Mit Slow Food Farmen nachhaltig die Welt ernähren

Mit Slow Food Farmen nachhaltig die Welt ernähren

Slow Food ist eine Gegenbewegung zu Fast Food. Es geht darum, hochwertige Lebensmittel nachhaltig zu produzieren und bewusst zu genießen. Diese Ideale haben bisher allein handwerklich orientierte Lebensmittelverarbeiter und Restaurants umgesetzt. Seit Kurzem gibt es aber auch ein weltweites Netzwerk an Slow Food Farmen. Was steckt hinter dieser Bewegung?

Was ist Slow Food?

Gutes, sauberes und faires Essen für alle lautet das Ziel von Slow Food. Im Klartext: Statt industrielle Fertigpizza oder Hähnchennuggets zu verzehren, sollen wir nachhaltig und handwerklich hergestellte Lebensmittel aus der Region genießen.

Der italienische Soziologe Carlo Petrini hat 1986 Slow Food aus Protest gegen Fast Food ins Leben gerufen. Als erste Zweigstelle außerhalb Italiens hat sich 1992 Slow Food Deutschland gegründet. Mittlerweile treibt ein globales Netzwerk mit Millionen von Menschen aus mehr als 160 Ländern die Ernährungswende im öffentlichen und privaten Bereich voran. Daran beteiligen sich Menschen aus Restaurants, Fischerei, Landwirtschaft, Lebensmittelhandwerk sowie Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Philosophie von Slow Food setzen verschiedene Gruppen um:

  • Slow Food Communities schützen lokale Lebensmittel und Spezialitäten.
  • Die Mitglieder von Convivien organisieren Verkostungen und Seminare, ermutigen Köchinnen und Köche zur Verwendung lokaler Lebensmittel und fördern die Geschmacksbildung in Schulen.
  • Thematische Netzwerke wie die Slow Food Coffee Coalition bringen Erzeugerinnen und Erzeuger, Verarbeiterinnen und Verarbeiter sowie Konsumierende aus aller Welt zusammen.
  • Slow Food Farms bilden ein weltweites Netzwerk von nachhaltig arbeitenden Bauernhöfen.

Slow Food Farms und Ökolandbau – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Was sind Slow Food Farms?

Eine Slow Food Farm ist ein Grundstück, das zu landwirtschaftlichen Zwecken agrarökologisch bewirtschaftet wird und dem Anbau von Nahrungspflanzen und/oder der Aufzucht von Tieren für den menschlichen Verzehr dient. Soweit die Definition. Folgendes kennzeichnet eine Slow Food Farm:

  • reich an biologischer Vielfalt,
  • basiert auf traditionellem Saatgut und einheimischen Rassen,
  • pflegt gesunde Böden,
  • bewirtschaftet Ressourcen nachhaltig,
  • respektiert die Tiere und setzt auf Kreislaufwirtschaft,
  • ist wirtschaftlich diversifiziert,
  • entlohnt ihre Mitarbeitenden fair,
  • beteiligt sich aktiv an der globalen Slow Food-Bewegung

Slow Food Farmen arbeiten nach den Prinzipien der Agrarökologie. Die basiert auf dem ökologischen Landbau, hat aber einen stärkeren gesellschaftlichen Anspruch: Slow Food Farmen sollen gemeinsam mit anderen lokalen Akteuren eine faire lokale Lebensmittelversorgung vor Ort aufbauen.

Unterschiede zwischen Slow Food Farmen und dem Ökolandbau

Der Ökolandbau ist ein rechtlich geschütztes Produktionssystem mit klaren Kennzeichen wie dem EU-Bio-Logo. Bio-Betriebe müssen streng definierte Richtlinien einhalten und werden jährlich kontrolliert. Alle Bio-Landwirtinnen und -Landwirte verzichten auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralische Dünger und halten ihre Tiere möglichst artgerecht. Nur wer alle Richtlinien vollständig erfüllt, darf seinen Betrieb und seine Lebensmittel als Bio bezeichnen.

Viele Slow Farmen befinden sich dagegen im Prozess. Es geht nicht darum, sofort die perfekte Farm zu sein, sondern sich auf den Weg zu einer ökologisch und sozial arbeitenden Farm zu machen. Die Transformation ist das Ziel. Aber natürlich gibt es rote Linien. Dazu gehören beispielsweise der Einsatz von Pestiziden und die Ausbeutung von Arbeitskräften.

