Der Schlüssel dazu sind die aufgezeichneten Daten und ihre Auswertung. Allein die Informationen zur Aktivität einer Kuh, ihrer Wiederkäutätigkeit und ihren Fresszeiten erlauben eine sehr verlässliche Aussage, ob es ihr gut geht oder ob sich eine Erkrankung abzeichnet. Stoffwechselerkrankungen oder eine Mastitis können früher erkannt und behandelt werden, was die Erkrankungsdauer und damit die Ausfallzeiten zum Teil wesentlich verkürzt. Sogar der optimale Besamungstermin kann aus den Aktivitätsdaten verlässlich abgeleitet werden.
Die Software der Digitalsysteme informiert die Betriebsleitung automatisch über Auffälligkeiten bei einzelnen Tieren, sobald ein zuvor festgelegter Grenzwert überschritten ist. "So kann sich der Betriebsleiter oder die Betriebsleiterin bei jeder Herdenkontrolle ganz gezielt die auffälligen Kühe anschauen. Und durch das integrierte Ortungssystem findet man einzelne Tiere auch viel schneller im Stall oder auf der Weide", sagt Asseburg.
Wichtige Hilfe bei Entscheidungen
Zudem wird die Betriebsleitung bei der Entscheidungsfindung entlastet, da die Eindrücke aus der Tierbeobachtung mit handfesten Daten unterfüttert sind. Dabei gilt: Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto verlässlicher können Aussagen für eine erforderliche Behandlung, den Brunsttermin oder zum Zuchtwert eines Tieres getroffen werden. Im optimalen Fall werden zum Beispiel die Aktivitätsdaten zusammenführt mit den Daten aus der Milchkontrolle, der Fütterung und der Klauenpflege.
Allerdings ist der Einstieg in die Digitalisierung auch mit einer größeren Investition verbunden. Je nach Herdengröße muss man für die Ausrüstung mit einem Sensor für Aktivität, Wiederkäubewegung und Kopfneigung einschließlich der Software mit Kosten von 60 bis 160 Euro pro Kuh rechnen, je nach Ausstattung der Systeme. Die Nutzungsdauer der Technik liegt durchschnittlich bei vier bis sechs Jahren.
Wann lohnt der Einstieg?
Ob sich der Einstieg lohnt, hängt laut Kathrin Asseburg weniger von der Betriebsgröße ab, sondern von der betrieblichen Situation und den jeweiligen Voraussetzungen wie etwa der Arbeitskraftauslastung. Wird gerade ein Stall mit neuer Melktechnik gebaut oder erlaubt es die finanzielle Situation, hält sie den Einstieg ins digitale Herdenmanagement auf jeden Fall für empfehlenswert. Die Expertin ist überzeugt: "Irgendwann wird diese Technik aufgrund der vielen Vorzüge ohnehin Standard sein."
Für den Einstieg rät sie, die Herde mit einem Transpondersystem auszurüsten, das über Bewegungs- und Ruhezeiten, die Kopfneigung und das Wiederkäuverhalten informiert und eine Identifizierung des Tieres erlaubt. Später könnten nach und nach weitere Systeme ergänzt werden. Wichtig ist ihrer Erfahrung nach, dass die genutzten Systeme über kompatible Schnittstellen verfügen, damit alle Daten miteinander verknüpft und zusammengeführt werden können.
Wichtige von unwichtigen Daten unterscheiden
Beim Einstieg ins digitale Herdenmanagement ist zu beachten, dass man einige Zeit braucht, um Technik und Software sicher anwenden zu können. Das gilt besonders für die Interpretation der Daten. "Hier ist es elementar, wichtige von unwichtigen Daten unterscheiden zu lernen. Sonst verliert man leicht den Überblick", erklärt Asseburg. Zum Start ist deshalb der Besuch von Einstiegskursen und/oder die Unterstützung durch eine externe Beratung zu empfehlen. "Auf jeden Fall verbringt man mehr Zeit vor dem Computer", sagt Asseburg.
Vor allem aber verändern digitale Systeme nach ihrer Einschätzung die Arbeitsabläufe. "Letztlich arbeitet man viel standardisierter und behält anstehende Aufgaben rund um die Herde besser im Blick", meint die Expertin. So lassen sich etwa die aufgezeichneten Daten zur Herde nach beliebigen Kriterien filtern, etwa nach Terminen fürs Trockenstellen oder einer notwendigen Klauenpflege. "Solche Listen kann die Betriebsleitung an festen Tagen in der Woche erstellen und abarbeiten. Da gibt es dann keine Zettelwirtschaft mehr und es geht nichts verloren."
Gleichzeitig muss man sich als Betriebsleiterin oder -leiter daran gewöhnen, stärker präventiv zu arbeiten. Das heißt zum Beispiel eine Kuh aufgrund abweichender Daten im Programm frühzeitig von der Herde zu trennen und intensiv zu versorgen, obwohl sie äußerlich noch keine Symptome zeigt. "Man agiert viel mehr als man reagiert und man muss sich auf die Technik verlassen. Das fällt vielen Betrieben am Anfang oft nicht so leicht", meint Asseburg.
Lückenlose Dokumentation
Ein weiterer Pluspunkt der digitalen Aufzeichnung ist die wesentlich vereinfachte Dokumentation. Zu jedem Tier werden alle zentralen Daten gespeichert und sind jederzeit per PC oder Handy-App abrufbar, von der Leistung und Zellzahl über Besamungs- und Trockenstelltermine bis zu Auffälligkeiten bei der Klauenbehandlung. Bei Kontrollen können diese Daten genutzt werden.
Doch führen mehr Daten und neue Arbeitsabläufe auch automatisch zu besseren Ergebnissen? Und lassen sich damit die Kosten für die Investition abdecken? Fachleute gehen davon aus, dass sich der Einsatz digitaler Systeme auch sehr schnell wirtschaftlich bezahlt macht, wenn sie richtig genutzt werden.