Bio-Produkte: Lebensmittelsicherheit und Risikoanalyse mit HACCP
Qualitätsprüfung in der Bio-Produktion: Sorgfältiges Aussortieren von Himbeeren für höchste Lebensmittelsicherheit.
Foto: Ecocert
Wie gelingt es Verarbeitungsunternehmen, eine hohe Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten? Das HACCP-Konzept bietet einen klaren Fahrplan, um Risiken entlang der gesamten Produktionskette zu erkennen und zu minimieren. Erfahren Sie, welche Herausforderungen und Risiken sich speziell bei der Herstellung von Bio-Lebensmitteln ergeben können, und wie Sie diese bewältigen.
Lebensmittelsicherheit und das HAPPC-Konzept
Lebensmittelsicherheit umfasst alle Maßnahmen, die gewährleisten, dass Lebensmittel sicher und ohne Gesundheitsrisiken konsumiert werden können. Dafür ist es notwendig, dass Unternehmen sowohl der guten Hygienepraxis folgen als auch spezifische Risiken, die von ihren Produkten oder Produktionsprozessen ausgehen, analysieren und gezielt minimieren. Dabei spielt das HACCP-Konzept eine zentrale Rolle.
Was ist HACCP?
HACCP steht für Hazard Analysis and Critical Control Points (Deutsch: Gefahrenanalyse und kritische Kontroll- oder Lenkungspunkte) und ist ein präventives System, das Risiken entlang der Produktionskette identifiziert, bewertet und durch geeignete Maßnahmen kontrolliert. Ziel ist es, Gefahren vollständig zu eliminieren oder auf ein akzeptables Maß zu reduzieren, um die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen.
Besondere Risiken der Lebensmittelsicherheit für Bio-Produkte
Grundsätzlich unterscheidet der Gesetzgeber beim Thema Lebensmittelsicherheit nicht zwischen biologisch und konventionell hergestellten Lebensmitteln.
Aus den spezifischen Produktions- und Verarbeitungsvorschriften der ökologischen Landwirtschaft ergeben sich für Bio-Lebensmittel einige besondere Risiken hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit:
Risiken und Lösungen in der Bio-Lebensmittelverarbeitung
Risiko: Da Bio-Betriebe auf chemisch-synthetische Pestizide und Düngemittel verzichten, besteht ein erhöhtes Risiko durch biologische Gefahren wie Schimmelpilze, Mykotoxine oder Schädlinge.
Lösung: Präventive Maßnahmen wie Fruchtwechsel, mechanische Unkrautbekämpfung oder natürliche Schädlingsbekämpfung sind essenziell.
Risiko: Die Verwendung von organischen Düngemitteln (zum Beispiel Gülle oder Kompost) kann das Risiko einer Kontamination mit pathogenen Mikroorganismen wie E.coli-Bakterien, Salmonellen oder Listerien erhöhen.
Lösung: Strenge Vorgaben zur Lagerung und Verarbeitung von Düngemitteln sowie Mindestwartezeiten zwischen Düngung und Ernte.
Risiko: Bio-Lebensmittel verzichten auf synthetische Konservierungsstoffe, was die Haltbarkeit verkürzt und das Risiko einer mikrobieller Kontamination erhöht.
Lösung: Optimierte Lagerbedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit) und alternative Konservierungsmethoden (beispielsweise Vakuumverpackung, Fermentation).
Risiko: Die Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln schließt viele technologisch wirksame Zusatzstoffe (zum Beispiel Emulgatoren, Stabilisatoren) aus, wodurch die Qualität und Sicherheit anfälliger für Veränderungen ist.
Lösung: Hygienische Produktionsbedingungen, engmaschige Qualitätskontrollen und sorgfältige Verpackung.
Risiko: Bio-Lebensmittel sind oft empfindlicher (zum Beispiel keine Wachsschichten auf Obst) und erfordern spezielle Lager- und Transportbedingungen.
Lösung: Temperaturüberwachung, geeignete Verpackung und kurze Lieferketten.
Die Lebensmittelsicherheit erfordert bei Bio-Lebensmitteln - wie bei allen anderen Lebensmitteln auch - eine konsequente Risikoanalyse und präventive Maßnahmen entlang der gesamten Produktionskette. Die besonderen Herausforderungen in der Produktion, die sich aus den strikten Bio-Vorgaben ergeben, können durch HACCP-Systeme effektiv gemanagt werden.
Schon gewusst? - Vorsorgekonzept stellt Öko-Integrität in Bio-Betrieben sicher! Jeder Bio-Betrieb muss neben den Maßnahmen zur Lebensmittelsicherheit besondere Vorsorgemaßnahmen treffen und eine lückenlose Rückverfolgbarkeit sicherstellen, um unzulässige Erzeugnisse oder unzulässige Stoffe im Rahmen der Bio-Produktion und der Bio-Vermarktung zu vermeiden. Das ist Teil der Sicherung der Bio-Integrität, um das Risiko einer Falschdeklaration als Bio und die Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher auszuschließen.
