sortimenten, regionalem Warenbezug und Kooperationen sowie individuellen Konzepten ihre Stärken im Verkauf von Bio-Lebensmitteln ausspielen. Als Leuchttürme für Bio haben sie dabei eine besondere Strahlkraft für die ganze Branche, wie Gottfried Willmann, Bereichsleiter Markt bei Demeter, im Interview erläutert.

Bio ist im Mainstream angekommen. Als Nischenprodukte sind Bio-Lebensmittel und -getränke längst nicht mehr zu sehen, sie haben den Sprung in die Mitte der Gesellschaft vollzogen. Anders als zu Pionierzeiten, als sich der Verkauf von Bio-Lebensmitteln vor allem auf Bio-Läden und Reformhäuser beschränkte, haben Supermärkte, Discounter und Drogerien ihr Bio-Sortiment in den vergangenen Jahren ausgebaut und Bio-Lebensmitteln zunehmend mehr Regalfläche eingeräumt. So ist der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken, mit kurzer Unterbrechung im Jahr 2022, stetig gestiegen. Wer Bio-Lebensmittel kaufen möchte, hat mittlerweile vielfältige Möglichkeiten dazu. Selbstständige Ladnerinnen und Ladner müssen sich klar profilieren und mit individuellen Konzepten punkten, um aus der Masse hervorzustechen.

Als Filialbetrieb werden laut Duden Wirtschaftslexikon Unternehmen mit mehreren räumlich voneinander getrennten Zweigbetrieben (Filialen) bezeichnet. Kennzeichnend sind eine zentrale Unternehmenspolitik, zum Beispiel eine gemeinsame Preispolitik, Werbung und Ladengestaltung, ein zentrales Warenlager sowie eine einheitliche Beschaffung, Abrechnung und Kontrolle. Preisvorteile bestehen unter anderem im Warenbezug von größeren Mengen als bei selbstständigen Betrieben. Als nachteilig kann die Unterordnung unter die Entscheidung des zentralen Managements angesehen werden. Im Gegensatz dazu sind selbstständige Kaufleute bei allen unternehmerischen Entscheidungen – von Finanzierung über Produktentwicklung bis zum Marketing – auf sich allein gestellt, können dafür aber ihr eigenes Geschäftsmodell oder ihre eigene Marke aufbauen.

Interview mit Gottfried Willmann: "Die Begeisterung für das große Ganze muss spürbar sein"

Mit der Frage, wie inhabergeführte Bio-Läden erfolgreich sein können, hat sich Gottfried Willmann, Bereichsleiter Markt bei Dementer e.V., unter anderem auf den VII. Öko-Marketingtagen im November 2024 beschäftigt. Nun steht er der Redaktion Ökolandbau.de im Interview Rede und Antwort.

Oekolandbau.de: Welche Chancen bieten sich aus Ihrer Sicht Läden, die von Inhaberinnen und Inhabern geführt werden, um als Leuchttürme für Bio zu glänzen?

Gottfried Willmann: Inhabergeführte Läden bieten enormes Potenzial. Sie können die ursprünglichen Erzeugnisse der Landwirtschaft direkt vermarkten und so auch die zentralen Sortimente überregionaler Handelsstrukturen perfekt ergänzen. Damit verleihen sie ihrem Markt ein unverwechselbares Profil und schaffen Identität – ihr eigenes Gesicht sozusagen, das für Werte und ihre Haltung steht und ebenso für ein ganz individuelles Einkaufserlebnis.

Ein entscheidender Vorteil inhabergeführter Läden liegt in ihrer Flexibilität und Individualität. Sie sind nicht auf zentrale Listungen beschränkt, sondern können gezielt Erzeugerinnen und Erzeuger aus ihrer Region und mit der passenden Philosophie einbinden.

Dies geschieht nicht nur über den direkten Warenbezug, sondern auch durch transparente Ladengestaltung, Verkostungen und natürlich gute Kommunikation. So heben sie sich gezielt vom Standard ab. Gleichzeitig profitieren Erzeugende und Verarbeitende von verlässlichen Absatzpartnerinnen und -partnern, die ideal zu ihnen passen. Diese Zusammenarbeit lässt sich lokal und regional kommunizieren. Besonders inhabergeführte Läden haben hier einen Vorteil: Sie können ihre Kundschaft direkt vor Ort mit gezielten Maßnahmen erreichen – sei es durch Berichterstattung in der lokalen Presse, aufmerksamkeitsstarke Plakate oder ansprechende Social-Media-Posts. Die räumliche Nähe ist dabei zentral!

Oekolandbau.de: Stichpunkt Nähe Welche Rolle spielen regional erzeugte Bio-Lebensmittel für die Ladnerinnen und Ladner dabei? 

Gottfried Willmann: Eine sehr, sehr große, wenn nicht sogar die größte. Durch Bio-Produkte aus der direkten Umgebung können sich Ladnerinnen und Ladner als vertrauenswürdiger Anbieter profilieren. Und damit die Kundenbindung stärken! So schaffen eine authentische, transparente Herkunftskennzeichnung – von Hof XY aus dem Nachbardorf – und Storytelling über Produzierende eine hohe Glaubwürdigkeit und einen starken Wiedererkennungswert und heben den Laden von anderen Märkten ab. Durch konsequente Nachhaltigkeit als Markenkern wird der Markt als umweltbewusste Einkaufsquelle wahrgenommen. Kurze Transportwege, Mehrwegsysteme und die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung sprechen nachhaltig denkende Kundinnen und Kunden an.

Die enge Zusammenarbeit mit Bio-Erzeugerinnen und -Erzeugern sorgt für Exklusivität; Hofführungen und Verkostungen stärken die Verbindung zwischen Kundschaft und Produzierenden.

Generell ist es wichtig, regionale Erzeugerinnen und Erzeuger und Verarbeitende aktiv in Verkostungen oder andere Aktionen einzubinden. So lässt sich der Absatz gezielt steuern – ein Bereich, in dem inhabergeführte Läden aufgrund ihrer Flexibilität klare Vorteile gegenüber zentral gesteuerten Handelsstrukturen haben.

Oekolandbau.de: Welche Maßnahmen beziehungsweise Instrumente zur Bindung der Kundschaft sind aus Ihrer Sicht für Ladeninhabende sinnvoll?  Wie kann insbesondere die Kundschaft der Zukunft, sprich die junge Generation, für Bio begeistert werden?

Gottfried Willmann: Unabhängig vom Kanal gilt: Erfolgreiche Kommunikation ist der Schlüssel! Selbst die beste Aktion bleibt wirkungslos, wenn sie nicht zeitgemäß begleitet wird. Zwar verfügen selbstständige Kaufleute über geringere Budgets als Filialisten, doch sie haben einen entscheidenden Vorteil: individuelle Ansprache. Für gelungene Kommunikation auf Instagram und TikTok braucht es keine großen Mittel, sondern kreative Ideen und Authentizität – und genau hier brillieren Ladeninhabende. Sie kennen die regionalen und gesellschaftlichen Bedürfnisse vor Ort genau. Ob sie ihre Azubis auf Social Media zu Wort kommen lassen oder die junge Zielgruppe virtuell mit auf die Höfe nehmen, von denen ihre Produkte stammen – die Begeisterung für die besondere Qualität der Lebensmittel und das große Ganze muss spürbar sein.

Gottfried Willmann im Interview mit Birgit Rogge, AMI


Letzte Aktualisierung 12.03.2025

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