Wertschöpfungsketten mit Fleisch vom Bio-Weiderind

Wertschöpfungsketten mit Fleisch vom Bio-Weiderind

Das Projekt GrasRind vom Bodensee trägt dazu bei, Wertschöpfungsketten für Bio-Rindfleisch aus der Region Allgäu-Bodensee-Oberschwaben aufzubauen: von der landwirtschaftlichen Erzeugung über die Schlachtung und Verarbeitung bis hin zur Außer-Haus-Verpflegung. Im Interview mit Oekolandbau.de berichtet der Wertschöpfungsketten-Manager Frank Beccara von seinen Erfahrungen.

Er beschreibt an konkreten Beispielen, wie es gelingt, regionale Absatzwege für Bio-Fleisch von Weidetieren aufzubauen. Zentral für den Erfolg ist es, vor allem durch persönliche Kontakte die Küchenleitungen in der AHV für die Qualität der Produkte zu begeistern. Dazu vereinbart der Wertschöpfungsketten-Manager persönliche Termine, aber er nutzt auch Veranstaltungen wie vor kurzem einen BioBitte-Vernetzungsworkshop für die Pflege von Kontakten.

Frank Beccara

Frank Beccara arbeitet seit Oktober 2024 beim Schlacht- und Zerlegebetrieb Fairfleisch in Radolfzell am Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten für Bio-Weiderindfleisch. Für ihn ist es wichtig, dabei strategisch vorzugehen. Das heißt konkret: Er versucht stets, sich zunächst auf die Situation und Sichtweise seiner Kundschaft einzustellen. Welche Qualität ist ihnen wichtig? Was sind ihre Rahmenbedingungen? "Diesen kundenorientierten Blick lernt man, wenn man viele Jahre im Vertrieb arbeitet." Auf dieser Basis lassen sich dann längerfristige Geschäftsbeziehungen aufbauen.

Oekolandbau.de: In welchem Maße ist es Ihnen bisher gelungen, AHV-Küchen als Abnehmer für Bio-Weiderindfleisch aus der Region zu gewinnen?

Frank Beccara: Das lässt sich ganz einfach messen: Zu Beginn meiner Zeit als Wertschöpfungsketten-Manager haben wir pro Woche ein bis zwei Rinder geschlachtet, jetzt sind wir bei drei bis fünf Tieren. Den Großteil davon vermarkten wir an Küchen der Außer-Haus-Verpflegung.

Oekolandbau.de: Können Sie dafür konkrete Beispiele nennen?

Frank Beccara: Zu unserer Kundschaft gehören das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung in Esslingen, die Oberfinanzdirektion und das Opernhaus in Stuttgart, das Evangelische Diakoniekrankenhaus in Freiburg, der Bio2 Biomarkt mit Biobistro in Rottweil und Balingen sowie die Internatsschulen in Überlingen und Salem.

Oekolandbau.de: Welche Projektpartner sind mit im Boot?

Frank Beccara: Wenn es um verarbeitete Produkte geht, kooperieren wir mit der Metzgerei Ralf Buchmann in Grünkraut bei Ravensburg. Der Vertrieb zu den Kundinnen und Kunden liegt dann wieder bei uns. Bei Putenfleisch arbeiten wir mit der Metzgerei "Natürlich Böhm" in Stockach zusammen. Ganz neu ist jetzt auch die Zusammenarbeit mit der Genossenschaft Tagwerk in Bayern.

Oekolandbau.de: Wie gehen Sie vor, um neue Kundschaft für Bio-Weiderindfleisch zu gewinnen?

Frank Beccara: Ich gehe zum Beispiel gezielt auf die Landeskantinen hier in Baden-Württemberg zu und mache mit ihnen Termine aus. Im Zentrum stehen für mich dabei immer die Themen Qualität und transparente Herkunft. Zudem sind wir durch unsere Größe so flexibel, dass wir gezielt auf die Wünsche unserer Kundschaft eingehen können. Das betrifft die Würfelgröße von Gulasch, spezielle Rezepturen von Wurstwaren, individuelle Verpackungsgrößen und vieles mehr.

Oekolandbau.de: Wie ist die Resonanz der AHV-Kundschaft, wenn sie auf Bio-Weiderindfleisch umstellen?

Frank Beccara: In aller Regel integrieren die Küchen diese Produkte dann in ihren Speiseplan. Viele sagen uns, dass sie positive Rückmeldungen von den Tischgästen bekommen – in Bezug auf die Konsistenz, den Geschmack und die Optik.

Oekolandbau.de: Aber sicher gibt es doch auch Hemmnisse für die Zusammenarbeit. Wo liegen die vor allem?

Frank Beccara: Ein großes Thema sind natürlich die steigenden Preise im Rindfleischsektor. Damit müssen wir uns kontinuierlich auseinandersetzen. Zum einen wollen wir unseren Lieferanten faire Preise bezahlen. Zum anderen müssen die Produkte gerade für unsere Kundinnen und Kunden im Bereich der Außer-Haus-Verpflegung erschwinglich bleiben. Denn sie können die Kosten nicht einfach so an ihre Gäste weitergeben. Für uns ist deshalb wichtig, dass wir bei der Preisgestaltung immer die Situation und Budgets der Küchen mit im Blick behalten. Und manche bisherige Komfortsituation bezüglich den Anlieferungszeiten ist nicht mehr möglich.