Welche Schritte sind notwendig, um ein HACCP Konzept einzuführen?
1. Ein HACCP-Teams benennen
Das Team sollte möglichst breit über alle Abteilungen hinweg aufgestellt sein. Die Mitglieder sollten Kenntnisse über Lebensmittelhygiene haben und mit den Prozessen und den Produkten des Unternehmens vertraut sein.
2. Realistische Gefahren und Risiken ermitteln
Im ersten Schritt werden die Gefahren und Risiken klassisch in drei Kategorien unterteilt:
Physikalische Gefahren wie Fremdkörper wie Glas- oder Metallteile
Biologische Gefahren wie Schädlinge oder krankheitserregende Keime wie Salmonellen oder E.coli-Bakterien
Chemische Gefahren wie Pestizide, Reinigungsmittelrückstände oder Allergene
Besonders Allergene sind aufgrund der zunehmenden Nahrungsmittelunverträglichkeiten in der Bevölkerung ein wichtiger Punkt, den Unternehmen in der Risikoanalyse separat berücksichtigen sollten.
Entscheidend bei der Gefahrenbewertung ist eine realistische Einschätzung der Risiken: Unwahrscheinliche Szenarien sollten nicht berücksichtigt werden. Stattdessen sollte auf Erfahrungen aus dem eigenen Betrieb zurückgegriffen werden, etwa durch Analyse von Fremdkörperfunden oder auffälligen mikrobiologischen Tests. Darüber hinaus sind Erkenntnisse aus der Branche hilfreich. So können Produktrückrufe bei Wettbewerbern auf bestimmte Risiken hinweisen.
Die Analyse erfolgt sowohl produktbezogen, um Gefahren im Endprodukt zu erkennen, als auch prozessbezogen, um Risiken während der Herstellung zu identifizieren und zu bewerten.
3. Gefahren und Risiken bewerten
Im nächsten Schritt werden drei wesentliche Kriterien zur Bewertung der Risiken berücksichtigt:
Auftreten: Wie häuft tritt dieser Fall ein?
Bedeutung: Wenn der Fall eintritt, welche Auswirkung hat dieser auf die Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchen
Entdeckung Wie wahrscheinlich ist es, dass ich es mitbekomme, dass ein Fall eingetreten ist?
Diese Kriterien helfen, Risiken strukturiert zu bewerten und gezielte Maßnahmen zur Minimierung zu entwickeln.
Tabelle: Bewertung der Risiken anhand von Auftreten, Bedeutung und Entdeckung
Wert
A (Auftreten)
B (Bedeutung)
E (Entdeckung)
1
Sehr gering: im Unternehmen ist kein Fall bekannt
Sehr gering: von der Verbraucherin oder dem Verbraucher nicht bemerkt und ohne Auswirkungen
Sehr hoch: kontinuierliche Überwachung; Abweichungen werden sicher festgestellt
2
Gering: Einmal im Jahr oder seltener
Gering: Unwohlsein bis leichte Beeinträchtigungen
Hoch: kontinuierliche visuelle oder manuelle Überwachung
3
Mäßig: einzelne Vorkommnisse
Mäßig: leichte Erkrankung oder Verletzung
Mäßig: wird durch Stichprobenprüfung erkannt
4
Hoch: häufiges Auftreten
Hoch: Krankenhaus oder längere Krankheit
Gering: Durch unregelmäßige Prüfungen werden Nichtkonformitäten oft nicht entdeckt
5
Sehr hoch: tritt mit relativ hoher Sicherheit auf
Sehr hoch: bleibende Schäden oder Todesfolge
Sehr gering: es existieren keine Überwachungsmaßnahmen
Beispiele für Risikobewertungen bei der Lebensmittelherstellung
Beispiel 1: Mottenbefall bei angelieferten Trockenfrüchten
Ein Unternehmen, das Trockenfrüchte verpackt, bewertet das Risiko von Mottenbefall wie folgt:
Auftreten: Kommt bei circa jeder 70. Anlieferung vor.
Bedeutung: Ekel bei der Verbraucherin oder dem Verbraucher, wenn sie oder er in der Packung Motten oder Larven von Motten findet.
Entdeckung: eher hoch, da Mottenbefall visuell gut erkennbar ist.
Beispiel 2: Verunreinigung mit Gluten
Ein Unternehmen, das sowohl glutenhaltige als auch glutenfreie Produkte herstellt, bewertet das Risiko einer Verunreinigung im Produkt wie folgt:
Auftreten: Realistische Gefahr, da eine Kontamination in Mischbetrieben möglich ist.
Bedeutung: Kann bei Verbraucherinnen und Verbrauchern massive gesundheitliche Probleme verursachen.
Entdeckung: Gering, da die Verunreinigung nur durch eine spezifische Produktanalyse nachweisbar ist.
