Zweinutzungshuhn

Zweinutzungshuhn – Eigenschaften, Zucht, Haltung und Vermarktung im Überblick

Die Haltung von Zweinutzungshühnern ist eine besonders zukunftsfähige Form der Geflügelhaltung. Statt auf Tiere zu setzen, die entweder auf die Eierproduktion oder auf die Mast spezialisiert sind, kombinieren Zweinutzungshühner beides und vereinen dabei die Vorteile alter Hühnerrassen und moderner ökologischer Züchtungen.

Im Ökolandbau werden zunehmend Zweinutzungshühner als Alternative zu konventionellen Hybridzüchtungen eingesetzt. Bei dem sogenannten Zweinutzungshuhn verrät bereits der Name die Besonderheit dieser Geflügelzüchtung: Die Tiere sind sowohl für die Eier- als auch für die Fleischproduktion geeignet. Gerade für ökologisch wirtschaftende Betriebe haben Zweinutzungshühner viele Vorteile. So bieten die Zweinutzungsrassen nicht nur die wirtschaftliche Nutzung beider Geschlechter, sondern die Tiere werden zudem als robuster und gesünder beschrieben. Daher ist die "Doppelnutzung" auch unter Tierwohl-Aspekten ein willkommener Aspekt.

Die größten Vorteile in der Haltung von Zweinutzungshühnern liegt für uns darin, dass wir Eier und Fleisch gleichzeitig erhalten, dass wir alte Rassen wieder fördern und die Hähne mitaufziehen, die im Gegensatz zu den spezialisierten Linien auch sehr viel Fleisch ansetzen. Zudem halten wir die Zweinutzungshühnerrassen durchschnittlich viel länger als die meisten anderen Betriebe ihre Hybridrassen halten. Anja Lindner, LindenGut

Haltung von Zweinutzungshühnern


Film ab: Was ist ein Zweinutzungshuhn?


Züchtung von Zweinutzungshühnerrassen

Die Frage nach dem "besten" Zweinutzungshuhn lässt sich nicht so einfach beantworten. Es lohnt sich ein Blick auf die verschiedenen Rassen sowie Kreuzungen und deren Besonderheiten, denn letztlich entscheiden vor allem individuelle Faktoren der einzelnen Betriebe, welche Zweinutzungsrasse oder -kreuzung am besten geeignet für sie ist.

Typische Zweinutzungshühnerrassen:

  • Altsteirer
  • Bresse-Gauloise oder Bressehuhn
  • Deutsches Lachshuhn
  • New Hampshire
  • Marans
  • Sulmtaler
  • Sundheimer
  • Vorwerkhuhn
  • White Rock

Bekannt für ihre ökologische Züchtungsarbeit zu Zweinutzungshühnern ist die Ökologische Tierzucht (ÖTZ). Sie kombiniert dabei die klassischen Methoden der Tierzucht mit dem Anspruch "Bio von Anfang an" sowie der Selektion von Tieren, die genau auf die Anforderungen der Betriebe und die des Ökolandbaus abgestimmt sind. Aus der jahrelangen Züchtungsarbeit sind vier Kreuzungen sowie Rassen hervorgegangen, die inzwischen auf zahlreichen Öko-Betrieben gehalten werden.

Zweinutzungshühner-Kreuzungen und -Rassen der ÖTZ

Wir setzen gezielt auf Rassehühner, die können wir selbst auf dem Hof vermehren und sind nicht von Zulieferern abhängig. Das ist gut bei den vergleichsweise kleinen Tierzahlen in unseren mobilen Ställen. Zudem sind die Rassehennen robust und legen zuverlässig ihre rund 200 Eier im Jahr. Damit kalkulieren wir." Peter Schmidt, Klosterhof Bünghausen

Drei Hühner der Rasse Altsteirer

19.01.2024Bio in der Praxis

RegioHuhn und ÖkoGen: Steffen Weigend und Inga Tiemann

Prof. Dr. Steffen Weigend und Dr. Inga Tiemann beschäftigen sich in Forschungsprojekten mit der Züchtung von Zweinutzungshühnern für den Öko-Landbau. Auch wenn die Züchtung noch am Anfang steht, sehen sie ein großes Potenzial für Zweinutzungshühner. Im Interview mit Oekolandbau.de sprechen sie über die Forschungsziele der Projekte "RegioHuhn" und "ÖkoGen" und über die aktuellen Erkenntnisse und Herausforderungen der Züchtung.

