BioBitte: Frau Kaßner, beim BioBitte-Vernetzungsworkshop sprach der fachliche Leiter der Grünen Hauptstadt Agentur (GHA) Kai Lipsius von einem "großen Motivationsschub, um das Thema "Mehr Bio in der Gemeinschaftsverpflegung" nun mit einer Vielzahl an Akteuren angreifen zu können." Wie motiviert sind Sie nun rund sechs Monate später?
Gerda Kaßner: Kai Lipsius lag da absolut richtig. Die Vernetzung und Begeisterung aller nach der Veranstaltung hat vieles auf den Weg gebracht. Nicht zuletzt, dass nach nur drei Monaten, im Dezember 2020 das erste "KlimaMenü" in der Kantine des Rathauses serviert und auch an Schulen und Kitas geliefert wurde.
Bereits im November 2020 hat sich auf Initiative der GHA der Runde Tisch Klima und Ernährung gegründet. Bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Stadt Essen (Schulverwaltung, Fachberatung Ernährung des Jugendamtes), der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung, Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, des Regionalen Bildungsnetzwerks Schule, des Ernährungsrats Essen, der Leitung des Berufskollegs Ernährung und Hauswirtschaft sowie Sozial- und Gesundheitswesen. Ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen ermöglichen einen einfachen Zugang zu den Ergebnissen bereits durchgeführter Projekte und Studien – dies hat den praktischen Umsetzungsprozess immer wieder unterstützt und vorangebracht.
BioBitte: Wie haben Sie das Thema "Mehr Bio in der Gemeinschaftsverpflegung" denn in Angriff genommen?
Gerda Kaßner: Das Thema lebt von der intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Ernährungsrat Essen und der GHA, die gemeinsam abgestimmt und kontinuierlich – gerne auch unkompliziert und auf Zuruf – Ideen umsetzt. Besonders freut uns, dass wir wirklich bei ganz vielen Akteuren offene Türen einrennen und viel Rückenwind erfahren. Hier möchte ich ausdrücklich die städtische Gesellschaft RGE nennen, die viele städtische Schulen und Kitas beliefert und die Gastronomie im Rathaus betreibt.
Eine wichtige Grundlage für mehr Bio in der GV ist der Ratsbeschluss vom August 2020, in dem die Erarbeitung einer Ernährungsstrategie für die Stadt Essen gemeinsam mit dem Ernährungsrat Essen beschlossen wurde. Die Essener Ernährungsstrategie soll zu einer treibenden Kraft in den Bereichen Regionalität, Nachhaltigkeit, Fairness sowie gesunder und bezahlbarer Verpflegung für alle werden.
Als Leitprojekt der Ernährungsstrategie für die Stadt Essen gilt das Projekt "Zukunftsküche Essen". Die "Zukunftsküche Essen" wurde als Ort der Bildung und Weiterbildung für die ökologische Gemeinschaftsverpflegung und zur Förderung regionaler und ökologischer Landwirtschaft gegründet.
BioBitte: Was wurde bereits umgesetzt?
Gerda Kaßner: Die Zukunftsküche ist gegründet – virtuell – und sucht aktuell nach einem Ort, der es ermöglicht Kurse und Seminare auch in Präsenz zu veranstalten. Die Konzeption ist weit gediehen, an der Umsetzung arbeiten wir intensiv.
Konkret: Mit der Pilotphase mit sechs Küchen der GV im Zusammenhang mit den "KlimaMenüs" ist der erste konkrete Schritt auf die "Zukunftsküche" hin gemacht. Die Zusammenarbeit mit diesen Küchen soll ausgebaut werden. Im nächsten Schritt werden weitere Küchen dazu kommen, die ebenfalls das "KlimaMenü" anbieten. Parallel werden Mittel akquiriert, um die notwendige personelle Basis besser auszustat-ten.
BioBitte: Was können wir in der Zukunftsküche Essen erwarten?
