Lebensmittelbestrahlung

Lebensmittelbestrahlung: Was ist in der Bio-Verarbeitung erlaubt?

Die Bestrahlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen ist in Deutschland nur in Ausnahmefällen erlaubt. Welche Methoden und Verfahren sind im Bio-Bereich zulässig? Und was müssen verarbeitende Unternehmen beachten?

Wo kommt Strahlung in der Lebensmittelwirtschaft zum Einsatz?

Die Behandlung von Lebensmitteln mit Strahlung ist eine Methode zur Keimabtötung und Inaktivierung von Sporen. Dadurch wird der Verderb der Lebensmittel verlangsamt und das Risiko der Übertragung von Krankheitserregern vor allem bei hohen Konzentrationen von Sporen reduziert. Der Einsatz von UV-Strahlung kann das vorzeitige Reifen, Keimen oder Sprossen bestimmter Lebensmittel verhindern, wodurch ihre Haltbarkeit verlängert wird.

In Deutschland gilt grundsätzlich ein Verbot der Bestrahlung von Lebensmitteln mit ionisierenden Strahlen. Eine Ausnahme besteht für die Bestrahlung von getrockneten aromatischen Kräutern und Gewürzen. Gemäß der Lebensmittelbestrahlungsverordnung dürfen diese mit einer maximal durchschnittlich absorbierten Gesamtdosis von 10 Kilogray behandelt werden dürfen. Gray ist die Einheit der absorbierten Dosis. Ein Gray entspricht einem Joule Energie pro Kilogramm, ein Kilogray sind somit 1.000 Joule pro Kilogramm. Mit der Lebensmittelbestrahlungsverordnung werden verschiedene EU-Richtlinien umgesetzt: die "Richtlinien 1999/2/EG und 1999/3/EG über mit ionisierenden Strahlen behandelte Lebensmittel und Lebensmittelbestandteile" sowie die "Richtlinie 2000/13/EG über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln".

Hingegen ist der Einsatz von nicht-ionisierender, aber keimabtötender Strahlung in Deutschland in folgenden Fällen zugelassen:

  • die Bestrahlung von Lebensmitteln mit Neutronen zu Kontroll- und Messzwecken,
  • die Entkeimung von Trinkwasser mittels ultravioletter Strahlen,
  • die Behandlung der Oberflächen von Obst, Gemüse und Hartkäse mit UV-Strahlen während der Lagerung,
  • sowie die Entkeimung der Eierschale durch UV-C-Strahlen.

Mit ionisierender Strahlung behandelte Lebensmittel sowie Produkte, die bestrahlte Bestandteile enthalten, müssen nach Lebensmittelbestrahlungsverordung (§3) beispielsweise auf der Verpackung gekennzeichnet werden. Die betreffenden Anlagen sind genehmigungspflichtig.

Überwacht wird die Bestrahlung von Lebensmitteln durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

Was ist ionisierende Strahlung?

Durch ionisierende Strahlung werden Elektronen aus Atomen oder Molekülen entfernt, sodass positiv geladene Ionen oder Molekülreste zurückbleiben (Ionisation).

Die EU-Bio-Verordnung definiert ionisierende Strahlen wie folgt: "Energie, die in Form von Teilchen oder elektromagnetischen Wellen mit einer Wellenlänge von 100 Nanometern oder weniger (...) übertragen wird, die direkt oder indirekt Ionen erzeugen können.“(Verordnung (EU) 2018/848, Artikel 3, Nr. 67 mit Bezug auf die Richtlinie 2013/59/Euratom Artikel 4, Nr. 46).

Wenn ionisierende Strahlung auf lebende Zellen oder Organismen trifft, kann sie durch die Ionisation oder andere Veränderungen an Molekülen Schäden in den Zellen und Organismen hervorrufen. Dazu ist eine Energie von etwa 5 Elektronenvolt notwendig.

  • Alpha-, Beta- und Gammastrahlung, Röntgenstrahlung und kurzwelligere Ultraviolettstrahlung zählt man physikalisch betrachtet zu den ionisierenden Strahlen. In der Definition der EU-Bio-Verordnung sind sie aber mit einer Wellenlänge von 280 bis 100 Nanometer nicht mit eingeschlossen.
  • Dagegen sind (langwellige) UV-Strahlen, Radiowellen, Radarwellen, Mikrowellen, Infrarotstrahlung oder sichtbares Licht keine ionisierende Strahlung.

Wie regelt die EU-Öko-Verordnung den Umgang mit ionisierenden Strahlen?

Die Nutzung ionisierender Strahlung steht im Widerspruch zu den Grundsätzen der ökologischen Produktion und zu den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Daher verbietet die EU-Öko-Verordnung grundsätzlich den Einsatz ionisierender Strahlung bei der Erzeugung und Verarbeitung von Bio-Lebensmittel (Absatz 23), in der gesamten Bio-Lebensmittelkette (allgemeine Grundsätze, Artikel 5, i) und in der Behandlung von Bio-Lebensmitteln sowie den verwendeten Ausgansstoffen (Produktionsvorschriften, Artikel 9, Absatz 4). Mit der oben genannten Definition gilt dies für Strahlung mit einer Wellenlänge von 100 Nanometern oder weniger.