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Fütterung von Zweinutzungshühnern

Generell haben Zweinutzungshühner einen etwas höheren Futterbedarf als Lege- oder Mastrassen. Durch das richtige Management kann das aber ausgeglichen werden, denn gerade die Hähne haben einen niedrigeren Eiweißbedarf. Es kann daher auf ein eiweißreduziertes Futter gesetzt werden.

Auch bei Hennen kann mit den richtigen Maßnahmen gegengesteuert werden. Sie neigen bei konventioneller Fütterung eher dazu, zu verfetten. Bekommen sie hingegen ein faserstoffreiches, nährstoffreduziertes Futter sind ihre Körperfettgehalte deutlich geringer.

Welche regionalen Futtermittel stehen für Zweinutzungshühner zur Verfügung?

Grundsätzlich werden in der Geflügelfütterung bereits viele Produkte sogenannter Stoffnebenströme genutzt. Darunter fallen unter anderem Öl-Presskuchen, Trester, Kleien und viele andere pflanzliche Komponenten. Knapp sind jedoch immer die hochwertigen Eiweißkomponenten, welche herkömmlich in der ökologischen Fütterung über Leguminosen wie Soja, Erbsen, Bohnen und Sonnenblumen sowie über Grünmehle zur Verfügung gestellt werden. Viele dieser Komponenten stehen dabei in Konkurrenz zur Humanernährung.

Um diesen Konflikt zu lösen, werden zum aktuellen Zeitpunkt diverse Forschungsprojekte durchgeführt, welche prüfen, ob Zweinutzungshühner mit weniger hochwertigem Futter ebenfalls gute Leistungen bringen könnten und wenn ja, wie viel weniger Nährstoffe sie im Gegensatz zu hochleistenden Tieren benötigen.

Diese Forschungsprojekte sind sehr umfangreich und haben neben der Frage nach der Nährstoffdichte des Futters auch die Aufgabe, neue Eiweißquellen zu erschließen und für die Praxis zugänglich zu machen. Ein großes Problem ist, dass viele "Reste" der Humanernährung anfallen, die theoretisch als Futter geeignet wären, die Zulassung als Futtermittel jedoch fehlt.

Darum wird in einem von der ÖTZ initiierten vierjährigen Verbundprojekt "sLowFeedChickIns" einerseits getestet, was die Zweinutzungshühner an tatsächlichen Futterbedarfen haben und ob es andererseits zulassungsfähige Wege gibt, Speisereste an Insekten mit interessanten Proteinwerten zu verfüttern. Diese regional und nachhaltig produzierten Insekten werden dann an die Hühner verfüttert. Weitere Untersuchungen werden mit eiweißhaltigen, regional und nachhaltig produzierten Kaltwasseralgen durchgeführt.

Mehr aus der Forschung: Projekte zu Zweinutzungshühnern des BÖL

Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) fördert zahlreiche (Forschungs-)Projekte, die sich mit ökologischen Zweinutzungshühnern beschäftigen. Dadurch werden grundlegende Rahmenbedingungen geschaffen, um diesen Ansatz der Geflügelhaltung in der Breite zu ermöglichen. Neben der Basiszucht von Zweinutzungshühnern wird etwa auch an regionalen Hühnerrassen geforscht, die eine doppelte Nutzung ermöglichen. Darüber hinaus wird im Projekt Werter Hahn der Ausbau regionaler Bio-Wertschöpfungsketten für Bruder- und Zweinutzungshähne gefördert.

