Oekolandbau.de sprach mit der Nachhaltigkeitsmanagerin Lena Mohrlüdervon der Ulrich Walter GmbH (Lebensbaum) und dem Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements Henning Osmers-Rentzsch von der Vilsa Gruppe über Chancen und Herausforderungen, die die neuen Pflichten der CSRD vor allem für Bio-Lebensmittelunternehmen mit sich bringen. Beide beschäftigen sich seit einiger Zeit intensiv mit den neuen Berichtspflichten und konnten schon Erfahrungen in der Umsetzung sammeln. Mohrlüder und Osmers-Rentzsch fassen die Chancen und Herausforderungen wie folgt zusammen:
Nachhaltigkeitsmanagerin Lena Mohrlüder von der Ulrich Walter GmbH (Lebensbaum):
Wir von Lebensbaum begrüßen die kommende Berichtspflicht. Unternehmen stehen erstmals in der Verantwortung, Transparenz für ihr Engagement herzustellen. Allein durch diese neue Form der transparenten Berichterstattung ist zwar noch keine tatsächliche Verbesserung erreicht, sie schafft allerdings unternehmensintern ein Problembewusstsein für die Thematik, fördert das gesamtgesellschaftliche Nachhaltigkeitsbewusstsein und ermöglicht eine Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen. Aber aller Anfang ist schwer…
Chancen der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Bio-Unternehmen:
- Punkt 1: Intensivierung / Förderung der Nachhaltigkeitsbemühungen
Der Druck auf die Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu erhöhen, wird durch verschiedene Effekte der CSRD begünstigt.
- Die Berichterstattungspflicht ist eine Bestandsaufnahme und spiegelt den Status Quo der Nachhaltigkeitsarbeit wider. Ziel ist es, daraus Verbesserungspotentiale zu identifizieren und somit Routinen und Raum zu schaffen, Nachhaltigkeitsprojekte umzusetzen.
- Die Transparenz der Nachhaltigkeitsberichterstattung unter der CSRD erhöht den nachhaltigkeitsbezogenen Wettbewerbsdruck und somit das Engagement, im Nachhaltigkeitskontext wettbewerbsfähig zu bleiben.
- Zukünftig werden Investorinnen und Investoren sowie Kreditgeberinnen und Kreditgeber nachhaltiges Handeln grundlegend in die Bewertung von Investitionsobjekten und Finanzierungskonditionen einbeziehen, was sich auf die Investitionsfähigkeit des Unternehmens auswirkt. Nachhaltigkeitsbemühungen offenlegen zu können, wird somit auch für Finanzierungen immer wichtiger.
- Punkt 2: Greenwashing verhindern
Die Aussagen, die im Rahmen der Berichtspflicht getroffen werden, müssen belastbar sein und testiert werden. Für Stakeholder ist es somit sehr viel einfacher, den Wahrheitsgehalt der Aussagen zu überprüfen und Greenwashing aufzudecken. - Punkt 3: Wettbewerbsvorteil für Bio-Unternehmen
Die gesellschaftlichen Leistungen von Bio-Unternehmen sind hoch und pauschal gesagt, verursachen sie weniger Schäden entlang der Wertschöpfungskette. Die durch die CSRD geschaffene Transparenz gibt Bio-Unternehmen die Möglichkeit, ihre Nachhaltigkeitsarbeit direkt mit der von konventionellen Wettbewerbern zu vergleichen, beziehungsweise von der Kundschaft vergleichen zu lassen und hierbei möglicherweise einen Schritt voraus zu sein. Auch im Zusammenhang mit den Finanzierungsmöglichkeiten durch Kreditgeberinnen und -gebern haben Bio-Unternehmen einen Vorteil. - Punkt 4: Die CSRD als Schlüsselrolle für das True Cost Accounting
Die CSRD-Anforderungen nehmen auch Unternehmen in der Lieferkette in die Pflicht, sodass auch dort Daten generiert werden. Hierdurch können Bilanzierungen weiterentwickelt und verbessert werden. Zum Beispiel kann das True Cost Accounting detaillierter und genauer vorgenommen werden und somit eine transparente Preisgestaltung fördern. Die Bio-Unternehmen könnten hierbei profitieren und ihre höheren Preise Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber erklären. Auch Klimabilanzen lassen sich zukünftig noch konkreter berechnen.
