Moore nachhaltig nutzen – das Klimafarm-Projekt

Moore nachhaltig nutzen – das Klimafarm-Projekt

Grünland auf Moorflächen wiedervernässen und weiterhin landwirtschaftlich nutzen – das ist der Ansatz von Paludikulturen. In einem zehnjährigen Pilotprojekt wird derzeit daran gearbeitet, eine praxistaugliche Erntekette für Paludikulturen zu entwickeln und eine wirtschaftliche Wertschöpfungskette für das geerntete Material aufzubauen. Welche Kulturen können dort überhaupt wachsen? Und wie können sie geerntet und verwendet werden?

"Dieses Projekt bietet die Chance, einen komplett neuen landwirtschaftlichen Betriebszweig aufzubauen", sagt Dr. Elena Zydek. Sie leitet das Pilotvorhaben Klimafarm im schleswig-holsteinischen Erfde. Ziel des Projekts ist es, insgesamt 400 Hektar trockengelegte Grünlandflächen in Moorgebieten wiederzuvernässen, die Technik für die Ernte und Aufbereitung des natürlichen Aufwuchses zu optimieren und Vermarktungswege für die verschiedenen Produkte aus dem Aufwuchs aufzubauen.

Die Klimafarm Erfde ist einer von vier Standorten bundesweit, an denen intensiv an der praxisnahen Weiterentwicklung der sogenannten Paludikultur gearbeitet wird. Weitere Standorte sind in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Bayern. Das Pilotprojekt der Klimafarm ist auf zehn Jahre angelegt und wird mit knapp 20 Millionen Euro vom Bundesumweltministerium gefördert.

Wissenschaftliche Untersuchung der Umwelteffekte

Die praxisorientierte Entwicklungsarbeit im Projekt wird wissenschaftlich begleitet von einem Forschungsteam der Universität Kiel. Das Team erhebt unter anderem Daten zur Entwicklung der Artenvielfalt nach Wiedervernässung der Flächen und untersucht, welche Mengen an klimaschädlichen Gasen eingespart werden.

Auf der Klimafarm in Erfde nutzt das siebenköpfige Team die Gebäude eines ehemaligen Milchviehbetriebs, der wie die bearbeiteten Grünlandflächen von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein übernommen wurde. Von den 400 Hektar Grünland sind inzwischen 80 Hektar wiedervernässt. Ein Teil der Flächen war bereits zum Projektstart vernässt, sodass im Jahr 2025 bereits die vierte Ernte eingefahren werden kann.

Das Ziel: ein Wasserpegel von zehn Zentimetern unter Flur

"Für die Wiedervernässung kappen wir die Drainagen in den Flächen und schütten die Gräben in Teilabschnitten zu", erklärt Elena Zydek das Vorgehen. Ziel ist ein Wasserpegel von zehn Zentimetern unter Flur. Denn nur so wird das gewünschte sauerstofffreie Milieu erreicht, bei dem der Torfkörper erhalten bleibt.

Nach der Vernässung stellen sich nutzbare Moorpflanzen wie Binsen, Seggen und verschieden Dauergräser nach und nach auf natürliche Weise ein. Meist können sie schon im Folgejahr geerntet werden, ohne weiteres Zutun. "Die Bewirtschaftung ist extensiv", betont Zydek. "Bei uns gibt es keine Aussaat, keine Düngung und auch keinen Pflanzenschutz."

Keine Reinkultur als Aufwuchs

Der Paludi-Aufwuchs ist deshalb keine Reinkultur, sondern ein Mix aus verschiedenen, nutzbaren Arten. Das ist für die Weiterverarbeitung unproblematisch, weil für die hergestellten Produkte wie Erosionsschutzmatten oder Pflanzenkohle kein sortenreines Ausgangsmaterial benötigt wird.

Für die Ernte auf nassem Untergrund hat sich bisher eine leistungsstarke, umgebaute Pistenraupe am besten bewährt. Traktoren mit Gummireifen erwiesen sich dagegen als ungeeignet. Alternativ werden auch selbstfahrende Stachelwalzen für die Mahd und Ernte eingesetzt.

Der Paludi-Aufwuchs wird wie Gras mit einem handelsüblichen Mähbalken oder Mähwerk geschnitten, verteilt, getrocknet und nach dem Schwaden zu Rundballen gepresst. Auch erste Versuche, das Material als sogenannte Palulage im Fahrsilo oder eingewickelten Rundballen zu silieren, waren erfolgreich.

Die Ernte ist anspruchsvoll

"Allerdings gibt es auf den nassen Flächen einige Herausforderungen", sagt Elena Zydek. So braucht das geschnittene Material fünf regenfreie Tage, um ausreichend zu trocknen. Deshalb greift das Team auf einen Frontschwader zurück, um das Material vor dem Pressen nicht weiter in den nassen Boden zu drücken. Die Erntetermine können sich bis spät ins Jahr verschieben. "Im letzten Jahr konnten wir einen Teil der Flächen erst im November beernten. Der Boden blieb unversehrt und wir konnten die Ernte gut als Biogassubstrat verwerten", berichtet Zydek.

Mit der bisherigen Erntekette ist die Projektleiterin allerdings noch nicht zufrieden, auch wenn sie funktioniert: "Uns fehlt es noch an Schlagkraft und Effizienz. Das macht die Ernte und damit das Endprodukt zu teuer." Für die Weiterentwicklung der Technik steht die Klimafarm in engem Kontakt zu lokalen Maschinenringen und Lohnunternehmen, die sehr großes Interesse am Projekt haben. Auch Landmaschinenhersteller fangen laut Zydek damit an, sich mit dem Thema Paludikultur zu beschäftigen.