Werter Hahn

Ziel des Projektes ist es, eine funktionierende Wertschöpfungskette für die Vermarktung von Hahnenfleisch zu schaffen und bestehende Wertschöpfungsketten auszubauen. Dazu soll ein Netzwerk von Erzeugerbetreiben, Schlacht- und Verarbeitungsbetrieben sowie Handel und Gastronomie entstehen.

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WertesBrutei

Das Projekt soll die Etablierung einer Wertschöpfungskettenstelle zur Bildung und Koordination regionaler Vermarktungskooperationen sowie internationaler Vermarktungsketten von Bruteiern, Eintagsküken und Junghennen aus der ökologischen Züchtung vorantreiben. Über allem steht dabei das Ziel, die Verwendung von Zweinutzungshühnern aus ökologischer Züchtung im ökologischen Sektor zu erhöhen. 

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sLowFeedChickIns

Das Projekt will neue neue Wege aufzeigen, wie die Haltung von Zweinutzungshühnern im Hinblick auf regionale Rohwarenbeschaffung, reduzierte Humanernährungskonkurrenz und Herkunft der Proteinkomponenten optimiert werden kann.

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Öko2Huhn

Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist es, den Ansatz der Zweinutzung von Hühnern im ökologischen Landbau weiterzuentwickeln. Die weitreichenden Probleme der einseitig ausgerichteten konventionellen Basiszucht bleiben nach wie vor bestehen. Um den verschiedenen Erzeugerstrukturen und Ansprüchen der Branche bestmöglich gerecht zu werden, sollen in diesem Vorhaben Ansätze im Bereich ökologische Kreuzungszucht und der Zucht von Rassehühnern verfolgt werden. Immer im Fokus: eine mögliche Zweinutzung.

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RegioHuhn

Das Projekt RegioHuhn zielt auf die Erschließung eines alternativen Ansatzes in der Geflügelproduktion ab, der einerseits den Interessen des ökologischen Landbaus an einer breiten Produktvielfalt mit Regionalbezug Rechnung trägt und andererseits die Erhaltung der genetischen Vielfalt beim Haushuhn unterstützt. Das Konzept basiert auf der Nutzung der Kreuzungszucht lokaler Hühnerrassen mit Hochleistungstieren der Wirtschaftsgeflügelzucht der Lege- sowie der Mastrichtung.

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Verarbeitung und Vermarktung von Zweinutzungshühnern

Produkte von Zweinutzungshühnern sind überwiegend bei direktvermarktenden Betrieben und in Bioläden zu finden. Mittlerweile steigt jedoch auch von Seiten des Lebensmittel-Einzelhandels das Interesse an der Vermarktung. Da neben einer fairen Bezahlung der Landwirtinnen und Landwirte zur Vermarktung der Eier jedoch auch eine handwerkliche Schlachtung und die kostendeckende Vermarktung des Fleisches gewährleitet sein muss, ist die Vermarktung anspruchsvoll und benötig eine aufgeklärte Kundschaft.

Dabei sind nicht nur Verbraucherinnen und Verbraucher gemeint, sondern auch Verarbeitungsunternehmen sowie die Gastronomie, denen in der Bekanntmachung des Fleisches eine ebenso wichtige Rolle zukommt. Entsprechend wichtig sind daher breit angelegte Kampagnen zur Aufklärung über die Besonderheiten des Fleisches von Zweinutzungshähnen.