Henning Osmers-Rentzsch, Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements von der Vilsa Gruppe:
Berichterstattung ist kein Selbstzweck und darf es auch durch die neuen Berichtpflichten nicht werden. Der Zweck ist die Nachhaltigkeit selbst: Wie bewahren wir uns einen Planeten, auf dem wir auch in Zukunft gut leben können? Auch wenn die CSRD sehr sperrig umgesetzt worden ist und alles andere als mittelstandsgerecht gestaltet wurde, müssen wir sie in den Unternehmen als Chance betrachten. Die flächendeckende Einführung der Berichtspflicht wird zu einer enormen Professionalisierung des Nachhaltigkeitsmanagements und einer erheblichen Verbesserung der Verfügbarkeit und Qualität von Nachhaltigkeitsdaten entlang der Wertschöpfungsketten führen und damit die Hebel für wirksame Nachhaltigkeitssteuerung verbessern. Geht die Berichterstattung erstmal in die Routine über, kommt der Impact!
Herausforderungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung:
- Punkt 1: Komplexität
Der Standard ist sehr komplex. Die ESRS umfassen rund 1200 Datenpunkte, sowohl quantitative als auch qualitative Informationen. Hier einen systematischen Überblick zu erlangen, erfordert ein hohes Maß an Einarbeitung. Zudem müssen neben vielen Kolleginnen und Kollegen aus dem eigenen Unternehmen auch Stakeholder einbezogen werden. Besonders in klein- und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist es eine Herausforderung, die notwendigen Kapazitäten zu schaffen. - Punkt 2: Anpassung der bisherigen Berichtserstattung auf die neuen Anforderungen
Falls bereits nach freiwilligen Berichtsstandards wie der Global Reporting Initiative (GRI) berichtet wird, ist das eine gute Vorarbeit und ein gutes Gerüst auf dem aufgebaut werden kann. Dennoch bleibt der Umstellungs- bzw. Weiterentwicklungsaufwand signifikant. - Punkt 3: Datenerhebung
Die Datenerhebung stellt oft die größte Herausforderung dar. Die grundlegende Frage dabei lautet: "Wie komme ich überhaupt an die Daten heran?" Vor allem die quantitativen Daten aus der Lieferkette stellen das Nachhaltigkeitsmanagement vor eine Herausforderung. Aber auch Anforderungen zum Beispiel zur monetären Quantifizierung von Nachhaltigkeitsrisiken oder zur Abgrenzung von Umsätzen, operativem Aufwand und Kapitalinvestitionen gemäß EU-Umwelttaxonomie, sind für die meisten Nachhaltigkeitsabteilungen völlig neue Herausforderungen, die eine oftmals noch nicht etablierte und daher erst noch zu lernende Zusammenarbeit mit den Finanz- und Controlling-Abteilungen erfordern. Das braucht vor allem Zeit. - Punkt 4: Datenautomatisierung
Um die Vielzahl an Daten auch zukünftig zu managen, ist es sinnvoll Datenerhebungsstrukturen und Prozesse zu schaffen, die es allen Beteiligten einfacher machen, strukturiert und übersichtlich vorzugehen. Im besten Fall werden die Prozesse zur Datenerhebung und Verarbeitung so weit wie möglich automatisiert. Hier stellt sich allerdings die Frage nach dem richtigen System, beziehungsweise Software. Oder falls es bereits ein bestehendes System gibt, muss dieses CSRD-konform weiterentwickelt werden.
Tipps für die praktische Umsetzung der CSRD
Mohrlüder:
Nehmen Sie frühzeitig Kontakt zu Ihrem Wirtschaftsprüfenden auf. Im Dialog bekommen Sie nützliche Hinweise zur Umsetzung. Auch der Austausch im Rahmen von Verbandsarbeit kann eine große Unterstützung sein. Hier sitzen alle im gleichen Boot.
Osmers-Rentzsch:
Man sollte sich möglichst schnell des Themas annehmen. Der Aufwand ist immens und die Zeit gering. Insbesondere auch durch die Einführung der Prüfpflicht, werden sowohl an die Doppelte Wesentlichkeitsanalyse als auch an die Berichterstattung selbst zukünftig sehr hohe Anforderungen an Stringenz und Due Diligence gestellt. Wichtig ist deshalb, unternehmensintern die nötige Berichtskompetenz zu entwickeln. Zudem ist es ratsam, möglichst schnell eine wirksame Zusammenarbeit zwischen den Nachhaltigkeits- und Finanzabteilungen aufzubauen.