Gerda Kaßner: Im Projekt Zukunftsküche geht es um die Fragen: Wie kann eine klimafreundliche Ernährung in Kantinen, Kitas und Schulen aussehen? Wie können bekannte Rezepte mit klimaschonenden Zutaten neu kreiert werden? Wie schmeckt das "Klimamenü" – eine Umstellung mit Genuss?
In kleinen Schritten soll es weiter gehen zur Zukunftsküche Essen. Die Zukunftsküche Essen will die klimafreundliche und gesunde Gemeinschaftsverpflegung in der Stadt fördern: Mahlzeiten in öffentlichen Küchen sollen gesünder, frischer, schmackhafter und nachhaltiger werden: Bio, regional und saisonal für jeden Tag lautet das Ziel.
Die Zukunftsküche soll in der Zukunft neben Schulungen und Vernetzungsangeboten für Unternehmen auch Kindern als Lernort offenstehen. Darüber hinaus können sich interessierte Bürgerinnen und Bürger über klimafreundliches Kochen informieren. Sie alle werden in der Zukunftsküche eine Anlaufstelle finden.
BioBitte: Gibt es einen konkreten Zeithorizont für die Eröffnung der Zukunftsküche?
Gerda Kaßner: Die "Eröffnung" ist nicht konkret an einen Ort gebunden. Der Ernährungsrat und die GHA suchen für die Zukunftsküche ein "Zuhause" – allerdings wird die weitere Arbeit zunächst von einem kleineren Büro aus gestartet. Der Ernährungsrat hat mit anderen Initiativen in der Essener Innenstadt Räumlichkeiten anmieten können, an denen ein solcher Start möglich ist. Konkret benennen werden wir diesen Start allerdings erst, wenn es weitere Mittelzusagen gibt. In der Zwischenzeit liegt der Schwerpunkt auf der Pilotphase mit ausgewählten Küchen.
BioBitte: Im Dezember haben Sie ein "KlimaMenü" vorgestellt – was kann man sich darunter vorstellen? Wie ist die Resonanz darauf unter den Gästen, aber auch bei den weiteren Beteiligten, wie Küchen, Lieferanten?
Gerda Kaßner: Das zusammen mit dem Ernährungsrat Essen vorgestellte "KlimaMenü" war der Startschuss, um bekannte Gerichte und Rezepturen unter dem Blickwinkel der CO2-Reduzierung zu verändern. Der Anteil der Bio-Zutaten ist für uns ein wichtiger Fokus – die CO2-Reduzierung ist dabei ebenso wichtig und ist ein entscheidender Einstieg in die Umstellungsdiskussion. Das "KlimaMenü" wurde bereits in sechs Küchen angeboten.
Die Resonanz in den beteiligten Küchen war durchweg positiv. Auch künftig soll das "KlimaMenü" mindestens einmal pro Woche, in manchen Küchen sogar zweimal am Tag angeboten werden. Aber auch die belieferten Kindertagesstätten und Schulen haben das Angebot positiv angenommen. Die Küchen haben diese Gelegenheit teilweise dazu genutzt, ihre Kundenansprachen zu überdenken und neu zu formulieren.
BioBitte: Mit welchen Akteuren arbeiten Sie gemeinsam daran, den Bio-Anteil in öffentlichen Küchen zu erhöhen?
Gerda Kaßner: Wir unterstützen den Ernährungsrat Essen – dort besonders die AG Zukunftsküche – in der Erarbeitung von Konzepten, um den Bio-Anteil in der (öffentlichen) GV zu erhöhen. Durch gemeinsame Workshops konnten wir sowohl Unterstützung in der Verwaltung der Stadt Essen – zum Beispiel im Schulverwaltungsamt – als auch an verschiedenen Schulen gewinnen. Auch zwischen der städtischen RGE und dem Ernährungsrat Essen hat sich eine direkte, konstruktive Zusammenarbeit gebildet.
Die Akteurinnen und Akteure des Runden Tisches Klima und Ernährung habe ich bereits erwähnt. Dabei geht es auch darum Wissen und Erfahrungen zu nutzen um Ausschreibungen zur GV anzupassen und das Ernährungsumfeld zu hinterfragen und zu verändern.