Die Eier sind in der heutigen Zeit gar kein Problem. Wir haben eigentlich immer zu wenig, obwohl sie mittlerweile auch bei 65 Cent pro Stück - Basis Größe L liegen. Auch unsere Hühneraktie wird gut angenommen – hier erhalten die Kundinnen und Kunden Eier und Fleisch als Dividende. Anja Lindner, LindenGut

Wir vermarkten ausschließlich direkt – die Rassehuhn-Eier wie auch das Fleisch der Suppenhühner und Brathähnchen. Es ist immer eine aufwendige Kommunikation, weil die Produkte vergleichsweise teurer sein müssen als die der Hybriden. Doch durch unser Konzept vom Brutei über die eigene Aufzucht bis hin zum Produkt können wir dies gut erklären." Peter Schmidt, Klosterhof Bünghausen

Was ist anders am Fleisch von Zweinutzungshähnen?

Die Hähne sind nicht nur größer, sondern in der Regel auch anders proportioniert als herkömmliche Hähne. Es erfordert daher vor allem bei der Zubereitung einen anderen Umgang.

Ingmar Jaschok-Hops, Bioland-Herstellungsberater aus Norddeutschland und Autor des Küchenhandbuchs Huhn, betonte beim ÖTZ-Online-Fachforum im März 2025, dass das Wissen rund um die Zubereitung gezielt vermittelt werden müsse, um das Fleisch erfolgreich als Premiumprodukt vermarkten zu können. Machbar sei das, wenn man sich verstärkt damit auseinandersetze, den Hahn nicht im Ganzen, sondern in einzelnen Teilstücken zu vermarkten.

Das Hahnenfleisch nutzen wir zum größtenteils selbst in der Metzgerei und der Gastronomie oder vermarkten direkt über unseren Hofladen. Viele sind erstaunt, dass das Fleisch sehr fest ist. Das liegt daran, dass die Hähne natürlich viel Freiheit genießen und bedingt durch die Laufaktivitäten gute Muskeln aufbauen. Das führt auch dazu, dass die Garzeiten hier länger zu gestalten sind. Generell bekommen wir aber unsere Hähne sehr gut vermarktet. Anja Lindner, LindenGut

Da das Fleisch ein ungewohntes Garverhalten hat, sei das Timing zwischen Hitze und Zeit entscheidend. Einzelne Teilstücke könnten gezielter auf die richtige Gartemperatur gebracht werden als der Hahn im Ganzen, was wiederum Garfehler in der Küche reduziert. Wenn man den Dreh raus hat, sei das Fleisch sensorisch hochwertiger als das gängiger Masthähnchen. "Durch die Aufklärung und Wissensvermittlung schafft man es auch, die Preiswürdigkeit des Produktes zu erhöhen und das Fleisch in den Küchenalltag von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu integrieren", so Jaschok-Hops.

Die Rolle der Gastronomie in der Vermarktung von Zweinutzungshühner-Produkten

Neben der richtigen Kommunikation nach außen ist auch die Zusammenarbeit mit Gastronomiebetrieben von zentraler Bedeutung. Gastronomiebetriebe können bei der Vermarktung als Multiplikatoren dienen und die Erzeugung von Zweinutzungshühnern unterstützen, wenn sie bereit sind, authentische Geschichten den Produkten sowie zu den Gerichten zu erzählen.

"Kooperationen mit Restaurants haben hier eine Schlüsselrolle inne, um das Image des Bruderhahns zu verbessern und die Nachfrage zu steigern", bekräftigt Ingmar Jaschok-Hops. Auch der wirtschaftliche Aspekt für die Betriebe könne dabei attraktiv sein, denn meist lassen sich in der Gastronomie höhere Preise erzielen als im gängigen Lebensmitteleinzelhandel.

Zweinutzungshühner in der Kantine

Im Rahmen des Projektes "ZweiWert – Aufbau von Wertschöpfungsketten für regionale Zweinutzungshühner in Baden-Württemberg" wurden in drei Betriebskantinen in Baden-Württemberg Verkostungen und sensorische Beurteilungen von halben Brathähnchen aus Zweinutzungshuhn-Genetik sowie Standardhähnchen durchgeführt. Von den 1.326 verkosteten Brathähnchen waren 530 Zweinutzungshähne der ÖTZ-Linien Coffee und Cream, die auf dem Hönig Hof in Mühlingen erzeugt wurden.

