Dann war es Zeit für etwas Eigenes, und zwar mit Schwerpunkt auf wesensgemäßer, naturnaher Milchviehhaltung. Auf dem Hof weiden ganzjährig 30 Kühe alter Zweinutzungsrassen auf Naturschutzflächen des Nationalparkvereins Unteres Odertal, nordöstlich von Berlin an der polnischen Grenze. Daran ist gleich mehreres besonders: „Wir ziehen unsere Kälber nicht von den Kühen getrennt auf“, erklärt Anja Hradetzky. „So ist das soziale Lernen in der Herde stärker. Sie trinken die erste Woche direkt bei der Mutter, danach behält eine Kuh ihr Kalb, wenn sie ein zweites adoptiert. Die Mutter des Zweiten kann es besuchen und wird von uns gemolken.“ Auch die männlichen Kälber wachsen auf der Weide auf und werden im Alter von drei Jahren geschlachtet. Natürlich behalten alle Tiere ihre Hörner.
Der Herausforderung, dass die Weiden weit vom Dorf entfernt sind, begegnen die Hradetzkys pragmatisch mit einem Weidemelkstand. Direkt im Nationalpark wird gemolken. Seit 2020 darf sogar auf der Weide geschlachtet werden. Zudem gibt Anja Hradetzky Seminare im stressarmen Umgang mit Herdentieren, dem „Low Stress Stockmanship“. Als Trainerin für wesensgemäße Tierhaltung spricht sie auf Tagungen und liest aus ihrem Buch „Wie ich als Cowgirl die Welt bereiste und ohne Land und Geld zur Bio-Bäuerin wurde“.