Hof Pente: die Erweiterung der gemeinschaftsgetragenen Perspektive

Hof Pente: die Erweiterung der gemeinschaftsgetragenen Perspektive

Tobias Hartkemeyer gründete zusammen mit seiner Frau den Solawi Hof Pente. Aus der "Gemeinschaftsgetragenen Landwirtschaft" ist inzwischen ein "Gemeinschaftsgetragenes Allesmögliche" geworden: Mit Reparatur-Café-Treffs, offenen Musik-Treffs oder Kochclub-Treffs schafft Hof Pente Räume für eigenes Engagement, um die Gemeinschaftskultur und den Begegnungsraum zu fördern.

Oekolandbau.de: Wie kam es zur Gründung der Solawi auf Hof Pente? 

Hartkemeyer: Für meine Frau und mich war klar, dass wir nicht allein und einseitig für einen anonymen Markt produzieren wollten. Wir wollten einen Hof der Vielfalt, gemeinsam mit und für andere Menschen. In einer Zeit, in der Erwachsene und Kinder immer weniger mit der Herkunft ihrer Lebensmittel, mit Pflanzen und Tieren zu tun haben, erschien uns das besonders sinnvoll. Wir stellten den Betrieb auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise um und starteten 2010 den Solawi Hof Pente mit circa 40 Ernteanteilen. Heute sind Familie Funke, Gärtnermeister Tobias Czech und weitere feste und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Gestalterinnen und Gestalter auf dem landwirtschaftlichen Betrieb.

Wir wollten einen Hof der Vielfalt, gemeinsam mit und für andere Menschen.

Oekolandbau.de: Können Sie uns einen kurzen Überblick über die Solawi auf Hof Pente geben?

Hartkemeyer: Die Solawi hat zwischen 300 und 350 Ernteanteile und bewirtschaftet 40 Hektar, davon circa 4,5 Hektar mit Gemüseanbau. Das Futter für das Rote Höhenvieh, die Herde der Walachenschafe, die Legehennen inklusive Bruderhahnaufzucht, die Schweinezucht und die Legeenten wird zum großen Teil auf eigenen Flächen angebaut. Auf dem Hof leben derzeit circa 20 Personen im Alter von 1 Jahr bis 67 Jahren. Zehn Menschen arbeiten in der Landwirtschaft und zehn im Bildungsverein. Urproduktion und handlungsorientierte pädagogische Bildung sind im Alltag eng und selbstverständlich miteinander verbunden und befruchten sich gegenseitig. 

Oekolandbau.de: Haben Sie Tipps zur Gründung einer Solawi? Was macht eine gut funktionierende Solawi aus?

Hartkemeyer: Solawi ist mehr als die direkte Versorgung mit Lebensmitteln. Solawi ist ein konkreter Ansatz für Biodiversität, Kulturlandschaftsentwicklung, solidarisches Wirtschaften und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Als Solawi-Mitglied oder Solawista ist man dabei, Teil einer Lösung für viele aktuelle Probleme zu werden. Das muss immer wieder kommuniziert, erfahrbar und erlebbar werden. Nur dann kann es funktionieren. Daher geht es auch darum, den Hof als Begegnungsort zu entwickeln, an dem persönliche Beziehungen zu den Mitgliedern und zwischen den Mitgliedern entstehen können. Im Mittelpunkt steht die Wiederverbindung mit der Landwirtschaft und Kulturlandschaft als Ursprung sowie Gesundheit, Vielfalt und gesunde Lebensmittel. Grundsätzlich gibt es viele Möglichkeiten, Solawis zu gestalten, der Hof Pente liegt in Stadtnähe, so dass viele Menschen gerne am Freitagnachmittag zum Abholtag auf den Hof kommen, Freunde treffen, bei der Ernte mithelfen und die Zeit für einen Kurzurlaub nutzen. Andere Solawis setzen mehr auf Verteilstellen in der Stadt und müssen andere Kommunikationswege nutzen, um die Inspiration der SolaWi-Idee zu vermitteln. 

Solawi ist mehr als die direkte Versorgung mit Lebensmitteln. Solawi ist ein konkreter Ansatz für Biodiversität, Kulturlandschaftsentwicklung, solidarisches Wirtschaften und Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Oekolandbau.de: Welche Vorteile bietet eine Solawi?

Hartkemeyer: Solawi ist ein ganzheitlicher Ansatz, bei dem es nicht um das einzelne Lebensmittel geht, sondern um die Finanzierung der gesamten Landwirtschaft. Die Mitglieder erhalten gute, vielfältige, frische und regionale Lebensmittel und gewinnen Transparenz. Außerdem erhalten sie Zugang zu Erfahrungsräumen und Bildung. Für die Landwirtschaft bedeutet es mehr Planungssicherheit und mehr Unterstützung durch eine Gemeinschaft. Das Risiko wird geteilt und es entsteht mehr Spielraum für ökologische Ansätze. Mehr Aufwand für die Förderung der Bodenfruchtbarkeit oder artgerechte Tierhaltung oder der Anbau samenfester Sorten kann besser kommuniziert werden. 

Oekolandbau.de: Sie sind Vorstandsmitglied des Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. Was macht das Netzwerk und warum sollte sich ein Solawi-Betrieb beim Netzwerk registrieren lassen?

Das Netzwerk bietet Kontakt- und Beratungsmöglichkeiten, regionale und internationale Vernetzung und vieles mehr rund um das Thema Solidarische Landwirtschaft.

