In Deutschland werden nahezu täglich Lebensmittel zurückgerufen. Welche Herausforderungen und rechtlichen Anforderungen müssen Herstellerinnen und Hersteller von Bio-Lebensmitteln bewältigen, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten? Erfahren Sie, wie effiziente Systeme und präventives Qualitätsmanagement helfen können.
Warum ist die Rückverfolgbarkeit wichtig für die Qualitätssicherung?
Fast täglich werden in Deutschland Lebensmittel zurückgerufen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von Kennzeichnungsfehlern über Fremdkörper bis hin zu Krankheitserregern. Veröffentlicht werden solche Rückrufe auf der Plattform "Lebensmittelwarnung" des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Wer Produkte herstellt oder in Verkehr bringt, hat ein eigenes Interesse schnell zu ermitteln, an wen ein bedenkliches Produkt geliefert wurde, um es effizient zurückrufen zu können und damit das Risiko einer Verbrauchergefährdung so gering wie möglich zu halten.
Gleichzeitig ist es für den Hersteller oder die Herstellerin wichtig, im Rahmen der Ursachenforschung herauszufinden, wie die Gefährdung in das Produkt gelangen konnte. Wenn die Ursache nicht im eigenen Betrieb liegt, ist es entscheidend zu wissen, von wem die einzelnen Rohstoffe bezogen wurde, um gegebenenfalls mit dem Lieferanten oder der Lieferantin in Kontakt treten zu können. Nicht selten spielt dabei die Weitergabe von Kosten eine Rolle.
In der Praxis kann es auch vorkommen, dass ein Lieferant das Unternehmen über gesundheitsgefährdende Qualitätsmängelder gelieferten Rohwareinformiert. In diesem Fall muss die Unternehmerin oder der Unternehmer feststellen können,
- wie mit dieser Rohware umgegangen wurde,
- welche Bestände noch auf Lager sind und
- in welche Produkte die Rohware weiterverarbeitetet wurde.
Gegebenenfalls muss das Unternehmen dann einen Rückruf seiner fertigen Produkte einleiten.
Rechtliche Grundlagen für die Rückverfolgbarkeit von Bio-Lebensmitteln
Um sicherzustellen, dass eine grundlegende Rückverfolgbarkeit der Erzeugnisse und Warenströme gewährleistet ist, hat der Gesetzgeber in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 die Rückverfolgbarkeit als die Möglichkeit definiert, ein Lebensmittel oder Futtermittel, ein zur Lebensmittelgewinnung dienendes Tier oder einen Stoff, der in einem Lebensmittel oder Futtermittel verarbeitet wird oder verarbeitet werden könnte, durch alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen zu verfolgen. Auch in der EU-Bio-Verordnung 2018/848 ist das Thema Rückverfolgbarkeit verankert.
Jede und jeder, der Lebensmittel erzeugt (Landwirtschaft), verarbeitet (Lebensmittelindustrie/Lebensmittelhandwerk) oder vertreibt (Lebensmitteleinzelhandel, Lebensmittelgroßhandel), muss in der Lage sein, nachzuverfolgen, von wem er oder sie Waren bezogen hat und wem er oder sie Waren geliefert hat. Dabei ist es unerheblich, ob das Lebensmittel aus biologischer Erzeugung stammt oder nicht.
Die direkte Abgabe vom Erzeuger an Endverbraucherinnen und -verbraucher, also die Ab-Hof-Vermarktung der eigenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse ist davon nicht betroffen.
Systeme zur Rückverfolgbarkeit von Bio-Lebensmitteln
Laut Gesetz (Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und EU-Bio-VO) sind alle, die mit der Erzeugung und Herstellung von Bio-Lebensmitteln zu tun haben, dazu verpflichtet ein System zur Rückverfolgbarkeit einzurichten.
Insbesondere im Hinblick auf die Bio-Produktion muss das Unternehmen belegen können, dass es für die Erzeugung und Herstellung seiner Produkte ausschließlich ökologische Erzeugnisse verwendet hat bzw. Produkte, die für die ökologische Produktion zugelassen sind.
Das bedeutet, die Lebensmittel müssen so gekennzeichnet sein, dass sie jederzeit eindeutig identifiziert und zugeordnet werden können (Stichwort Losnummer).
In den eigenen Betriebsaufzeichnungen muss sich diese Kennzeichnung dann wiederfinden, so dass nachvollzogen werden kann, von wem die Waren mit einer bestimmten Kennzeichnung stammen beziehungsweise an wen Waren mit einer bestimmten Kennzeichnung ausgeliefert wurden.
Die Systeme zur Rückverfolgbarkeit müssen so angelegt sein, dass in einem Krisenfall innerhalb kürzester Zeit die Warenströme nachvollzogen und, falls erforderlich, entsprechende Maßnahmen daraus abgeleitet werden können. Dabei muss das Unternehmen in der Lage sein, jeweils auf die Stufe vor seinem Unternehmen und die Stufe nach seinem Unternehmen zurückzuverfolgen. Es ist nicht erforderlich, dass der Unternehmer die gesamte Wertschöpfungskette des Produktes über sein Rückverfolgbarkeitssystem abbildet.
Rückverfolgbarkeit der Bio-Qualität in der ökologischen Lebensmittelwirtschaft
In der ökologischen Lebensmittelwirtschaft sind hohe Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit und Herkunftssicherung wichtig, um die Bio-Qualität zu gewährleisten. Die Bio-Branche wächst und die Rohstoffströme werden immer komplexer. Das erschwert die Rückverfolgbarkeit. In der Vergangenheit waren häufige Ursachen für Betrugsfälle eine unzureichende Plausibilitätsprüfung der Liefermengen oder mangelhafte Bewertungen von Angeboten und Lieferanten. Deshalb sind beide Tools ein wichtiger Baustein in der Bio-Lebensmittelwirtschaft.
- Mengenplausibilitätsprüfung: Es kommt vor, dass konventionelle Ware als Bio-Ware vermarktet wird. Um dies zu verhindern, sind externe Informationen über die vermarkteten Mengen und die Produktionskapazitäten der Produzenten notwendig. Diese Prüfung erfolgt während der Bio-Kontrolle anhand von Daten, die von den Kontrollstellen für jeden liefernden Betrieb ermittelt werden. Dies erfordert auch eine gute Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kontrollstellen und Behörden in der Lebensmittelkette.
- Angebots- und Lieferantenbewertung: IntensiveLieferantenbewertungen und Wareneingangsprüfungen sind notwendig, um Betriebe, die nicht zum Kontrollverfahren angemeldet sind und mit gefälschten Zertifikaten am Markt auftreten, zu identifizieren. Beispielsweise sollten ungewöhnlich gute Preis-Leistungs-Verhältnisse kritisch hinterfragt werden. Darüber hinaus kann bereits vor der Aufnahme von Lieferbeziehungen eine von der Bio-Kontrollstelle bestätigte Betriebsbeschreibung des Lieferbetriebes bzw. des Lieferanten angefordert werden.
Text: Carola Benz, Ecocert