Öko-Haselnussanbau: Keine Kultur für Nebenbei

Öko-Haselnussanbau: Keine Kultur für Nebenbei

Haselnüsse sind in Deutschland sehr beliebt. Ob im Brotaufstrich, im Speiseeis oder in und auf zahlreichen Backwaren – man kommt gerade bei Süßwaren kaum an ihr vorbei. Dieser Hype deckt sicht allerdings nicht mit der hier angebauten Menge. Doch ließe sich diese Menge ankurbeln? Hat gerade der ökologische Haselnussanbau Potenzial und welche Hürden müssen genommen werden, um die Anbaufläche auszuweiten?

Welches Potenzial im Haselnussanbau steckt, hat man in Bayern über mehrere Jahre in einem groß angelegten Projekt erforscht. Ziel war es dabei, den bayerischen Haselnussanbau auf eine fachlich abgesicherte Grundlage zu stellen. Eine im März 2024 veröffentlichte Kulturanleitung zum ökologischen Haselnussanbau des Kompetenzzentrums Ökogartenbau an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) knüpft an die Arbeit des Projektes an. Interessierte Gärtnerinnen und Gärtner sollen hier grundlegende Informationen zum Anbau und zur Pflege von Bio-Haselnüssen bekommen. Carola Nitsch begleitete den Haselnussanbau in Bayern von 2006 bis 2017 in einem Projekt. Im Interview hat sie uns erzählt, wo der ökologische Haselnussanbau in Deutschland aktuell steht und welche Herausforderungen, aber auch Chancen dieser für landwirtschaftliche Betriebe bietet.

Oekolandbau.de: Wie groß ist aktuell der Bedarf für ökologisch erzeugte Haselnüsse? Hat der Anbau in Deutschland Potenzial?

Carola Nitsch: Der Bedarf für ökologische Haselnüsse ist sehr groß hierzulande. Deutschland ist eins der größten Konsumländer von Haselnüssen weltweit, hat allerdings so gut wie keine eigene Produktion. Vor allem ungeknackte Nüsse, also mit Schale, aber eben auch verarbeitete, oder geknackte Nüsse, sind sehr gefragt und werden im Moment nicht wirklich bedient. Die inländische Produktion reicht bei weitem nicht aus, um diesen Bedarf zu decken.

Oekolandbau.de: Warum hat in Deutschland so einen großen Bedarf an Haselnüssen?

Carola Nitsch: Weil wir Deutschen einfach sehr gerne Produkte aus und mit Haselnüssen essen. Sie sind ja fast überall enthalten – von Backwaren und diversen Brotaufstrichen bis hin zum veganen Segment. Vegetarierinnen und Vegetarier sowie Veganerinnen und Veganer sind immer mehr daran interessiert, ihren Eiweißbedarf nicht nur über Soja zu decken, sondern eben auch Nüsse dafür herzunehmen. Walnüsse sind dafür eine gute Quelle, aber viele mögen den intensiven Geschmack nicht. Die Haselnuss ist in diesem Fall eine gute Alternative.

Oekolandbau.de: Könnten Sie kurz skizzieren, was den ökologischen vom konventionellen Haselnussanbau unterscheidet?

Carola Nitsch: Generell muss man betonen, dass wir im Anbau von Haselnüssen relativ am Anfang stehen. Hier in Bayern sind in den vergangenen Jahren ein paar modernere Anlagen entstanden, aber das dauert natürlich noch, bis wir mehr wissen. Je länger sie stehen, desto besser können wir auch abschätzen, was wir an Krankheiten und Schädlingen zu erwarten haben. Generell kann man beim konventionellen Pflanzenschutz zum Beispiel relativ gut mit verschiedenen Maßnahmen agieren, wenn Genehmigungen oder Ausnahmeregelungen vorliegen. Dort gibt es zumindest Präparate, die man einsetzen kann. Im Bio-Anbau steht man vor so manchen Herausforderungen. Ein Beispiel ist die Marmorierte Baumwanze, die sticht die Nüsse an, wodurch diese kaputtgehen.

Auch der Haselnussbohrer richtet enorm viel Schaden an und minimiert die Erträge stark. Im Bio-Anbau bleibt in den meisten Fällen nur, Schädlingen und Krankheiten mit vorbeugenden Maßnahmen wie weiten Standweiten und der Sortenwahl zu begegnen. Auch bei Düngemaßnahmen ist noch vieles unklar. Wichtig ist, dass man die Düngung auf keinen Fall vernachlässigt, weil die Haselnuss sehr stark wächst und sie auch ausreichend Früchte tragen soll. Bio-Betriebe müssen daher sehr viel vorausschauender arbeiten. Leider denken viele, dass der Anbau von Haselnüssen einfach ist, weil sie quasi überall in Deutschland wächst. Wer aber wirklich eine regelmäßige Fruchtproduktion forciert, merkt relativ schnell, wie viele Feinheiten hier zu beachten sind und dass die Haselnuss eigentlich wie eine richtige Obstkultur zu behandeln ist. Man kann nicht einfach Haselnussbäume pflanzen und diese nebenbei wachsen lassen – das funktioniert weder im konventionellen noch im Bio-Anbau. Wer schon Erfahrung mit anderen Obstkulturen hat, für den ist die Haselnuss jedoch keine besonders schwierige Kultur.

Oekolandbau.de: Gibt es denn wie bei vielen anderen Kulturpflanzen spezielle Öko-Sorten?

