Klimakrise und Bio-Kartoffelanbau

Klimawandel erschwert den Bio-Kartoffelanbau

Was viele Menschen freut, lässt Landwirtinnen und Landwirte auf Dauer verzweifeln: wochenlang keinen Tropfen Regen. Die Klimakrise ist längst auf dem Acker angekommen. Wie sehr die Pflanzen jetzt schon unter Dürre und weiteren Wetterextremen leiden, lässt sich am Beispiel Kartoffeln zeigen. Heiko Dreyer vom Verein der Bio-Kartoffel Erzeuger e.V. erläutert im Interview, wie Bio-Bäuerinnen und -Bauern die Ernte unseres Grundnahrungsmittels zu sichern versuchen.

Oekolandbau.de: Wie reagieren Ihre Bio-Kartoffeln auf die immer häufigeren Dürreperioden?

Heiko Dreyer: Im Gegensatz zu Getreide keimen Kartoffeln auch bei Trockenheit. In der Knolle ist Wasser gespeichert. Aber zum Wachsen brauchen sie natürlich Wasser. In trockenen Jahren wie 2018 haben wir nur 12 bis 13 Tonnen pro Hektar – ungefähr die Hälfte des normalen Ertrags – geerntet. In nassen Jahren können wir auf unseren schweren Marschboden kaum noch fahren und ernten. Die vielen Wetterextreme  – wochenlange Trockenheit oder Dauerregen – machen uns sehr zu schaffen.

Oekolandbau.de: Die Zahl der extremen Hitzetage hat sich in Europa seit 1950 verdreifacht. Wie verkraftet das die aus Südamerika stammende Kartoffel?

Dreyer: Auch Hitze stresst die Kartoffeln. Ab 25 Grad stellen sie ihr Wachstum ein. Durch den Klimawandel müssen wir unsere Kartoffeln immer früher ernten. Statt im September meist schon Mitte August. Wenn der Boden dann noch ausgetrocknet ist, können die Erntemaschinen die Knollen kaum aus dem steinharten Boden holen. Sie werden dann leicht beschädigt. Lange im Boden lassen, können wir sie auch nicht. Dann kommen die Drahtwürmer.

Oekolandbau.de: Können Sie denn keine Kartoffelsorten anbauen, die Hitze besser vertragen?

Dreyer: Jein. Noch gibt es keine Sorten, die der Hitze und Trockenheit trotzen. Die Pflanzenzüchtung hinkt naturgemäß immer ein bisschen zurück: Bis eine neue Kartoffelsorte auf den Markt kommt, dauert es schließlich fünfzehn bis zwanzig Jahre. Aber Hitze- und Trockenheitstoleranz wird künftig in der Pflanzenzüchtung eine große Rolle spielen.

Oekolandbau.de: Passen sich Bio-Kartoffeln besser an den Klimawandel an als konventionelle?

Dreyer: Es scheint so. Auf jeden Fall hatten die BKE-Betriebe im Hitzejahr 2018 weniger Ertragsrückgänge als die konventionellen Betriebe. Wir führen das vor allem auf den Boden zurück. Bio-Betriebe achten auf abwechslungsreiche Fruchtfolgen, eine gute Bodenstruktur und hohe Humusgehalte. Ein humusreicher Boden speichert mehr Wasser und kann die Pflanzen dadurch besser mit Wasser und Nährstoffen versorgen.

Oekolandbau.de: Was bedeutet der Klimawandel für die Kartoffel-Erzeugerinnen und Erzeuger?

Dreyer: Immer mehr Betriebe haben in den letzten Jahren in eine Beregnungsanlage investiert. Viele Kartoffelbauern in Niedersachsen haben bereits Brunnen gebohrt und bewässern ihre Früchte. In unserem Betrieb geht das nicht. Daher denken wir über ein künstliches Speicherbecken nach, um im Winter das Regenwasser zu sammeln. Schwieriger wird es auch, die Kartoffeln zu lagern. Um lange zu halten, muss die Knolle auf fünf Grad gekühlt werden. Bisher haben wir in unserem Lager die Kartoffeln einfach nachts mit der kühlen Außenluft belüftet. Aber wenn die Nächte immer wärmer werden, reicht das nicht mehr aus. Daher müssen wir in eine Halle mit mechanischer Klimaanlage investieren.

In Deutschland werden circa 12.000 Hektar Bio-Kartoffeln angebaut. Dreiviertel der Ernte verkaufen Lebensmittel-Einzelhandel und Discounter. Anders als bei Bio-Gemüse ist Deutschland bei Bio-Kartoffeln Selbstversorger.

Oekolandbau.de: Hat die Kartoffel überhaupt noch eine Zukunft bei uns, wenn die Produktion und Ernte immer aufwändiger werden?

Dreyer: Auf jeden Fall. Die Kartoffel ist hierzulande ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Wenn die Betriebe beregnen können, bringt die Kartoffel in Deutschland gute Ernten. Allerdings verteuern höhere Produktions- und Lagerkosten die Ernte. Die Verbraucher müssen mit einem Drittel höheren Kosten für Bio-Kartoffeln rechnen. Aber natürlich bauen wir in Zukunft mehr Kulturen an, die Hitze und Dürre vertragen. Schon jetzt wachsen bei uns in Niedersachsen Soja, Süßkartoffeln und Quinoa.


Letzte Aktualisierung 10.05.2023

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