Extensive Rinderhaltung mit maximalem Tierwohl

Extensive Rinderhaltung mit maximalem Tierwohl

Der Bio-Hof Badhaus-5 am Rande des Allgäus bietet Tierwohl von Anfang bis Ende. Die Schottischen Hochlandrinder leben von der Geburt bis zur Schlachtung auf der Weide. Die Kälber können bei ihren Müttern bleiben, bis sie in die Jungrinderherde umziehen. Frühestens nach drei Jahren werden sie per Weideschuss getötet und dann direkt auf dem Hof weiterverarbeitet.

Langes zotteliges Fell, schwungvoll gebogene Hörner und einen stoischen Stand – auf den ersten Blick wirken die Schottischen Hochlandrinder wie Überbleibsel aus der Urzeit. Tatsächlich sind die Hochlandrinder nie auf Fleisch- oder Milchleistung gezüchtet worden. Daher sind die kleinrahmigen und langsam wachsenden Rinder eigentlich ein Albtraum für Rindermäster. Denn Fleischrinder sollen so schnell wie möglich Fleisch ansetzen und nach 18 Monaten schlachtreif sein. Damit sie so schnell wachsen, brauchen sie jedoch viel eiweißreiches Futter, wie Mais, Soja und Co. und wenig Bewegung.

Genau das Gegenteil für ihre Tiere wünschen sich Simone und Thomas Salzer. Die Inhaber vom EU-Bio-Betrieb Badhaus 5 halten eine Herde von 178 Hochlandrindern auf 87 Hektar Grünland in Oberschwaben. "Unsere Rinder sind robust, genügsam und gute Mütter. Sie ernähren sich rein von Gras und Heu. Außer Salzlecksteinen kaufe ich kein Futter zu", erklärt Thomas Salzer. Der Bauernsohn und Betriebswirt hat die plüschigen Tiere bei einem Ausflug nach Stuttgart entdeckt. Es war Liebe auf den ersten Blick.

    Extensive Rinderhaltung spart Zeit und Geld

    Die Rinder stehen fast immer auf der Weide. Sie brauchen weder Klauenpflege noch Tierarzt. All das spart Zeit und Geld. Es gibt drei Herden: eine Mutterkuhherde, eine mit Bullen und eine mit Färsen (weibliche Jungrinder).

    Im Winter und bei Hitze können sich die Tiere in einen offenen Unterstand zurückziehen. Da pfeift der Wind durch, sodass sich keine Fliegen und Mücken einnisten. Den Zotteltieren macht die Kälte nichts aus. Bei hohen Minusgraden schalten sie in den Energiesparmodus: sie stehen still oder graben sich im Schnee ein. Nur gibt es auch in Oberschwaben immer weniger Dauerfrost.

    Damit die Tiere nicht die Grasnarben ruinieren oder im Matsch liegen, kommen sie dann doch in den Unterstand. "Wir bieten dem Rind alles an, es sucht sich dann selbst aus, was es will", erläutert der Nebenerwerbslandwirt Salzer. Die Selbstbestimmung gilt auch bei der Fortpflanzung.

    Kuhgebundene Kälberaufzucht

    In der Mutterkuhherde laufen zwei Bullen mit. Die Kühe entscheiden, wann die Zeit reif ist, um wieder Nachwuchs zu bekommen. Künstliche Besamung ist tabu und wäre bei den halbwilden Rindern auch schwierig umzusetzen. Die halten gerne Abstand vom Menschen. Kritisch ist es nur, wenn Thomas Salzer den Kälbern eine Ohrmarke anbringen muss.

    "Das muss ich sehr schnell nach der Geburt machen, sonst erwische ich das Kalb nicht mehr", so Salzer. Schreie das Kalb, könnten die ansonsten sehr friedlichen Tiere auf ihn losgehen.

    Zur Kontrolle ihrer Herde macht die Familie Salzer täglich eine Fahrt über ihre weitläufigen Weiden, die direkt vom Hof aus zu erreichen sind.

    Berührungsloses Treiben schont die Nerven von Mensch und Rind

    Um die Tiere auf den richtigen Weg zu bringen, haben die Salzers 960 Stahlgitter gekauft. "Wir arbeiten mit dem berührungslosen Treiben, lassen den Rindern Zeit. Am liebsten gehen sie in Bögen, dann haben sie das Gefühl, jederzeit wieder zurücklaufen zu können", erklärt Thomas Salzer.

    Um das Handling der Tiere zu erleichtern, wählt er für die Mutterkuhherde vor allem gutmütige Bullen und Kühe aus. Ein krummes Horn oder Stummelschwanz störe ihn dagegen nicht. Schönheit spiele keine Rolle. Nur schreckhaft sollten sie nicht sein. Sonst können sie bei Gefahr schon durch den Zaun gehen. Einmal seien ihm ein paar Tiere in den Wald abgehauen. Die ließen sich nicht wieder einfangen.

    Hofschlachtung mit Weideschuss

    Einen Teil seiner Nachzucht verkauft Salzer lebend: die kleinen und zähen Tiere eignen sich perfekt für die Landschaftspflege oder die Hobbyhaltung. Die anderen landen über kurz oder lang in der hofeigenen Schlachtung.

    Dazu gibt es direkt am Hof einen Fangstand mit Hochsitz und Kugelfang. Thomas Salzer lockt das Rind in den Fangstand. Ein Jäger schießt die Tiere, der Metzger entblutet und zerlegt sie. Ein Veterinär oder eine Veterinärin überwacht den Prozess. Damit die Tiere beim Anblick der fremden Menschen nicht in Stress geraten, bleiben Metzger und Tierarzt erst einmal hinter dem Trecker in Deckung. Der Traktor läuft währenddessen. Denn Motorgeräusche verbinden die Tiere mit Heulieferung, also Futter.

    Null Tiertransport

    Im Gegensatz zu anderen Hofschlachtungen müssen die Tiere nicht zur Schlachtstätte transportiert werden, sondern können direkt auf dem Hof verarbeitet werden. Dazu haben die Salzers 150.000 Euro in ein EU-zertifiziertes Schlachthaus investiert. Ein Luxus, der sich bisher nicht rechnet. Auch wenn andere Bio-Betriebe in der Nähe ihn mieten.

    Darüber hinaus leistet sich der Hof auch immer eine Gnadenkuh: Die letzte, Agathe, ist im stolzen Alter von 24 verstorben. Die jetzige ist immerhin schon 18 Jahre. Sie läuft bei den Jungrindern mit, damit die Mutterkühe sie nicht unterbuttern.

    Tierwohlfleisch kaufen

    Während Bullen von Fleischrassen nach 18 Monaten gut 450 Kilo auf die Waage bringen, schaffen die Hochlandrinder nach drei Jahren ein Schlachtgewicht von 250 bis 300 Kilogramm. Ohne Fremdkosten für Futter und Co. und mit Direktvermarktung sei das trotzdem wirtschaftlich, bilanziert Thomas Salzer, der nebenbei als Unternehmensberater arbeitet. Das feine Fleisch der Rinder verkaufen die Salzers im Hofladen, online oder an die Gastronomie. Verwertet wird alles – von der Schnauze bis zum Schwanz.

    Für sein Engagement hat der Bio-Betrieb Badhaus den baden-württembergischen Tierschutzpreis erhalten. Der Respekt gegenüber den Tieren von der Geburt über die Schlachtung bis zum Teller hat die Jury überzeugt.

    Text: Jutta Schneider-Rapp, Oekonsult


    Letzte Aktualisierung 15.01.2025

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