Milchkühe mit Hörnern zu halten, ist im Öko-Landbau erwünscht und zum Teil sogar vorgeschrieben. Für dieses Konzept sprechen ein verbessertes Tierwohl durch Verzicht auf die schmerzhafte Enthornung und die Bedeutung der Hörner für die Kühe, etwa zur Kommunikation oder Körperpflege. Zudem kann mit diesem Ansatz die Genetik horntragender Kühe erhalten werden und es entspricht dem Grundsatz, die Haltungsbedingungen an die Tiere anzupassen und nicht die Tiere an die Haltung.
Allerdings können auch Tierwohlprobleme auftreten, da das Verletzungsrisiko bei sozialen Auseinandersetzungen in horntragenden Herden größer ist als bei hornlosen Kühen. Verbreitet sind Hautschäden – von oberflächlichen Kratzern bis zu tiefen Wunden – sowie Blutbeimengungen in der Milch, die durch Hornstöße ins Euter entstehen. Solche Schäden beeinträchtigen die Leistung der betroffenen Tiere und die Qualität der Milch.
Horntragende Kühe brauchen mehr Platz
Um Verletzungen zu vermeiden, müssen Betriebe das Management, die Herdenführung und den Laufstall an die Bedürfnisse der Tiere anpassen. Auf Stallebene bedeutet dies vor allem, Bereiche, in denen Konkurrenz zwischen den Tieren entstehen kann, zu vermeiden oder zu entschärfen. Das gilt insbesondere für den Wartebereich vor dem Melkstand sowie für die Fress- und Liegebereiche, die großzügig gestaltet sein sollten.
Deshalb sind Ställe für horntragende Kühe im Vergleich zu hornlosen Herden in der Regel größer. Bewährt haben sich Flächenangebote ab 13 Quadratmetern pro Kuh, inklusive Laufhoffläche. Ein vierjähriges BÖL-Forschungsprojekt der Universität Kassel auf 39 Praxisbetrieben zeigte jedoch, dass die Haltung horntragender Kühe auch mit einem geringeren Platzangebot erfolgreich möglich ist. Voraussetzung dafür ist, dass die übrigen Bedingungen optimal auf die Tiere ausgerichtet sind.
Den Stall horngerecht anpassen
Dazu gehören im Stall zum Beispiel breite Lauf- und Durchgänge, eine klare Trennung von Fress-, Liege- und Melkbereich, möglichst mehr Fress- und Liegeplätze als Kühe und genügend Tränken (eine Tränke für maximal zehn Kühe), die von drei Seiten zugänglich sein sollten. Selbst potenzielle Problembereiche wie Sackgassen erhöhen nicht automatisch das Risiko für Verletzung, wenn andere Voraussetzungen im Stall stimmen. Das zeigten die Untersuchungen auf den Praxisbetrieben. Auch Weidegang wirkt sich deutlich positiv aus, da die Konkurrenz unter den Kühen hier am geringsten ist und die Tiere sich bei Bedarf problemlos aus dem Weg gehen können.
Um Konkurrenz am Futtertisch zu verringern, sollte im Stall ein verschließbares Fressgitter vorhanden sein, in dem alle Tiere nach jedem Melkdurchgang zum Fressen sicher fixiert werden können. Ein nicht sicher schließendes Fressgitter kann das gesamte Klima in der Herde negativ beeinflussen. Solche Schwachstellen gilt es frühzeitig zu erkennen und, soweit möglich zu beheben.
Leitfaden deckt Schwachstellen auf
Orientierung bietet dabei ein von 2014 bis 2018 entwickelter Leitfaden der Universität Kassel, der gemeinsam mit Beraterinnen und Beratern der Verbände Bioland und Demeter entwickelt wurde. Die Empfehlungen beruhen auf Vorschlägen der Fachliteratur, projekteigenen Untersuchungsergebnissen und Praxiserfahrungen, die im erwähnten BÖL-Projekt gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten der beteiligten Betriebe gesammelt wurden.
Mit dem sogenannten Werkzeugkasten für die Haltung horntragender Milchkühe können Betriebe zunächst überprüfen, ob in der Herde eine kritische Zahl an Schäden durch Hornstöße vorliegt. Denn die Häufigkeit von Verletzungen an den Tieren ist der entscheidende Indikator für bestehende Schwachstellen im Betrieb.
Den Stall individuell anpassen
Besteht Handlungsbedarf, können mögliche Ursachen für ein erhöhtes Verletzungsrisiko über eine Anleitung zur Beobachtung der Tiere ausgemacht und mithilfe vorgefertigter Formulare dokumentiert werden. Für jeden Stall- und Managementbereich bietet der Werkzeugkasten eine Auswahl verschiedener Lösungen zur Optimierung, die von der Betriebsleitung je nach individuellen betrieblichen Voraussetzungen umgesetzt werden können.
Die Schwachstellenanalyse auf den 39 Praxisbetrieben zeigte, dass die meisten Auseinandersetzungen im Wartebereich des Melkstands und am Fressgitter stattfinden. Weitere kritische Bereiche sind besondere Stalleinrichtungen wie Kraftfutterstationen, Tränken, Bürsten, Lecksteine oder der Liegeboxenbereich.