Die Besucherinnen und Besucher bewerteten den sensorischen Gesamteindruck des Fleisches als überwiegend positiv. In den Teilen Flügel und Schlegel wurden die Zweinutzungshähne etwas schlechter beurteilt als das Standardhuhn. Als Hauptgrund für die Wahl des Gerichts wurde in erster Linie Neugier angegeben.

"Ein etwas ungünstigeres Ergebnis zu Lasten der Zweinutzungshühner gab es allerdings in zwei von drei Betriebskantinen. Verantwortlich dafür ist der sogenannte Kantineneffekt, was bedeutet, dass letztlich die Qualität des Gerichts immer davon abhängt, wie es in der jeweiligen Kantine zubereitet wurde", erklärt Dr. Beate Gebhardt von der Uni Hohenheim die Unterschiede in der Bewertung. Auch wenn das Standardhuhn insgesamt etwas besser bewertet wurde, würden 57,9 Prozent der befragten Gäste das Zweinutzungshuhn wieder wählen. Auch ein Interesse an mehr Informationen rund um das Zweinutzungshuhn wurde den Projektteilnehmenden widergespiegelt. "Vielleicht war das Brathähnchen nicht das ganz optimale Gericht, um die Attribute des Zweinutzungshuhns hervorzuheben. Eventuell könnte ein Curry oder ein Hühnerfrikassee diese besser wiedergeben."

Für Gebhardt ist klar, dass es gerade bei Zweinutzungshühnern besonders wichtig ist, Zubereitung und Rezepturen für die Kantinen zu optimieren. Tier- und sozialethische Aspekte könnten das Narrativ zudem ergänzen, denn die Herkunft der Zweinutzungshühner sei bekannt, die der Standardhühner oft eine Blackbox.

Vier Punkte sind für Beate Gebhardt entscheidend für die Zukunft des Zweinutzungshuhns in Kantinen:

  • Kantinen: Müssen bereit sein, Zweinutzungshühner anzubieten; Problem: Preis und Verfügbarkeit
  • Gäste: Preis muss stimmen; Akzeptanz für diese Art von Gerichten
  • Erzeugerbetriebe: Bereitschaft Zweinutzungshühner zu halten; Erfahrungen mit großen Herden sammeln
  • Produkte: Ei und Fleisch müssen zusammen gedacht werden, damit der Markt das auffangen kann

    Lesetipp zur Zubereitung

    Küchenhandbuch Huhn

    Das umfangreiche Küchenhandbuch Huhn vereint Handwerk und Wissen mit modernen Rezepten für jede Tageszeit. Im umfangreichen Warenkunde-Teil erfahren Leserinnen und Leser die Basics des unterschätzten Geflügels und werden mithilfe der reich bebilderten Schritt-für-Schritt-Anleitungen zum Zerlege-Profi. Im zweiten Teil des Buches bieten die Autoren, darunter renommierte Köche, gleich dem Nose to Tail-Prinzip rund 60 Rezepte von Omas Klassikern bis hin zu pfiffigen Feierabendgerichte für alle Teilstücke des Tieres.

    • Erscheinungsjahr: 2024
    • Autoren: Ingmar Jaschok-Hops, Vincent Fricke, Sebastian Junge
    • Seiten: 240
    • Herausgeber: Verlag Eugen Ulmer
    • ISBN: 978-3-8186-2064-6

    Patenschaften mit Zweinutzungshühnern – das Vermarktungsmodell der Zukunft?