Wo kann ionisierende und UV-Strahlung auch in der ökologischen Verarbeitung zum Einsatz kommen?

Ionisierende Strahlung ist in der Produktion von Bio-Lebensmitteln zur Verlängerung der Produkthaltbarkeit oder zum Abtöten von Mikroorganismen verboten. Eingesetzt werden darf sie aber dann, wenn mit der ionisierenden Strahlung nicht das Nahrungsmittel behandelt, sondern lediglich der Produktionsprozess kontrolliert wird. Zu Mess- und Prüfungszwecken ist der Einsatz ionisierender Strahlung deshalb auch bei Bio-Produkten in den folgenden Fällen erlaubt und gängig:

  • UV-Oberflächendesinfektion bei Verpackungsmittel und verpackten Lebensmitteln, wenn die Strahlungsenergie und Absorptionsdosis unter den in der  EU-Richtlinie für mit ionisierender Strahlung behandelte Lebensmittel [(1999/2/EG §1 (2) genannten Werten liegen. Diese Methode wird bei bestimmten Hygienekonzepten beispielsweise in der Feinkostindustrie verwendet, um den Ausgangskeimgehalt niedrig zu halten und damit den Einsatz von Konservierungsstoffen im Produkt zu reduzieren oder ganz weglassen zu können.
  • Röntgendetektion zur Fremdkörper- und Qualitätskontrolle. Bestrahlung von Lebensmitteln zu Testzwecken oder als medizinische Steril-Ernährung fallen aufgrund der geringen Strahlendosis nicht unter 1999/2/EG und werden in §1 (2) ausgeschlossen. Es gelten die folgenden gesetzlichen Grenzwerte Für die absorbierte Dosis:
    • bei Neutronenstrahlung: maximale Strahlungsenergie von 0,01 Gray
    • bei anderer Strahlung: maximale Strahlungsenergie von 0,5 Gray
    • bei Röntgenstrahlen: maximale Strahlungsenergie von 10 Megaelektronenvolt
    • bei Neutronen: maximale Strahlungsenergie von 14 Megaelektronenvolt
    • in den übrigen Fällen: maximale Strahlungsenergie von5 Megaelektronenvolt

Praxisüblich sind beispielsweise bei Röntgenbestrahlung zur Qualitätskontrolle Werte weit unter diesen Grenzwerten, zumeist unter 0,0001-0,01 Gray.

Worauf müssen bio-zertifizierte Unternehmen bei der Umsetzung des Verbotes von ionisierender Strahlung achten?

Entkeimung von Kräutern und Gewürzen: Es muss gewährleistet sein, dass bei der Entkeimung – insbesondere von Importware – ausschließlich Verfahren angewendet wurden, die gemäß der EU-Öko-Verordnung zugelassen sind.

Einsatz zugekaufter Kräuter: Bei der Verwendung von Kräutern als Rohstoff für die Herstellung natürlicher Aromen, die für Bio-Lebensmittel bestimmt sind, muss sichergestellt werden, dass sie den Anforderungen der Öko-Verordnung entsprechen.

Fremdkörperkontrolle und Desinfektionsanlagen:

  • Bei der Nutzung von Testanlagen wie Röntgendetektoren oder Desinfektionsanlagen müssen die Grenzwerte für die absorbierte Dosis und die maximale Strahlenergie eingehalten werden. Der Hersteller der Anlagen muss die Einhaltung garantieren.
  • In einigen Fällen ist bei Bio-Verbänden eine Genehmigung erforderlich, beispielsweise bei Bioland e.V. (Antrag Ausnahmegenehmigung Röntgen-Detektion V02 - 03/2023), Bio Suisse (Merkblatt Röntgendetektion bei Knospe-Produkten, Januar 2023) oder Demeter (Richtlinien, Kapitel III 2.2 stellt eine Ausnahmegenehmigung für Betriebe mit einem erhöhten Haftungsrisiko in Aussicht).
  • Alle geltenden rechtlichen Vorschriften, wie das Strahlenschutzgesetz und Arbeitssicherheitsvorschriften, müssen eingehalten werden.

Welche alternative Verfahren werden zur Entkeimung in der Bio-Lebensmittelverarbeitung eingesetzt?

Da ionisierende Strahlung verboten ist, müssen Bio-Unternehmen auf alternative Methoden zurückgreifen:

  • Dampfsterilisation: Heißer Wasserdampf zur Keimreduktion, oft für Kräuter und Gewürze genutzt
  • Autoklavieren: Zur Haltbarmachung von Konserven
  • Hochdruckbehandlung (HPP – High Pressure Processing): Druckbehandlung zur Inaktivierung von Mikroorganismen oder Entwesung für alle Entwicklungsstadien von Schädlingen
  • UV-C-Strahlen: Zulässig für die Desinfektion von Oberflächen (zum Beispiel bei Eiern oder Hartkäse)
  • Ozonbehandlung oder kontrollierte Atmosphäre: Verhinderung von Schädlingsbefall ohne chemische Zusätze
  • Mechanische Verfahren: Sieben, Reinigen
  • Sonstige Verfahren: Erhitzen, Fermentieren

Autor: Stefan Goldhorn, Ecocert Deutschland GmbH


Letzte Aktualisierung 15.05.2025

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