Hartkemeyer: Die Solidarische Landwirtschaft geht in vielen Bereichen neue Wege, das ist kein Selbstläufer und man muss auch nicht alles selbst ausprobieren. Es gibt bereits viel Erfahrungen. Das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft engagiert sich für den Erhalt und die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft, in der die Erzeugenden und die Menschen, die sich davon ernähren, verbindlich zusammenarbeiten und Landwirtschaft als gesellschaftliche Verantwortung verstehen. So entwickeln wir uns langsam von reinen Verbraucherinnen und Verbrauchern zu mitgestaltenden Prosumentinnen und Prosumenten, also Menschen, die nicht nur konsumieren, sondern auch prosumieren – also mitgestalten.

Das Netzwerk bietet Kontakt- und Beratungsmöglichkeiten, regionale und internationale Vernetzung und vieles mehr rund um das Thema Solidarische Landwirtschaft. Darüber hinaus stehen wir im Austausch mit anderen Organisationen im In- und Ausland. Unser Anliegen: Möglichst vielen Menschen die Gelegenheit zu geben, sich einzubringen und die Bewegung mitzugestalten. 

Oekolandbau.de: Neben CSA (Community Supported Agriculture – Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft) taucht auf der Webseite von Hof Pente die Abkürzung CSX auf. Was verbirgt sich dahinter?

Das "X" in CSX steht dabei für "everything" und bedeutet damit "Gemeinschaftsgetragenes Allesmögliche". Wir versuchen damit, den kulturellen Aspekt weiterzuentwickeln.

Hartkemeyer: Die Solidarische Landwirtschaft oder Community Supported Agriculture stellt eine zukunftsweisende Wirtschaftsform – jenseits von Turbokapitalismus und Kommunismus – dar. Dabei stellt sich die Frage, wie die Haltung, die dieser Gemeinschaftsgetragenen Wirtschaftsform zugrunde liegt, auf andere Bereiche ausgedehnt werden kann. Das "X" in CSX steht dabei für "everything" und bedeutet damit "Gemeinschaftsgetragenes Allesmögliche". Wir versuchen damit, den kulturellen Aspekt weiterzuentwickeln. Zum Beispiel durch Reparatur-Café-Treffs, durch gemeinschaftlich getragene Hof-Café-Treffs am Abholtag, durch offene Musik-Treffs, durch einen Kräuter- und Heilpflanzengarten oder durch Kochclub-Treffs mit Einmach- und Verarbeitungstipps. Damit versuchen wir, Räume für eigenes Engagement zu öffnen, um die Gemeinschaftskultur und den Begegnungsraum zu fördern.   

Oekolandbau.de: Welche Angebote bietet Hof Pente als Bildungs- und Lebenslernort noch an?

Hartkemeyer: Auf dem Hof haben wir einen Kindergarten und die Freie Hofschule Pente bis Klasse 12, eine Waldorfschule mit einem Schwerpunkt auf Bildung für Nachhaltige Entwicklung und beruflicher Bildung für die Bereiche Landwirtschaft und Erziehung. Die Schule ist eng mit dem Hof verbunden und bietet viele handlungsorientierte und lebenspraktische Lernmöglichkeiten. Auch für Erwachsene gibt es zahlreiche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in den Bereichen Landwirtschaft, Gartenbau, Kindheitspädagogik und Lernbegleitung

Oekolandbau.de: Sind die Klimakrise und steigende Lebensmittelpreise Themen, die die Mitglieder der Solawi beschäftigen? Wie nehmen Sie hier die Stimmung wahr? Und welche Kompensationsmöglichkeiten bietet eine SolaWi in Krisenzeiten?

Hartkemeyer: In der Solidarischen Landwirtschaft ist es einfacher, neue Lösungsansätze zu kommunizieren und auszuprobieren, hier helfen gemeinschaftliche Ansätze, die Auswirkungen von Krisen abzufedern und gleichzeitig eine nachhaltige und resiliente Landwirtschaft zu fördern. 

Einerseits werden Menschen gezielt Mitglied, um Lösungsansätze für vielfältige Herausforderungen mitzugestalten, andererseits merken wir auch, dass die Deutschen beim Essen einfach gerne sparen und in Krisenzeiten besonders versuchen, ihr Geld zusammenzuhalten und möglichst günstig einzukaufen. Bei uns verpflichten sich die Mitglieder in der Regel, für ein Jahr dabei zu bleiben, danach gibt es immer welche die auch wieder aufhören. In den letzten Jahren bedurfte es keiner Anstrengung, die leeren Plätze wieder aufzufüllen. Jetzt müssen wir uns schon mehr darum bemühen, die Plätze wieder voll zu bekommen. Abokisten vom Großhandel bieten das – scheinbar – Rundum-Sorglos-Paket mit Bananen und Tomaten das ganze Jahr über. Die Solawi fordert uns immer wieder heraus, ein gesundes Maß zu entwickeln und mit dem zu kochen, was regional und saisonal verfügbar ist. 

Alle, die mehr über CSA wissen möchten, können sich noch für den folgenden Termin anmelden:

Make CSA – Grundlagen für den Start einer Wirtschaftsgemeinschaft im Ökolandbau, 28. September 2024, von 10:00 bis 17:00 Uhr in 96187 Stadelhofen


Letzte Aktualisierung 27.08.2024

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