    Kundenbindung ist das A und O in der Vermarktung. Besonders dann, wenn man Produkte anbietet, die mehr Erklärungsbedarf benötigen als das, was im üblichen Supermarktregal zu finden ist. Bei Zweinutzungshühnern können neuartige Vermarktungskonzepte den Unterschied machen. Ein solches Konzept stellen Hühnerpatenschaften dar, die nicht nur eine zusätzliche Einnahmequelle für die Betriebe sein können, sondern auch eine emotionalere Kundenbindung ermöglichen und mehr Transparenz rund um die Tierhaltung sowie Potenzial für Bildungs- und Aufklärungsarbeit schaffen.

    Der Bioland-Betrieb Gut Paulinenwäldchen hat sich für diesen Weg entschieden und das Projekt "Ein Huhn für dich" ins Leben gerufen. Für einen Monatsbeitrag bekommen die Kundinnen und Kunden die Anzahl an Eier, die das "Patenhuhn" wöchentlich legt. Zudem gibt’s ein Brathähnchen, also den aufgezogenen "Bruder" des Patenhuhns sowie ein Suppenhuhn. Gehalten werden die Zweinutzungsrassen ‘Coffee’ und ‘Cream’ der ÖTZ, auf die der Betrieb 2020 umgestiegen ist.

    Um die Kundschaft auf dem Laufenden zu halten, werden die Patinnen und Paten mit regelmäßigen Updates per E-Mail versorgt. Wer möchte, kann auch selbst vorbeikommen und sich vor Ort von dem Wohlergehen der Hühner und Hähne überzeugen. "In der Kommunikation ist wichtig, dass wir den Patinnen und Paten erklären, dass sie mit dem Betrag keine fixe Eieranzahl oder Fleischmenge erwerben. Es wird mit dem Geld die Lebensleistung der Hühnerschar inklusive der Hähne finanziert. In der Regel gibt es vier bis fünf Eier pro Woche, die Zahl unterliegt aber natürlich Schwankungen, die wir auch kommunizieren. Vor allem am Anfang erfordert das Konzept viel Erklärung, doch mit ausreichend Informationen verstehen die Kundinnen und Kunden das System gut", betont Sandra Melcher vom Gut Paulinenwäldchen auf dem ÖTZ-Online-Fachforum 2025.

    Ein weiteres Beispiel für das Hühnerpatenschaften-Modell ist das Hofgut Marjoß aus dem hessischen Steinau. Über ein Abomodell, das für ein Vierteljahr, ein halbes oder sogar ganzes Jahr abgeschlossen werden kann, erwerben Kundinnen und Kunden sechs frische Bio-Eier von Zweinutzungshühnern pro Woche. Die Eier der "Miethühner" können an zahlreichen Abholstellen im Main-Kinzig-Kreis abgeholt werden. Die Kommunikation zu den Zweinutzungs-Miethühnern findet über Einleger in den Eierkartons statt. Bei dem einmal im Jahr stattfindenden Hoftag können die Mieterinnen und Mieter dem Hof und den Hühnern einen Besuch abstatten.

    "Seit 2021 setzen wir auf dem Hogut Marjoß bei unseren Legehennen auf Zweinutzungshennen. Die Umstellung haben wir mit Plakaten begleitet, um unsere Kundinnen und Kunden großflächig zu informieren. Es ist schon viel Aufklärungsarbeit nötig und man muss bei der Kommunikation immer dranbleiben. Aber die Transparenz und die Authentizität unseres Hofes sind der Kundschaft wichtig – da muss man als Betrieb auch liefern. Das zahlt sich dann aber auch aus", betont Dietrich Hunsmann vom Hofgut Marjoß.

