Mitmach-Supermärkte für mehr Bio im Einkaufskorb

Mitmach-Supermärkte für mehr Bio im Einkaufskorb

Der Lebensmitteleinkauf ist ein bestimmender Teil unseres Alltags. Doch auch wenn wir viel Zeit zwischen Supermarktregalen verbringen, ist unser Einfluss auf Produkte und Preise verschwindend gering. Was aber, wenn sich das ändern ließe? Wenn man nicht mehr nur Konsumentin oder Konsument ist, sondern man aktiv über die Auswahl der Produkte und die Preisgestaltung der Lebensmittel mitbestimmen kann?

Ein Konzept, das sich diesen Zielen verschrieben hat, ist das der Lebensmittelkooperationen (im Englischen "Foodcoops"). Hierbei schließen sich Privathaushalte zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammen, um gemeinsam Lebensmittel zu beziehen. Eine beliebte Gesellschaftsform ist dabei die Genossenschaft. Die Mitglieder erwerben Anteile und werden dadurch zu Miteigentümerinnen und Miteigentümern. Ein berühmtes Beispiel einer solchen genossenschaftlich organisierten Lebensmittelkooperation ist die Park Slope Food Coop in New York, die bereits in den 1970er-Jahren gegründet wurde.

Generell unterscheidet man zwischen drei Arten von Lebensmittelkooperationen:

  • Bestellkooperationen
  • Lagerkooperationen
  • Mitgliederläden

In sogenannten Mitgliederläden unterhalten die Mitglieder der Genossenschaft gemeinschaftlich einen Laden, in dem ausschließlich sie selbst Lebensmittel erwerben können. Geführt wird der Laden entweder durch angestelltes Personal oder durch die Mitarbeit der Mitglieder selbst.

Auch in Deutschland sind Mitgliederläden, Bestell- sowie Lagerkooperationen inzwischen verbreitet. Zu den bekanntesten Genossenschaften mit Mitgliederläden gehören SuperCoop in Berlin und FoodHub in München. Auch die Kölner Genossenschaft Köllektiv ist aktuell dabei, einen Mitmach-Supermarkt zu eröffnen.

Eine Liste existierender Foodcoops in Deutschland ist auf der Webseite der Bundesarbeitsgemeinschaft der Foodcoops zu finden.

Selbst ist die Kundschaft

Ihnen allen gemeinsam ist eine faire und transparente Preisgestaltung, von der nicht nur die Erzeugerbetriebe, sondern auch die Mitglieder profitieren. FoodHub und Köllektiv wollen dabei ihr Sortiment möglichst ökologisch, regional und fair aufstellen, damit auch der kleine Geldbeutel nicht überstrapaziert wird. "Wir möchten zeigen, dass Wirtschaften anders funktionieren kann. Und zwar ohne, dass irgendein Glied in der Kette benachteiligt wird oder nur ein kleiner Teil extrem profitiert. Lebensmittelkooperationen sind ein Hebel dafür, sich ökologischer und fairer zu ernähren", erklärt Elisa Flasche von Köllektiv in Köln.

Einen ähnlichen Gedanken hatten 2019 auch die Gründerinnen und Gründer von FoodHub in München. Anstoß war das Volksbegehren "Rettet die Bienen", das in dem Vorhaben 30 Prozent Bio in Bayern bis 2030 mündete. "Es ist gut zu sagen: Wir brauchen 30 Prozent Bio bis 2030. Aber noch besser ist es, wenn Bio dann auch gekauft wird. Wir wollen mit unserer Kooperative dazu beitragen, dass mehr Bio im Einkaufskorb landet und das zu fairen Preisen", fasst Quentin Orain die Grundidee der Kooperative Food Hub zusammen.

Nach den ersten Infoveranstaltungen 2019, gründeten Quentin Orain, Karl Schweisfurth und Kristin Mansmann 2021 die Genossenschaft und gerade einmal sechs Monate später eröffnete Food Hub den Mitmachsupermarkt im Münchner Süden. In der bayerischen Kooperative hat man sich für das Konzept der Mitarbeit entschieden. Jedes Mitglied muss drei Stunden pro Monat im Laden mitarbeiten – entweder in einem fest eingeteilten Team oder als Springer. Versäumte Mitarbeit muss grundsätzlich nachgeholt werden. Unterstützt werden die Mitglieder durch fünf Festangestellte, die die Geschicke rund um den Laden und die Genossenschaft lenken. Es besteht auch die Möglichkeit auf eine passive Mitgliedschaft, allerdings sind diese nicht berechtigt im Laden einzukaufen.