Der Aufwuchs ersetzt vor allem Holzfasern

Neben der Technik wird vor allem der Absatz von Paludi-Produkten darüber entscheiden, wie schnell sich das nachhaltige Konzept in der Praxis etabliert. Bei den meisten Produkten ersetzt der Paludi-Aufwuchs Holzfasern, etwa bei Verpackungsmaterial, Pflanzenkohle oder Substratplatten für die Dachbegrünung.

Zu den besonders weit entwickelten Produkten im Projekt gehören Erosionsschutzmatten, die für die Begrünung abschüssiger Flächen genutzt werden, etwa an Straßenböschungen. Zydek schätzt, dass die Matten in etwa zwei Jahren marktreif sein werden. Allgemein nimmt sie wahr, dass Produkte aus Paludikulturen "immer sichtbarer werden" für Unternehmen, aber auch für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Mengen und Qualitäten können stark schwanken

Ein Knackpunkt sind aus ihrer Sicht aber noch die überschaubaren Mengen und Schwankungen bei der Rohstofferzeugung. Zurzeit werden pro Hektar vier bis fünf Tonnen Material geerntet. „Größere Unternehmen in der Holz- und Papierverarbeitung sind es nicht gewohnt, dass wir bestellte Mengen oder Qualitäten nicht immer liefern können“, erklärt Zydek. Deshalb sind die Abnehmer derzeit meist Klein- und mittelständische Unternehmen.

Doch auch große Unternehmen sind bereits auf die Vorzüge und das positive Image von Paludikulturen aufmerksam geworden. So haben sich 16 Firmen in der Initiative toMOORow zusammengeschlossen, um die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung von Mooren für den Klimaschutz und das Potenzial der Wiedervernässung von Flächen zu lenken. Zudem möchten einzelne Unternehmen den Rohstoff auch zeitnah nutzen, etwa als Verpackungsmaterial für ihre Produkte.

Viel Bewegung in der Paludi-Szene

"Da tut sich gerade sehr viel", beobachtet Zydek. "Und wir müssen aufpassen, dass wir mit der Weiterentwicklung schnell vorankommen. Sonst könnte der Markt durch Importe besetzt werden." Auch auf lokaler Ebene stößt das Projekt auf großes Interesse. Von Berufs- und Hochschulen, dem Bauernverband und Landwirtschaftskammern gibt es regelmäßig Anfragen für Info-Veranstaltungen. Allein im zweiten Halbjahr 2023 hat die Klimafarm 70 Info-Veranstaltungen zum Thema Paludikultur durchgeführt.

Noch wichtiger ist für Zydek aber das Interesse der landwirtschaftlichen Betriebe in der Region, wobei das Paludi-Konzept offen ist für eine konventionelle und ökologische Nutzung. Bisher beobachtet sie bei Praktikerinnen und Praktikern noch "skeptisches Interesse". "Dabei muss man berücksichtigen, dass Paludikultur einen nahezu kompletten Systemwechsel zur bisherigen intensiven Grünlandnutzung bedeutet. Eine solche Umstellung fällt natürlich schwer", meint die Expertin.

Intensive Nutzung der Torfböden ist endlich

Doch letztlich gibt es aus ihrer Sicht keine echte Alternative dazu. Denn die intensive Nutzung der Moorböden ist endlich. Pro Jahr baut sich der Torfkörper etwa um einen Zentimeter ab. Darunter liegt unfruchtbarer Geschiebesand. "Das wissen auch die Landwirtinnen und Landwirte hier", sagt Zydek. "Allerdings müssen wir auch ehrlich sein und zugeben: Wir haben bis jetzt noch keine fertige Lösung."

Zudem ist eine Paludikultur derzeit auch wirtschaftlich noch keine echte Alternative zur Grünlandnutzung für die Milcherzeugung. Deshalb lautet ein wichtiges Projektziel, Preise für den Rohstoff zu erzielen, die sich für Landwirtschaft lohnen.

Keine einheitliche EU-Flächenprämie für Paludikulturen

Genauso wichtig ist es ihrer Meinung nach, Paludikulturen in der nächsten Förderperiode über die Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU ab 2027 angemessen zu honorieren, etwa durch eine Entlohnung für die Einsparung von Treibhausgasen. Aktuell erhalten Betriebe auch keine einheitliche EU-Flächenprämie für Paludikulturen, was laut Zydek ebenfalls dringend angepasst werden müsste.

Damit käme sie ihrem persönlichen Ziel des Klimafarm-Projektes schon sehr nahe. Sie möchte mit der Umstellung auf Paludikultur eine echte Perspektive für die landwirtschaftlichen Betriebe als Rohstoffproduzenten auf Moorböden schaffen. Zydek wünscht sich zum Ende des Projekts im Jahr 2031, dass jeder landwirtschaftliche Betrieb die Wiedervernässung technisch und auf Förderebene innerhalb eines Jahres problemlos und freiwillig umsetzen kann.

"Dafür müssen Behörden, Betriebe und abnehmende Unternehmen unbedingt an einem Strang ziehen", meint die Leiterin. "Dann hätten wir einen riesigen Hebel, den Klimaschutz voranzubringen und neue Perspektiven für die Landwirtschaft auf Moorflächen zu schaffen."

Text: Jürgen Beckhoff


Letzte Aktualisierung 01.07.2025

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