Oekolandbau.de: Wie profitieren Öko-Milchviehbetriebe mit Deutschen Holsteins konkret vom RZÖko und wo finden diese Betriebe Informationen zu passenden Öko-Vererbern auf Basis des RZÖko?
Carsten Scheper: Anhand der RZÖko-Toplisten, die beim vit (Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.V.) online verfügbar sind, können die Betriebe nun schneller und einfacher eine Übersicht bekommen, welche der angebotenen Besamungsbullen für einen Einsatz auf ökologischen Betrieben gut geeignet sind. Der RZÖko kann somit bei der Bullenauswahl direkt helfen. Auch die Zuchtorganisationen weisen den RZÖko direkt in den Bullenblättern online und in Druckkatalogen aus.
Die ÖTZ erstellt anhand zusätzlicher Kriterien auf Basis der Toplisten weitergehende Empfehlungslisten die sowohl zusätzliche Hilfestellung bieten als auch weitergehende Informationen zusammenfassen sollen. Auch der Bundesverband Rind und Schwein bietet zum RZÖko eine Übersichtsseite an.
Oekolandbau.de: Fließen auch die besonderen Anforderungen von Demeter-Milchviehhaltern mit in den Zuchtwert ein?
Carsten Scheper: Der RZÖko berücksichtigt die Anforderungen aller ökologischen Milchviehhalter. In seiner Ausrichtung ist er darüber hinaus als ökonomischer Gesamtzuchtwert umgesetzt und soll die Ökonomie der ökologischen Milchviehhaltung über die Gewichtung der in ihm enthaltenen Merkmale widerspiegeln.
Spezielle genetisch-qualitative Merkmale wie zum Beispiel die Behornung fließen nicht direkt mit in den Zuchtwert ein. Dies wäre sowohl aus technisch-fachlichen als auch politischen Gründen nur schwer umsetzbar auf Ebene des Gesamtzuchtwerts.
Um den zusätzlichen Anforderungen der Demeter-Milchviehhalter gerecht zu werden, enthalten die Bullenempfehlungen der ÖTZ auf Basis des RZÖko eine spezielle Empfehlungsliste für Demeter-Betriebe die die besonderen politisch-ideellen Anforderungen, zum Beispiel zur Behornung und zum Embryotransfer, berücksichtigt.
Oekolandbau.de: Den RZÖko gibt es bereits seit Sommer 2023 und die Bullenempfehlungen auf Basis des RZÖko wurden Ende 2023 herausgegeben. Wie ist die Resonanz der Öko-Branche auf diese Entwicklungen?
Carsten Scheper: Die Einführung des RZÖko ist über alle Verbände hinweg in Praxis und Beratung positiv aufgenommen worden. Wir haben uns im Rahmen der Entwicklung vor und auch nach der Veröffentlichung in vielen Veranstaltungen und direkten Gesprächen dazu ganz bewusst Rückmeldungen eingeholt. Aus den Rückmeldungen ist aber auch klar geworden, dass wir am Ball bleiben müssen und uns auch schon kurz nach der Einführung Gedanken über Weiterentwicklungen machen müssen. Merkmalsbezogene Themen wie Persistenz, Leistungssteigerung und Weidetauglichkeit sind einigen Praktikern sehr wichtig und im ersten Schritt nicht im RZÖko direkt berücksichtigt. Dies war auch zu erwarten: Gesamtzuchtwerte weichen in der Regel immer von den betrieblichen und persönlichen Zuchtzielen ab, ohne ihre Wichtigkeit zu schmälern.
Klar geworden ist auch, wie wichtig die Vermittlung ist, was der Zuchtwert leisten kann, wo die Grenzen liegen und wie er sinnvoll in der Praxis angewendet werden kann. Auch wenn beispielsweise die RZÖko-Toplisten und die Empfehlungslisten der ÖTZ eine sinnvolle Orientierung bieten, sind nicht alle dort enthaltenen Bullen auf jedem Betrieb die richtige Wahl. Hier muss jeder Betrieb nochmal ins Detail gehen und genau schauen, was er für das persönliche Zuchtziel explizit braucht.