Köllektiv möchte ebenfalls diesen Weg gehen. Vor der Eröffnung des Ladens müssen allerdings noch einige Details zum Ablauf geklärt werden. "Wir planen auch mit drei Stunden im Monat. Ob das dann pro Haushalt gilt oder wie das zum Beispiel in WGs gehandhabt wird, müssen wir noch sehen. Das Schöne an dem Konzept ist auf jeden Fall, dass ganz unterschiedliche Menschen zusammentreffen und miteinander arbeiten. Das gibt auch der Kooperative gegenüber eine ganz andere Art der Wertschätzung", betont Elisa.

Um bei FoodHub oder Köllektiv mitmachen zu können, muss jedes Mitglied Anteile der Genossenschaft erwerben. In München sind das fünf Anteile à 36 Euro, in Köln zwei Anteile à 50 Euro. Wer aus der Genossenschaft austritt, bekommt die Anteile in Gänze wieder ausbezahlt. Damit auch Menschen mit knappen Haushaltsbudget mitmachen können, gibt es bei FoodHub einen sogenannten Sozialtarif bei dem nur ein Genossenschaftsanteil gezeichnet werden muss, um Mitglied zu werden. Köllektiv plant mit Patenschaften oder Spenden zu arbeiten, die von anderen Mitgliedern übernommen werden.

Die Nähe zu den (Bio-)Lebensmitteln

Da die Anzahl der gezeichneten Genossenschaftsanteile die finanzielle Basis eines Ladens bildet, ist es für alle Kooperativen, die dieses Konzept anstreben, wichtig, eine kritische Masse an Mitgliedern zu gewinnen. Diese kritische Masse dient allerdings auch dazu, die Ladenöffnungszeiten und damit die verschiedenen Arbeitsschichten abdecken zu können. "Unser ursprüngliches Ziel zur Eröffnung waren 800 Mitglieder. Wir kamen allerdings nur auf 700, was schlussendlich ausreichend war. Aber ich würde sagen, dass es nicht weniger als 600 sein sollten, wenn man fünf bis sechs Tage die Woche von acht Uhr bis 20 Uhr geöffnet haben will. Denn man muss es schaffen, diese Zeiten auch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abdecken zu können", meint Quentin von FoodHub.

Der Großteil der Mitglieder von FoodHub kommt aus einem Umkreis von rund 1,5 Kilometern – also in direkter Nachbarschaft. "Natürlich gibt es noch einen kleinen Teil, der einfach überzeugt von diesem Konzept ist und auch aus größerer Entfernung anreist. Aber die meisten sind in relativ kurzer Zeit im Laden", erzählt der FoodHub-Mitbegründer.

Da FoodHub ein Vollsortiment anbietet, können die Mitglieder eigentlich alles im eigenen Laden erwerben, was sie zum täglichen Leben benötigen. "Für mich war das auch ein Grund, einen solchen Laden mitzugründen. Früher musste ich mehrere Läden abklappern, um möglichst Bio einzukaufen. Jetzt habe ich alles, was ich im Alltag brauche an einem Standort und das in Bio-Qualität", freut sich Quentin. Inzwischen bietet der Laden rund 98 Prozent Bio-Produkte an.

Auch Saisonalität und Regionalität sind bestimmende Kriterien bei der Auswahl. "Wir haben aber auch Sachen im Grundsortiment, die nicht regional sind. Aber wir müssen natürlich auch auf die Bedürfnisse unserer Mitglieder eingehen. Wenn man sich mit Mitarbeit und gezeichneten Anteilen engagiert und dann aber nicht alles vorfindet, was man zum täglichen Leben benötigt, riskiert man, dass die Mitglieder austreten und woanders einkaufen gehen. Wir informieren an jedem Produkt über die Herkunft und bieten auch Saisonkalender an. Jede und jeder muss also selbst für sich entscheiden, was er oder sie kauft. Das wollen wir nicht vorgeben", bekräftigt Quentin.

Ziel ist es, bei gewissen Produkten wie Mehl, Obst und Gemüse immer auch eine regionale Alternative bieten zu können. In der Regel kommen diese Produkte dann auch aus einem Umkreis von maximal eineinhalb Stunden Fahrt. "Wenn es weiter entfernt ist, arbeiten wir mit Direktlieferanten zusammen, die uns in erster Linie mit einem Sortiment an Trockenwaren beliefern", so Quentin.

