Aber auch im Ökolandbau haben Leistung und Wirtschaftlichkeit mit nachhaltiger Wirtschaftsweise zu tun. Wenn die Tiere sehr langsam wachsen, bedeutet das einen großen Verbrauch von Ressourcen. Wir haben schon jetzt vergleichsweise hohe Eiweiß- und Phosphorüberschüsse. Deshalb sollten wir die Versorgung mit hochwertigem Eiweiß nicht noch weiter absenken.
Oekolandbau.de: Warum lässt sich die Lücke an hochwertigem Eiweiß nicht mit Importen oder mehr heimischem Bio-Kartoffeleiweiß decken?
Wucherpfennig: Gerade bei Bio-Eiweißfuttermitteln haben wir schon lange einen hohen Import-Bedarf. Doch für die importierten Futtermittel gilt das gleiche wie für heimische Ware: Das Eiweiß ist nicht hochwertig genug und reicht nicht für den letzten Kick an essenziellen Aminosäuren, den wir bei Jungtieren brauchen. Eine Ausdehnung des Bio-Kartoffelanbaus für mehr Kartoffeleiweiß, das zudem nur in sehr geringen Mengen anfällt, scheitert daran, dass für Kartoffelstärke in Bio-Qualität kaum Nachfrage besteht.
Oekolandbau.de: Was ist mit alternativen Eiweißquellen wie Algen, Insekten oder Proteinkonzentraten aus Grünlandschnitt? Welche Alternativen haben aus Ihrer Sicht das größte Potenzial?
Wucherpfennig: Wir sind bei der Entwicklung alternativer Eiweißfuttermitte schon sehr weit gekommen. Aber alle neuen Komponenten sind aus meiner Sicht noch keine echten Alternativen für die Praxis. Bei Fischmehl sehe ich Probleme bei der Verbraucherakzeptanz. Die Insektenerzeugung ist aufwendig und sehr teuer, vor allem wenn hier hochwertiges Bio-Futter eingesetzt wird. Algen konnten in den bisherigen Untersuchungen nicht überzeugen.
Eiweißextrakte aus Grünland sind interessant, aber bisher noch im Forschungsstadium. Auch bei fermentierten Aminosäuren gab es bisher noch keine überzeugenden Ergebnisse. Interessant könnten synthetisch hergestellte Aminosäuren sein, die aber nach EU-Bio-Verordnung nicht zugelassen sind. Die hohen Leistungen bei konventioneller Haltung wären ohne diese synthetischen Aminosäuren nicht denkbar.
Oekolandbau.de: Wären synthetische Aminosäuren eine Chance für den Ökolandbau, wenn sie nicht mit Gentechnisch Veränderten Organismen (GVO) hergestellt werden?
Wucherpfennig: Das wäre eine komplette Lösung und ein absoluter Gamechanger. Damit wäre eine ausreichende Versorgung der Tiere gesichert und ihre Gesunderhaltung. Gleichzeitig ließen sich Eiweißüberschüsse vermeiden und heimische Leguminosen könnten besser genutzt werden. Aber: Bio und synthetische Futterergänzer passen nicht gut zusammen. Dennoch meine ich, man sollte dieses Werkzeug nicht vorschnell aus der Hand geben und die Vor- und Nachteile gut gegeneinander abwägen. Genau das passiert gerade in der Branche, das Thema wird aktuell als eine von mehreren Alternativen zur optimalen Eiweißversorgung diskutiert.
Elementare Voraussetzung für eine Zulassung im Ökolandbau wäre natürlich die Erzeugung dieser Aminosäuren ohne GVO. GVO spielen bei fermentativ hergestellten Aminosäuren eine große Rolle, aber nicht bei der chemischen Synthese von zum Beispiel Methionin, die eher der Produktion der im Ökolandbau zulässigen fettlöslichen Vitamine A, D und E gleicht.
Oekolandbau.de: Würde das nicht das positive Image des Ökolandbaus belasten?
Wucherpfennig: Ich glaube, für Verbraucherinnen und Verbraucher wäre das kein Thema. Schließlich haben wir gute Argumente, weil wir damit klimaschonender arbeiten und das Tierwohl verbessern. Außerdem ist die aktuelle Regelung mit der Zulassung konventioneller Futtermittel ja auch nicht optimal.