Oekolandbau.de: Wie gelingt Ihnen dieser Spagat?

Frank Beccara: Zunächst einmal liegen wir mit unseren Produkten sicher nicht im hochpreisigen Bereich. Zum anderen haben gerade die GV-Küchen die Möglichkeit, durch die Häufigkeit und Größe von Fleischportionen die Kosten für den Einkauf im Rahmen zu halten. Zudem arbeiten wir daran, mehr Kundinnen und Kunden zu gewinnen, und können dadurch die Kosten wie beispielsweise für den Transport besser im Griff behalten. Für uns ist es deshalb ein wichtiges Ziel, die Mengen zu steigern.

Oekolandbau.de: Braucht es dafür auch persönliche Kontakte?

Frank Beccara: Auf jeden Fall. Bei allen digitalen Möglichkeiten, die wir heute haben: Geschäfte werden mit Menschen gemacht. Da hilft mir meine langjährige Erfahrung im Vertrieb. Es geht um viel mehr, als nur Verkaufsgespräche zu führen. Es geht darum herauszufinden, wo die besonderen Ansprüche der Kundschaft in Bezug auf Qualität und Produkteigenschaften liegen. In solchen Gesprächen entwickeln sich dann die Geschäftsbeziehungen.

Oekolandbau.de: Wie wichtig sind für Sie dafür auch Veranstaltungen vor Ort?

Frank Beccara: Solche Veranstaltungen in Präsenz sind sehr wichtig für uns, um Kontakte zu pflegen oder neue zu knüpfen. Beispielsweise konnte ich beim BioBitte-Vernetzungsworkshop in Bad Waldsee mit vielen der Teilnehmenden Gespräche führen, unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern eines regionalen Catering-Unternehmens. Für uns war das eine gelungene Veranstaltung, weil sie – im Gegensatz zu manchen anderen – gut besucht war und die richtigen Personen gekommen sind. Neben dem inhaltlich interessanten Programm blieb genügend Zeit für persönliche Gespräche.

Oekolandbau.de: Reichen die Triebkräfte des Marktes nicht aus, um solche Kontakte auf den Weg zu bringen?

Frank Beccara: Ich finde es generell eine gute Idee, dass der Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten von der öffentlichen Hand gefördert wird. Denn es braucht immer einen Anschub, um eine wirtschaftliche tragfähige Vermarktung für regionale Bio-Produkte aufzubauen. Die vom Land Baden-Württemberg geförderten Landeskantinen und die Förderung von Stellen für Wertschöpfungsketten-Manager im Rahmen des BÖL tragen dazu bei. Am Ende ist es aber unser Ziel, dass die von mir aufgebauten Geschäftsbeziehungen langfristig meine Stelle finanzieren. Darauf arbeiten wir hin. 

Oekolandbau.de: Was heißt das konkret?

Frank Beccara: Mein Ziel ist es, dass wir pro Woche zehn Rinder erreichen, die wir zum größten Teil an die Außer-Haus-Verpflegung vermarkten. Natürlich müssen wir schauen, dass wir dann auch die geeigneten Liefer-Betriebe finden. Aber gerade hier am Bodensee und in Oberschwaben gibt es dafür viele Potenziale.

Was sind die Ziele des Vereins GrasRind vom Bodensee?

Der eingetragene Verein hat zum Ziel, die Vermarktung von Bio-Kälbern aus der Milchviehhaltung und die Mast von Bio-Rindern aus der Region Allgäu-Bodensee-Oberschwaben zu steigern. Dabei verpflichten sich die Mitgliedsbetriebe, die Haltung der Tiere im Hinblick auf Tierwohl, Biodiversität, Klimaschutz und Ressourcenschonung fortlaufend zu optimieren. Fleisch darf nur unter der Marke GrasRind verkauft werden, wenn es von Rindern stammt, die zu mindestens 80 Prozent grasbasiert gefüttert wurden. Damit leistet der Verein einen Beitrag zum Verbleib von Kälbern aus der Bio-Milchviehhaltung in Baden-Württemberg, zur Steigerung des Absatzes von Bio-Rindfleisch und letztlich auch zur Erhaltung des Grünlandes. Denn nur wenn es Betriebe gibt, die eine grasbasierte Rinderhaltung auch wirtschaftlich betreiben, kann eine stark vom Grünland geprägte Kulturlandschaft wie am Bodensee langfristig erhalten werden.

Projektinfos

Weitere Informationen rund um das Projekt GrasRind vom Bodensee finden Sie im Projektsteckbrief. Das Projekt wird über die Förderrichtlinie RIWERT gefördert. Die Richtlinie ist eine Maßnahme des Bundesprogramms Ökologischer Landbau, initiiert und finanziert durch das Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat.


Text: Andreas Greiner, Ökonsult

Letzte Aktualisierung 13.10.2025

Nach oben
Nach oben