Bewertung anhand der Risikoprioritätszahl (RPZ)
Die Bewertung der einzelnen Faktoren pro möglichem Risiko wird miteinander multipliziert und ergibt die so genannte Risikoprioritätszahl (RPZ):
Tabelle: Risikobewertung
Gefahr
Ursache
Auswirkung
A
B
E
RPZ
Motten in der Rohware
Während des Transportes wurde die Rohware unsachgemäß zwischengelagert
Ekel bei der Verbraucherin oder dem Verbraucher, wenn sie oder er Motten oder Larven in seinen abgepackten Trockenfrüchten findet.
2
1
2
4
Allergene im Produkt
Beim Hersteller werden auch allergene Produkte verarbeitet
Durch Verunreinigung gelangen diese Allergene in das Endverbraucherprodukt
3
4
3
36
Anhand der Risikoprioritätszahl (RPZ) wird das Gesamtrisiko eines Produktes oder Prozessschritts bewertet und Maßnahmen entsprechend priorisiert:
1 bis 15
Gesamtrisiko akzeptierbar
Beherrschung im Wege der allgemeinen Präventionsmaßnahmen (PRPs)
Operative Prävantivprogramme (oPRPs) betreffen prozessbezogene Risiken und erfordern festgelegte Eingriffskriterien, Überwachung und Dokumentation. Beispiele für oPRPS sind Zugangskontrollen oder spezielle Reinigungsmaßnahmen.
3. Kritische Kontrollpunkte: CCP (Critical Control Points)
Kritische Kontrollpunkte (CCPs) befinden sich an kritischen Stufen im Herstellungsprozess, an denen identifizierte Risiken direkt eliminiert oder auf ein akzeptables Maß reduziert werden können. Für jeden CCP gilt es folgende Aspekte festzulegen:
Kontrollhäufigkeiten
Grenzwerte (zum Beispiel Temperaturgrenzen)
Maßnahmen bei Grenzwertüberschreitungen
Typische Beispiele für CCPs in Lebensmittelunternehmen sind die Überwachung von Erhitzungs- oder Kühltemperaturen oder die Metalldetektion am Ende der Produktionslinie.
Der HACCP Entscheidungsbaum
Ein wichtiges Instrument, um festzulegen, ob ein CCP oder oPRP vorliegt, ist der so genannte HACCP Entscheidungsbaum.
Abbildung: Entscheidungsbaum zur Feststellung und Lenkung von Critical Control Points (CCPs), Quelle: Ecocert
4. HACCP-Plan erstellen
Die ermittelten Erkenntnisse werden in einem sogenannten HACCP-Plan dokumentiert. Dieser Plan definiert für jeden CCP (Critical Control Point = kritische Kontrollpunkte) oder oPRP (operational PRP = operative Präventivprogramme) die folgenden Punkte:
Kontrollmaßnahmen: Welche Maßnahmen werden durchgeführt? (Zum Beispiel Überprüfung der Erhitzungstemperatur)
Kontrollhäufigkeit: Wie oft finden die Kontrollen statt? (Zum Beispiel alle 15 Minuten)
Verantwortlichkeit: Wer führt die Kontrollen durch? (Zum Beispiel der Anlagenführer.
Grenzwerte: Welche Werte müssen eingehalten werden? (Zum Beispiel eine Mindesttemperatur von 80 °C.
Maßnahmen bei Grenzwertverletzungen: Was passiert, wenn die festgelegten Werte nicht erreicht werden? (Zum Beispiel Ausschleusen und Vernichten betroffener Produkte, bis die Temperatur wieder den Anforderungen entspricht.)
5. HACCP-Plan schulen und umsetzen
Sichere Bio-Produktion: Marmelade verlässt das Fließband nach strenger Qualitätskontrolle gemäß HACCP-Konzept.
Foto: Ecocert
Alle Mitarbeitenden müssen umfassend in den Inhalten des HACCP-Plans geschult werden, da sie in der Produktion direkt für die Überwachung der Lenkungspunkte verantwortlich sind und bei Abweichungen sofort handeln müssen.
Ebenso ist eine lückenlose Dokumentation der Kontrollen an den Lenkungspunkten entscheidend. Im Fall eines Vorfalls kann so nachgewiesen werden, dass alle erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden, um die Gesundheitsrisiken für Verbraucherinnen und Verbraucher so gering wie möglich zu halten.
6. HACCP-Konzept regelmäßig prüfen
Das HACCP-Team sollte den Plan mindestens einmal jährlich überprüfen, um sicherzustellen, dass die Risikobewertung weiterhin gültig ist. Änderungen an Produkten oder Prozessen können eine Neubewertung erfordern. Falls notwendig, müssen der Plan angepasst, neue CCPs oder oPRPs definiert und Grenzwerte für Lenkungspunkte aktualisiert werden.
Die Anwendung des HACCP-Konzepts in Bio-Betrieben unterstreicht die hohen Standards der ökologischen Lebensmittelproduktion. Durch präzise Risikoanalysen und gezielte Maßnahmen können Bio-Produkte sicher, hochwertig und den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher entsprechend produziert werden.
Autorinnen: Carola Benz und Dr. Ines Hensler, Ecocert
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