Carola Nitsch: Also eine Haselnuss-Züchtung gibt es bei uns generell nicht. Gezüchtet wird nur in den USA. Mit den europäischen Siedlern kamen die europäischen Sorten nach Amerika. Der Pilz Eastern Filbert Blight (Anisogramma anomala), hat diese dann allerdings nach und nach dezimiert, weshalb dort schon früh mit der Resistenzzüchtung begonnen wurde. Dort werden bis heute immer wieder neue Sorten produziert, die speziell gegen Eastern Filbert Blight gezüchtet wurden. Inzwischen stehen aber auch Eigenschaften wie Ertrag und Qualität immer mehr im Fokus. In Europa hat ein niederländischer Hobbyzüchter eher durch Zufall zwei Sorten entdeckt, die sich gut für den Öko-Anbau eignen. Von einer gezielten Züchtung kann man da natürlich nicht sprechen. Wir sind generell froh, überhaupt Sorten gefunden zu haben, die dem Haselnussbohrer robuster als andere Sorten gegenüberstehen – auch wenn sie nicht komplett resistent sind.

Oekolandbau.de: Welcher Standort ist für die Haselnuss optimal? Und ist der Haselnussanbau mit dem sich verändernden Klima in Deutschland überhaupt vereinbar?

Carola Nitsch: Wichtig ist ein lockerer, humoser Boden und da sie extreme Flachwurzler sind, haben sie am liebsten eine dicke Mulchschicht auf dem Boden liegen, damit sie Nährstoffe und das Wasser gut halten können. Die Haselnuss ist daher nicht wirklich für Standorte in der prallen Sonne geeignet. Sobald einmal sechs Wochen lang kein Niederschlag fällt und es richtig heiß ist, kann auch eine Tröpfchenbewässerung den fehlenden Niederschlag nicht ersetzen. Die Bäume fangen dann an, die Blätter zu rollen und abzuwerfen. Als nächstes werfen sie ihre Nüsse ab, was natürlich im Erwerbsanbau fatal ist. Deswegen kamen wir auf die Idee der Veredelung mit der Baumhasel. Sie hat tiefgreifende Wurzeln und das Laub ist auch im Hochsommer immer noch dunkelgrün. Was aber sowohl Corylus avellana, als auch die Unterlage Corylus colurna nicht vertragen sind Staunässe oder Verdichtungen im Boden. Ich denke aber dennoch, dass der Haselnussanbau trotz der klimatischen Veränderungen eine Chance hierzulande hat. Wichtig ist es, Sorte und Standort gut aufeinander abzustimmen: Bei Frostgefahr also auf spät blühende Sorten setzen und nicht eine früh blühende Sorte in den Südhang pflanzen, wo schon klar ist, dass diese dann noch früher blüht als üblich.

Die männlichen Blütenstände oder auch Kätzchen genannt, bilden sich bereits im Spätsommer und sind im Winter gut sichtbar. Abhängig von Klima und Sorte, zeigen sie sich oft schon im Dezember bis Februar, in der Regel aber im März oder April. Die weiblichen Blütenorgane hingegen sind eher unscheinbar in den Knospen verborgen. Nur der etwa zwei Millimeter lange, rot leuchtende Stempel in Form kleiner Fäden, ist in der Blütezeit erkennbar. Die Blütezeit, also die Zeit, in der Pollen freigesetzt werden, ist bei der Haselnuss relativ kurz und dauert oft nur wenige Tage.

Oekolandbau.de: Ist die Haselnuss ein Kandidat für Agroforstsysteme?

Carola Nitsch: Agroforstsysteme werden in der Regel oft quer zum Wind gepflanzt. Und das ist für die Haselnuss mit ihrer spezielle Befruchtungsform und mit der Windbestäubung ein Problem, weil die Pollen aus der Anlage herausgetragen werden. Auch der Mischanbau mit anderen Gehölzen ist problematisch, weil man dabei Gefahr läuft, die Ernte der Haselnuss nicht mitzudenken. Bei den Sorten in unseren Versuchen fallen die Nüsse frei herunter und wenn diese nicht eingesammelt werden, haben Vögel oder auch Mäuse in der Zwischenzeit alles erledigt. Im Mix, zum Beispiel mit Walnuss, kann es zudem vorkommen, dass diese die Haselnuss irgendwann überwächst und die Haselnuss keine Chance mehr hat, sich richtig zu entwickeln. Sie hat einen gewissen Pflegeaufwand, der in einem Agroforstsystem schnell untergehen kann. Je größer und landwirtschaftlicher die Flächen genutzt werden, desto weniger Kapazität bleibt für die Haselnuss. Oft lohnt sich in großen Dimensionen auch der Haselnussanbau bei einer extensiven Bewirtschaftung in Agroforstsystemen wirtschaftlich nicht mehr. Die Investitionen sind dafür zu hoch und man wird der Haselnuss einfach nicht gerecht. Bei Betrieben, die Marktgärtnerei betreiben und ihre relativ kleinen Flächen aufwerten wollen, kann ich mir das allerdings durchaus vorstellen. Die haben in der Regel sowieso schon eine große Vielfalt auf den Flächen und diese auch im Blick, sodass der Haselnussanbau hier gut gelingen kann.


Film ab: Nuss statt Hopfen – Der Haselnussbauer aus der Holledau


Letzte Aktualisierung 17.10.2024

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