Motivieren und verifizieren statt zertifizieren

Versierte Slow Food Aktivistinnen und  Aktivisten, sogenannte Slow Food Accelerators, identifizieren interessierte landwirtschaftliche Betriebe und unterstützen sie dabei, agrarökologische Methoden anzuwenden. Wer dem Slow Food-Netzwerk beitreten will, muss eine Mindestschwelle an agrarökologischen Praktiken erreichen. Das zu überprüfen ist ebenfalls eine Aufgabe der Accelerators. Verifizierte Farmen können dann die Schnecke – das Slow Food Label – nutzen.

Die Tatsache, dass die Agrarökologie keine Zertifizierung erfordert, macht sie für kleine landwirtschaftliche Betriebe im Globalen Süden attraktiv. Für viele Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ist die Bio-Zertifizierung zu langwierig, bürokratisch und teuer.

Die Slow Food Farmen interagieren mit lokalen Slow Food Gruppen, indem sie beispielsweise an Gemeindeveranstaltungen teilnehmen, Wissen und Praktiken austauschen und sich lokalen Lebensmittelinitiativen anschließen.

Wo gibt es Slow Food Farmen?

In aller Welt, sogar in Ländern, wo es noch keine ökologische Infrastruktur gibt, wie zum Beispiel in Burundi. Aber auch in Deutschland existieren bereits Slow Food Farmen. Eine der ersten ist das Kartoffelkombinat in München.

Wir wurden angefragt, ob wir als größte Solidarische Landwirtschaft in Deutschland nicht mitmachen wollten,

berichtet Daniel Überall, Mitgründer vom Kartoffelkombinat.

Um anerkannt zu werden, mussten wir viele Fragen beantworten. Zum Beispiel, wie wir düngen oder wie wir unsere Gewächshäuser beheizen.

Weltweites Netzwerk von nachhaltigen Farmen

Reizvoll sei es, Teil eines globalen Netzwerkes, einer globalen "Wissensallmende" zu sein. Dabei gilt es, voneinander zu lernen.

In Zeiten der Klimakrise können wir von Landwirtschaft in Ländern lernen, wo Trockenheit und Starkregen schon lange zuhause sind,

so Vorstandsmitglied Daniel Überall. Umgekehrt könnte ein angepasstes Modell der Solidarischen Landwirtschaft auch in Afrika oder Asien eine Dorfgemeinschaft versorgen. Ein Team aus Sierra Leone hat schon beim Kartoffelkombinat um einen Besuch gebeten.

"Slow Food Farms sind die Antwort auf die Klima- und Umweltkrise"

Gemeinwohl statt Monopol und lokal statt global: Edward Mukiibi wirbt weltweit für Slow Food Farmen und Netzwerke. Im Interview erklärt er, warum dezentrale, nachhaltige Ernährungssysteme die bessere Wahl sind.

Oekolandbau.de: Wie kamen Sie zu Slow Food?

Edward Mukiibi: Als Landwirtschaftsstudent in Kampala habe ich als Freiwilliger bei den Bäuerinnen und Bauern eine neue hybride Maissorte beworben, die angeblich dürreresistent sein sollte. Damals war ich überzeugt, dass ertragreiche Sorten und eine intensive Landwirtschaft der richtige Weg sind, um mehr Lebensmittel zu produzieren. Doch als die Dürre gegen Ende des Jahres kam, waren die Ernten schlecht und die Bäuerinnen und Bauern enttäuscht. Der Mais hat sein Versprechen nicht gehalten. So reifte in mir die Idee, dass wir zur traditionellen Landwirtschaft mit lokalem Wissen und Betriebsmitteln zurückkehren müssen. Bei der Suche nach Wissen bin ich auf Slow Food gestoßen.

Oekolandbau.de: Warum engagieren Sie sich so stark bei Slow Food?

Edward Mukiibi: Ich habe über zwanzig Jahre lang mit Bäuerinnen und Bauern in Uganda und Ostafrika zusammengearbeitet. Viele geben ihr Bestes, um gute und gesunde Lebensmittel zu produzieren. Aber sie sind in einem korrupten System gefangen, das diejenigen begünstigt, die chemische Betriebsmittel, wie Dünger und Pflanzenschutzmittel bereitstellen.