    Unser Rat an Betriebe: Informiert Euch gut! Der Markt muss da sein und es muss ins Hofkonzept passen. Achtet nicht nur auf die Wertschätzung, sondern auch auf die Wertschöpfung. Und rechnet ehrlich, damit Ihr Freude dran habt. Lieber weniger Hennen und ein positives Ergebnis als zu viele und dann frustriert die Eier zu günstig verkaufen oder sogar wieder aufhören. Wenn es klappt, ist es eine gute Marktnische!" Peter Schmidt, Klosterhof Bünghausen

    Zukunftsperspektiven für das Zweinutzungshuhn

    Für Inga Günther liegt der Schlüssel für eine langfristige Zukunft des Zweinutzungshuhns in erster Linie in der Wertschätzung tierischer Produkte. "Sobald ein Ei 70 Cent kostet und weniger, dafür aber hochwertigstes Fleisch gegessen wird, hat das Zweinutzungshuhn problemlos die Chance, zum Standard zu werden. Das erfordert ein Umdenken auf Ebene der Prämien für Landwirtinnen und Landwirte, beispielsweise durch das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl in Baden-Württemberg, welche dieses nachhaltige Modell für sich, ihre Tiere und ihre Kundinnen und Kunden wählen. Es erfordert aber auch ein Umdenken im Handel und bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die das Konzept 'Weniger ist mehr' für sich verstanden haben und auch bereit sind, das in ihren Preisen und ihrer Kaufbereitschaft umzusetzen."

    Hahn und Henne der Rasse Cream. Foto: Demeter/Pixxio-Media

    10.01.2024Bio in der Praxis

    Potenzial von Zweinutzungshühnern

    Im Öko-Landbau werden zunehmend Zweinutzungshühner als Alternative zu konventionellen Hybridzüchtungen eingesetzt. Lange Zeit galt die Haltung als unrentabel. Das ist eine Frage der Perspektive, meint Inga Günther von der Ökologische Tierzucht GmbH (ÖTZ). Sie muss es wissen, denn die ÖTZ züchtet seit 2015 Zweinutzungsrassen und kümmert sich um die Vermehrung und den Verkauf.

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    "Um die Landwirtinnen und Landwirte dabei zu unterstützen, sind neben Haltungsprämien und verbindlichen Handelsbeziehungen Richtlinien der Verbände, welche das Zweinutzungshuhn für Ei- und Fleischproduktion zum Standard erklären, wichtig. Nur so ist garantiert, dass alle Landwirtinnen und Landwirte mit den gleichen Voraussetzungen auf dem Markt agieren", erklärt Günther weiter.

    Darüber hinaus brauche es die Unterstützung der ganzen Wertschöpfungskette: die handwerklich arbeitenden Betriebe in Zucht, Brüterei, Aufzucht und Schlachtung der Tiere.

    "Für konventionelle Freilandbetriebe gilt ähnliches. Auch diese Betriebe brauchen finanzielle Sicherheiten und Anreize, sowie entsprechende Strukturen, um die Tiere halten und gewinnbringend vermarkten zu können. Betriebe, welche in Bodenhaltung ohne Außenklima Eier produzieren oder Masthähnchen in reiner Stallhaltung mästen, werden in der Haltung von Zweinutzungstieren keine Zukunft sehen. Diese Haltungsformen entsprechen nicht den Zuchtzielen von Zweinutzungstieren und sind aus unserer Perspektive mit den Grundsätzen einer zukunftsfähigen Nutztierhaltung nicht vereinbar", betont die Geschäftsführerin und Leiterin der Ökologischen Geflügelzucht (ÖTZ), Inga Günther, abschließend in einem Interview mit oekolandbau.de.

    Bildergalerie: Zweinutzungsrassen und Elterntiere

    ÖTZ-Fachforum zu Zweinutzungshühnern

    Am 12. und 13. März 2025 fand das Fachforum für Zweinutzungshühner statt, auf dem aktuelle Erkenntnisse aus Praxis und Wissenschaft vorgestellt wurden. Die Vorträge können Sie sich hier anschauen: oekotierzucht.de/fachforum

    Ausgerichtet wurde das Fachforum von der Ökologischen Tierzucht gGmbH (ÖTZ). Diese hat das Ziel, Tiere zu züchten, die speziell für ökologisch wirtschaftende Betriebe geeignet sind.


    Letzte Aktualisierung 17.04.2025

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