Vertrauen in Bio durch Sprache

Vertrauen in Bio durch Sprache – Die Kraft der Framingtheorie

Welche Macht die Wirkung von Sprache tatsächlich hat, ist vielen Akteurinnen und Akteuren der Bio-Branche nicht bewusst. Diese Wirkung ist jedoch entscheidend zusammen mit der Frage, wie sich Bio-Botschaften sinnvoll framen lassen. Ein Praxisleitfaden unterstützt in der Kommunikation.

Intensiv beschäftigt mit der Frage des Framings haben sich die Linguisten Elisabeth Wehling und George Lakoff. In ihrer Framingtheorie untersuchen sie das Verhältnis von Sprache zur sozialen Wirklichkeit, aufbauend auf Erkenntnissen der Kognitionswissenschaft. Ausgehend von der Annahme, dass Menschen eben keine rationalen Wesen und ein großer Teil unseres Denkens uns nicht bewusst ist, erklären sie die Bedeutung von Frames.

Diese werden durch Sprache im Gehirn aktiviert, sie verleihen Fakten Bedeutung und ordnen Informationen im Verhältnis zu unseren körperlichen Erfahrungen und unserem abgespeicherten Wissen über die Welt ein. Sprache ist also niemals wertfrei, so Wehling. Framing ist dafür verantwortlich, dass die gleiche Information je nach verwendeter Sprache bei Empfängerinnen und Empfängern ganz unterschiedliche Emotionen und ein unterschiedliches Verhalten auslösen kann.

Leitfaden für Bio-Unternehmen unterstützt

Die Sprache, die Bio-Herstellende beispielsweise nutzen, um über Bio-Lebensmittel zu sprechen, bildet den Rahmen, in dem diese gesehen und verstanden werden. Sie sollten sich diese Wirkung von Sprache bewusst machen und sie entsprechend sehr klar einsetzen, um die Werte und den Mehrwert von Bio richtig und empathisch zu vermitteln. Anhaltspunkte darüber, wie dies gelingen kann, gibt das Projekt "Stärkung von Verbrauchervertrauen in Ökolebensmittel durch Transparenz und Framing" von der Assoziation ökologischer Lebensmittel Hersteller e.V. (AöL), der Universität Kassel, dem Thünen-Institut und Prokribus aus 2023 mit dem dazugehörigen Leitfaden.


Lesetipp

Praxisleitfaden "Mehr Vertrauen durch Transparenz & Sprache"

Kommunikationsempfehlungen für die Bio-Branche

  • Veröffentlicht: 2023
  • Herausgeber: Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller e.V. (AöL), Thünen-Institut für Marktanalyse, Prokribus GmbH, Universität Kassel
  • Autorinnen und Autoren: Lisa Mann (AöL), Nina Di Guida (Thünen), Inken Christoph-Schulz (Thünen), David Kühn (Prokribus), Christin Schipmann-Schwarze (Universität Kassel)
  • Zum Download

Bio-Botschaften richtig framen

Für die Kommunikation zur Kundschaft gilt, dass alle Verbrauchende bei Kaufentscheidungen die gleiche Rolle innehaben – unabhängig von ihrer professionellen Rolle oder ihrem Bildungsstatus. In dieser Rolle ist nur das genau dazu passende Vokabular relevant. Eine entsprechende Kommunikation muss deshalb nah an der Alltagssprache und empathisch ausgerichtet sein. Sie sollte die Werte von Bio und des jeweiligen Unternehmens bildreich und einfach zugänglich vermitteln. Damit unterscheidet sie sich stark von der branchenintern genutzten Unternehmenskommunikation (Fachsprache), die einen deutlich höheren Anteil abstrakter Fachbegriffe enthalten kann.

Moderne Wertevermittlung und empathische Kommunikation

Für Unternehmen der Bio-Branche geht es darum, ihrer Kundschaft die unternehmenseigene Perspektive auf die Welt sehr wertebasiert zu vermitteln, sagt auch die Kommunikationsberaterin Stephanie Bernoully. Reine Fakten sind keine Werte. Die Kommunikation auf Produkten und Webseiten vieler Unternehmen zielt jedoch aktuell eher auf sachliche Fakten ab und differenziert zu wenig nach Zielgruppen.