Wir helfen ihnen, aus dieser Blase zu entkommen. Die Bäuerinnen und Bauern brauchen ein Netzwerk, wo sie ihre Motivation, ihre Gefühle, ihr Wissen und ihre Erfahrungen teilen können. Sie können sich gegenseitig dabei unterstützen, mehr gesunde, saubere und faire Lebensmittel zu produzieren. Sie in einem Netzwerk zu vereinigen, ist der beste Weg, um sie aus der Falle wachsender Input lastigerexportorientierter Monokulturen zu befreien.

Oekolandbau.de: Arbeiten Sie selbst als Slow Food Farmer anders als bisher?

Edward Mukiibi: Nein, wir machen nichts wesentlich anders als die traditionelle kleinbäuerliche Landwirtschaft. Wir haben nur unsere Aktivitäten rationalisiert und arbeiten ganzheitlicher mit Blick auf die gesamte Lebensmittelproduktion. Wir haben die Produktivität erhöht, indem wir auf allen Parzellen die biologische Vielfalt verbessern. Die Stärkung der Artenvielfalt – sowohl über als auch unter der Erde – ist ein Schlüsselfaktor für widerstandsfähige tropische Landwirtschaftssysteme angesichts eines sich schnell verändernden Klimas.

Daher sammeln und vermehren wir auch viel lokales Saatgut. Aktuell vermehren wir beispielsweise 20 verschiedene Bananen- und Kochbananensorten, 15 verschiedene lokale Bohnensorten und drei Erdnusssorten. Wir tauschen das Saatgut mit anderen Bäuerinnen und Bauern in den Slow Food Communities und Saatgutbanken aus.

Zum Düngen verwenden wir fermentierten Kompost aus tierischen Abfällen und Grüngut aus Unkraut und Kaffeeschalen. Den Mist dafür liefern unsere zwanzig Ziegen und ein paar Kaninchen. Der Ziegenurin hilft uns auch bei der Schädlingsbekämpfung und ist eine wertvolle Stickstoffquelle für die Bananen und Kochbananen.

Oekolandbau.de: Können Slow Food Farmer ihre Ware besser verkaufen?

Edward Mukiibi: Wir verkaufen unsere Waren auf unterschiedlichen Wegen. Bananen und Bohnen sind unsere Nahrungspflanzen. Die meisten Kochbananen sind für den Familienverbrauch reserviert. Die anderen gehen an ein Restaurant oder Cateringgruppen. Dessertbananen verkaufen wir auf dem lokalen Markt. Kaffee und Vanille erwirtschaften Einkommen. Wir verkaufen sie an Händler.Aber der bessere Verkauf war nicht das Motiv, Slow Food Farmen ins Leben zu rufen.

Oekolandbau.de: Was war es dann?

Edward Mukiibi: Slow Food Farms sind die Antwort auf die Klima- und Umweltkrise. Die Agrarökologie gestaltet Nahrungsmittelsysteme im Einklang mit der Kultur, Identität, den Traditionen sowie der sozialen Gerechtigkeit lokaler Gemeinschaften. Dies führt zu einer gesunden, abwechslungsreichen und saisonal angepassten Ernährung und einer Wirtschaft, die auf Solidarität und Zusammenarbeit basiert.

Alle in der Lebensmittelbranche tätigen Menschen – von der Landwirtschaft über die Fischerei bis hin zum indigenen Naturschutz – werden als wichtige Expertinnen und Experten sowie Entscheidungsträgerinnen und Enstscheidungsträger geschätzt.

Oekolandbau.de: Und das funktioniert auch wirtschaftlich?

Edward Mukiibi: Wir haben erlebt, dass agroökologische Marktkanäle in vielfältiger Form florieren – von Bauernmärkten bis hin zum Online-Verkauf –, da Erzeugerorganisationen diese gerechten, widerstandsfähigen Lebensmittelversorgungsketten strategisch ausbauen. Dadurch knüpfen sie stärkere soziale Bindungen, fördern lokal verwurzelte Identitäten und entwickeln innovative Lösungen zur Ernährung ihrer Gemeinden. Diese dezentralen, gemeinschaftsorientierten Lebensmittelökonomien stärken entscheidend die Widerstandsfähigkeit und Selbstbestimmung lokaler Lebensmittelsysteme.


Letzte Aktualisierung 04.11.2025

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