Oekolandbau.de: Mit dem Ökologischen Gesamtzuchtwert (ÖZW) gibt es seit rund 20 Jahren schon einen Zuchtwert für Öko-Fleckvieh und -Braunvieh. Warum hat es so lange gedauert, auch einen für Deutsche Holsteins zu entwickeln?
Carsten Scheper: Das ist eine gute Frage, die wir uns auch zwischenzeitlich gestellt haben. Ich kann sie nur aus der Sicht beantworten, was konkret nötig war, um den RZÖko in die Umsetzung zu bringen. Für uns als ÖTZ, stand im ersten Schritt im Vordergrund 2022 ein offenes Gespräch mit dem BRS und dem vit zu führen und den Bedarf für eine entsprechende Entwicklung und den Wunsch zur Kooperation stellvertretend für den Bio-Bereich zu formulieren. Die dankenswerterweise sehr positive Reaktion hat uns im ersten Moment etwas überrascht, aber sehr in unserer kooperativen Herangehensweise bestärkt. Der nächste nötige Schritt war dann die konkrete fachliche Entwicklung und die Akquise von weiteren Mitteln für das entsprechende Projekt, auch dies war erfolgreich und wir danken der Rentenbank und dem Tierzuchtfonds sehr für die Unterstützung.
Oekolandbau.de: Wie unterscheidet sich der RZÖko vom ÖZW? Werden diese beiden zukünftig nebeneinander bestehen bleiben?
Carsten Scheper: Im Kern verfolgen beide Gesamtzuchtwerte das gleiche Ziel: die konkrete Definition eines ökologisch geprägten Zuchtziels, das die Gewichtung der funktionalen Merkmale in der Zucht gegenüber der Leistung deutlich hervorhebt. Auf dieser übergeordneten Ebene gleichen sich die beiden Zuchtwerte sehr stark.
Bezogen auf die konkreten enthaltenen Merkmale gibt es recht deutliche Unterschiede im Detail. So sind zum Beispiel im ÖZW sowohl die Persistenz als auch die Leistungssteigerung als Einzelmerkmale enthalten. Beide Merkmale waren in der Rasse Holstein zum Zeitpunkt der Entwicklung noch nicht verfügbar und konnten daher nicht berücksichtigt werden, obwohl dies aus praktischen Gesichtspunkten Sinn macht.
Aufgrund der unterschiedlichen Strukturen in beiden Rassen werden der ÖZW und der RZÖko für sich alleinstehend und rassespezifisch bestehen bleiben.
Oekolandbau.de: Mit dem RZÖko und den Öko-Bullenempfehlungen haben Sie einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der ökologischen Rinderzucht getan. Welche weiteren Pläne haben Sie bei der ÖTZ, um die ökologische Rinderzucht weiter voranzubringen?
Carsten Scheper: Wir wollen auf dem so erreichten aufbauen und die Kooperation mit den weiteren Beteiligten, dem BRS, den Zuchtorganisationen und dem vit, ohne die die Entwicklung nicht möglich gewesen wäre, weiter ausbauen.
Wir wollen die Kontinuität und Weiterentwicklung der bestehenden Angebote und Werkzeuge für die ökologischen Betriebe, wie den RZÖko und den ÖZW, weiter fördern und uns intensiv dabei einbringen. Praktisch heißt das, dass wir beispielsweise Projekte für Beratungsangebote, die auf ökologische Betriebe ausgerichtet sind, genauso brauchen wie Forschungsprojekte zu Themen der Merkmals- und Zuchtwertebene. Daran arbeiten wir bereits.
Aus unserer Sicht bringen wir die ökologische Rinderzucht vor allem dann voran, wenn wir sie als integralen Bestandteil einer zukunftsfähigen Rinderzucht im Ganzen verstehen und ihre spezifischen Anforderungen kooperativ in die bestehenden Strukturen einbringen.
Das Interview führte Jörg Planer