In Köln möchte man eine ähnliche Linie fahren: "Wir planen ein Vollsortiment anzubieten, das überwiegend biologisch, regional und fair ist. Wir pochen aber nicht zwingend auf das Bio-Siegel. Wenn wir einen Betrieb haben, der in der Nähe ist und nach Bio-Kriterien anbaut, aber nicht zertifiziert ist, dann ziehen wir diesen auf jeden Fall vor. Da zählen für uns einfach die Argumente Regionalität und die persönliche Beziehung. Vor allem der Verkauf von Kaffee ist bei uns aktuell eine heiße Diskussion. Kaffee gehört nun mal zu einem Vollsortiment dazu und in Mitgliederumfragen wurde auch deutlich, dass der Verkauf gewünscht ist. Und da schauen wir dann einfach, dass der Kaffee, den wir anbieten, überwiegend fair produziert wurde", erzählt Elisa von Köllektiv.

Gute Bezahlbarkeit dank fairer und transparenter Preise

Eine wichtige Säule vieler Lebensmittelkooperationen ist die Bezahlbarkeit von (Bio-)Produkten. Viele entscheiden sich daher für eine transparente und faire Preisgestaltung, die allen Seiten zugutekommt. Köllektiv möchte auf den Einkaufspreis 25 bis maximal 30 Prozent aufschlagen. "Das würde dann unsere Fixkosten abdecken. Wir wollen ja zum Selbstkostenpreis verkaufen und müssen nicht Gewinne erwirtschaften", erklärt Elisa. Es ist daher geplant, immer Produkte anzubieten, die die Standardkriterien wie beispielsweise Bio-Regionalität erfüllen. Gleichzeitig sollen aber auch besondere Produkte im Sortiment zu finden sein, die etwas höherpreisig sind.

In München werden alle Produkte mit einem einheitlichen Aufschlag von 30 Prozent verkauft. "Für die Mitglieder ist es so einfacher nachzuvollziehen, was der Erzeugerbetrieb oder auch der Lieferant bekommt. Bei manchen Produktgruppen wie Brot, Obst oder auch Gemüse schlagen wir 35 Prozent drauf, um die Verluste decken zu können", sagt Quentin. Das führe dazu, dass der Einkauf bei FoodHub im Durchschnitt rund 20 Prozent günstiger ist als im herkömmlichen Bio-Laden oder -Supermarkt.

Damit das Konzept in München noch weiterwachsen kann, ist FoodHub weiterhin auf der Suche nach Mitgliedern. "Wir haben aktuell rund 2.200 Mitglieder. Wir haben nicht nur Kapazität für mehr, sondern wir brauchen auch mehr. Ich denke, dass wir dann noch mindestens 50 Prozent mehr Ware umsetzen könnten", ist sich Quentin sicher.

Köllektiv ist im Moment bei 280 Mitgliedern und ebenfalls auf der Suche nach weiteren interessierten Mitmacherinnen und Mitmachern. "In unserem Businessplan haben wir eine Zahl von 1.000 Mitgliedern im ersten Jahr stehen. Wir hoffen natürlich, dass der große Schwung dann kommt, wenn wir den Laden eröffnen. Im Moment ist das für viele zu unsicher, weil der Standort des Ladens eine große Rolle spielt. Und solange man das noch nicht kommunizieren kann, sind viele sehr verhalten was eine Mitgliedschaft angeht", meint Elisa.

Ein Konzept der Zukunft?

Quentin und Elisa sind sich aber beide einig, dass Lebensmittelkooperationen ein Konzept mit Zukunft sind. "Ich bin davon überzeugt, dass in jede Großstadt mindestens ein bis zwei Mitmachläden gehören. In Frankreich haben in den vergangenen acht Jahren in fast allen Städten mit mehr als einhunderttausend Einwohnerinnen und Einwohnern solche kooperativen Supermärkte eröffnet. Auch in Kleinstädten kann das funktionieren. Da braucht es dann nur andere Ladenöffnungszeiten, weil man dort nicht so viele Mitglieder bekommt wie in der Großstadt", betont Quentin.

Elisa sieht die große Chance vor allem in der anderen Form des Wirtschaftens: "Es ist schön zu sehen, dass hier nicht nur ein paar wenige gewinnen, sondern alle profitieren. Auf der einen Seite die Betriebe, die hart arbeiten und mit viel Liebe sowie Leidenschaft Nahrungsmittel produzieren und auf der anderen Seite die Kundschaft, die gerne mit ihrem Einkauf einen Unterschied machen will, wenn sie es könnte."


Letzte Aktualisierung 29.08.2024

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