Hülsbergen: Die Kritik lautet ja im Kern, dass wir in Deutschland nicht genügend Fläche haben und wir uns den Öko-Landbau wegen der geringeren Erträge nicht in der Breite leisten können. Das sehe ich nicht so. Schließlich hängt der Flächenbedarf nicht nur davon ab, ob wir ökologisch oder konventionell wirtschaften. Auch unser Ernährungsstil, vor allem der Anteil an tierischen Produkten, hat enormen Einfluss auf den Flächenbedarf und die Umwelt- und Klimawirkungen. So müssen wir uns fragen, ob wir in Deutschland bei Schweinefleisch einen Selbstversorgungsgrad von 140 Prozent brauchen, während der Pro-Kopf-Verbrauch in den letzten 10 Jahren um ein Viertel gesunken ist. Das bindet nicht nur viel Fläche für den Futterbau, sondern führt durch die Sojaimporte auch zu enormen Nährstofffrachten auf dem Ackerland. Wir sollten die Tierhaltung wieder an die Fläche binden. Dann würde genügend Fläche für den Öko-Landbau zur Verfügung stehen.
Bei der Flächenkonkurrenz ist auch die Erzeugung von Bioenergie zu berücksichtigen. Allein für die Erzeugung von Biodiesel, Bioethanol und Biogas werden etwa zwei Millionen Hektar genutzt, also mehr Fläche, als derzeit ökologisch bewirtschaftet wird. Es steht in Deutschland genügend Fläche zur Verfügung, um das 30-Prozent-Ziel umzusetzen. Wir müssen sie nur richtig nutzen.
Oekolandbau.de: Aber wenn Flächen frei würden, wie von Ihnen beschrieben, könnte man diese ja direkt in Biotope umwandeln und die übrigen Flächen intensiv konventionell nutzen. Wäre damit nicht mehr für die Umwelt getan?
Hülsbergen: Dieses theoretische Szenario wird immer wieder beschrieben, aber wie wahrscheinlich ist es tatsächlich? Wer entscheidet, welche Flächen weiterhin Ackerland oder Grünland bleiben dürfen und welche aufgeforstet oder in Naturschutzflächen umgewandelt werden? In den Intensiv-Regionen mit hohen Tierkonzentrationen und Gülleüberschüssen würde man so weiterarbeiten wie bisher, um andere Flächen für den Naturschutz freizusetzen. Ist das unser Zukunftsszenario? Wohl kaum. Wichtig ist der Erhalt unserer offenen Kulturlandschaft und damit einer flächendeckenden Landwirtschaft. Der ökologische Landbau kann hierzu sehr viel beitragen. Da Umwelt- und Klimaschutz auf landwirtschaftlichen Flächen stattfindet, muss man nicht auf speziell angelegte Biotope und Naturschutzflächen ausweichen.
Oekolandbau.de: Ein weiterer Kritikpunkt an Ihrer Studie zielt darauf ab, dass fehlende Erträge durch Importe ausgeglichen werden müssten, die in den Erzeugerländern zu einem größeren Flächenbedarf führen und damit zu mehr Umweltzerstörung.
Hülsbergen: Wie gesagt, eine solche Analyse war nicht Teil unserer Studie. Dennoch gilt: Den Automatismus mehr Öko-Fläche gleich mehr Importe gibt es nicht. Dazu ein Beispiel: Von 2005 bis 2021 ist die Bio-Anbaufläche in Deutschland um etwa eine Million Hektar gestiegen. Aber der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln blieb nach den Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in diesem Zeitraum unverändert bei 87 Prozent. Zudem sind die möglichen Effekte einer Ausweitung des Öko-Landbaus so komplex, dass im Grunde keine verlässlichen Aussagen zu Verschiebungen des Anbaus in anderen Ländern möglich sind.