Hauptaufgabe für Bio-Unternehmen ist es daher, sich zu fragen, welche Begriffe geeignet sind, um die eigenen Werte an Verbraucherinnen und Verbraucher zu vermitteln, welche in diesem Zusammenhang eher kontraproduktiv sind, weil sie die Fachwelt adressieren und welche Begriffe sich auch (appellativ) an die politische Ebene richten. Von Freilandhaltung über Humusaufbau bis hin zu Blühstreifen – Bio ist dem eigenen Werteverständnis nach immer auch politisch. Dennoch unterscheidet sich die an die Politik gerichtete Sprache stark von der Kommunikation hin zur Endkundschaft. Bio-Unternehmen müssen die Menschen emotional erreichen und besonders empathisch kommunizieren.

Praxistipps für eine vertrauensfördernde Sprache in Bio-Lebensmittel

  • Eine Sprache, die Verbraucherinnen und Verbraucher auf Augenhöhe anspricht, stellt Nähe zu den Menschen her. Sie vermittelt Zugehörigkeit, ist weniger autoritär als vielmehr empathisch. Anstatt also von "Rohwaren", oder "artgerechter Tierhaltung" zu sprechen, lieber konkret werden: "Bei unseren Landwirtinnen und Landwirten summen Bienen auf den Wiesen, dürfen Kühe frisches Gras fressen und Schweine im Dreck wühlen".
  • Begriffe, die Werte vermitteln, wie Verantwortung, Tradition oder Nachhaltigkeit, ermöglichen Identifikation, wenn sie mit moderner Sprache transportiert werden. Tradition lässt sich auch konkretisieren, ohne altbacken zu wirken, wenn wir beispielsweise von "handwerklichem Geschick" sprechen.
  • Anstelle von Floskeln als "übliche Kombinationen" ist es zielführend, punktuell eher neue Kombinationen einzusetzen.
  • Übergeordnete und abstrakte Begriffe schaffen Distanz zur Kundschaft und zum Esstisch. Sie vermitteln Abstand und nehmen der Sprache die bildhafte Qualität, sie wird dann eher abgelehnt. Das fängt beim Begriff "Lebensmittel" an und endet bei "Rohwaren". Stattdessen lieber von "leckerem Essen" oder "Getreide, Gemüse, Obst" sprechen.
  • Eine zugewandte, an die Sinne gerichtete Sprache ist demgegenüber unmittelbar verständlich und bleibt im Gedächtnis.
  • Sprache verändert sich permanent. Um die Menschen zu erreichen und für Bio zu gewinnen, sind offene, inklusive Formulierungen, die den Zeitgeist widerspiegeln, bedeutend.
  • Verneinungen sind problematisch. Denn um ein Konzept zu verneinen, muss zunächst das Verneinte selbst "im Gehirn aktiviert" werden. Deshalb ist es besser, Negationen zu vermeiden.
  • Mut zur Unvollständigkeit ("pars pro toto"). Häufig erzeugt ein Teil, der für das Ganze steht, ein stärkeres Bild als eine lange Aufzählung oder eine (abstrakte) Begriffsklammer.
  • Bio und Öko sagen in der Verbraucherkommunikation etwas Unterschiedliches aus. "Bio" gehört zum Lebensmittel, während "Öko" das System, die Branche und ihre Richtlinien beschreibt, also der branchen-/ firmeninternen Kommunikation und Politik zugeordnet wird. Es ist sinnvoll, die Begriffe getrennt einzusetzen.
  • Grundsätzlich ist es wichtig, sich für jedes genutzte Wort die Wortbedeutung klarzumachen. Was bedeutet dieser Begriff und mit welcher Bedeutung füllen wir ihn? Ist der Begriff in seiner Bedeutung unseren Werten und unserem Ziel zuträglich? Denn es gibt keine wertfreie Sprache.

Text: Melissa Buchholz, BLQ


Letzte Aktualisierung 23.01.2025

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