Wirtschaftliche Lage im Ökolandbau

Wirtschaftliche Lage im Ökolandbau

Der Ökolandbau blickt nach zwei Jahrzehnten Wachstum auf zwei schwierige Jahre zurück. Wie konnten sich Bio-Betriebe in dieser Zeit behaupten? Was können Betriebe tun, um ihre Erlöse künftig zu verbessern? Und mit welchen Ansätzen ließe sich die Erzeugerseite im Handel insgesamt stärken?

Fragen an Dr. Heike Kuhnert vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft

Oekolandbau.de: Frau Dr. Kuhnert, im Jahr 2023 ist die Zahl der Bio-Betriebe erstmals seit langem gesunken. Höhere Kosten und zum Teil schlechte Preise haben die Betriebe belastet. Steckt der Ökolandbau in einer Krise?

Dr. Heike Kuhnert: Wir analysieren seit Mitte der 1990er Jahre die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse der Ökobetriebe im Testbetriebsnetz des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 konnten wir 437 Bio-Betriebe und mehr als 1.700 vergleichbare konventionelle Betriebe in unsere Analyse einbeziehen. Hier sehen wir, dass die Bio-Betriebe die Kostensteigerungen im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine überkompensieren konnten. Das heißt, die Betriebsgewinne im Ökolandbau sind auch im Wirtschaftsjahr 2022/23 gestiegen, zumindest im Durchschnitt der Betriebe. Dabei liegen die Ackerbaubetriebe deutlich vorn, auch wenn hier der Gewinn stagnierte. Milchvieh- und Gemischtbetriebe verzeichneten dagegen deutliche Zuwächse im Vergleich zum vorherigen Wirtschaftsjahr. Insofern kann man auf Basis unserer Daten nicht so pauschal sagen, dass sich Bio-Betriebe in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befinden.

Oekolandbau.de: Welche Gründe sehen Sie für die eingetrübte Stimmung im Ökolandbau?

Dr. Kuhnert: Ich kann nicht einschätzen, inwieweit die Stimmung schlechter ist als die Zahlen. Fakt ist, dass es im Ökolandbau über 20 Jahre lang immer nur bergauf ging. Die Energiekrise und die höhere Inflationsrate in Folge des Ukrainekriegs führten aber unbestreitbar zu einer Delle bei der Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln. Aktuelle Zahlen der AMI zum Jahr 2024 zeigen nun wieder beim Umsatz mit Bio-Lebensmitteln inflationsbereinigt einen Anstieg. Dennoch zieht sich ein Thema seit längerem durch: Viele Bio-Betriebe sagen, dass die Erlöse nicht kostendeckend sind und zu geringe Rücklagen für größere Investitionen wie den Neu- oder Umbau von Ställen existieren. Nach unseren Zahlen gibt es sehr große Einkommensunterschiede zwischen den Bio-Betrieben. Das gilt auch für die Kostenstrukturen: Für manche Betriebe ist ein Milchpreis von 60 Cent pro Kilogramm auskömmlich, für andere ist es zu wenig. Das macht es schwer, gerechte beziehungsweise kostendeckende Preise für alle Erzeugerinnen und Erzeuger festzulegen. Das gilt für den konventionellen Bereich gleichermaßen.

Oekolandbau.de: Was unterscheidet erfolgreiche von weniger erfolgreichen Betrieben?

Dr. Kuhnert: Das Fazit ist immer: Das Management ist entscheidender als die Wirtschaftsweise. Wichtig ist, wie der Betrieb insgesamt geführt wird. Ein ganz wichtiger Punkt für auskömmliche Erlöse sind aus Sicht der Landwirtinnen und Landwirte erfolgreiche Preisverhandlungen. Neben Verhandlungsgeschick helfen dabei auch Zusammenschlüsse von Erzeugern, um größere Mengen und eine sichere Belieferung garantieren zu können. Da hat sich im Bio-Bereich in den letzten Jahren einiges getan. Erwähnenswert finde ich in diesem Zusammenhang die Arbeit des Bio-Kartoffel Erzeuger e.V. und des Aktionsbündnis Bio-Schweinehalter Deutschland e.V., die sich gezielt und nach meiner Wahrnehmung erfolgreich um eine Stärkung der heimischen Bio-Erzeuger gegenüber dem Handel kümmern. Sie tun dies verbandsübergreifend. Ein zentraler Erfolgsfaktor ist dabei, inwieweit der Handel besonderen Wert auf Ware aus deutscher Erzeugung legt und sich auf entsprechende Verträge mit den heimischen Bio-Erzeugern einlässt.

Dr. Heike Kuhnert

... ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig.

Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Analyse der wirtschaftlichen Lage von Öko-Betrieben in Deutschland und ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Mehr Infos auf der Webseite des Thünen-Institutes

Oekolandbau.de: Sie betonen das Management als entscheidenden Faktor für den Betriebserfolg. Verfügen die Betriebsleiterinnen und -leiter im Ökolandbau über genügend ökonomische Kompetenz?

Dr. Kuhnert: Als ich mein Studium begonnen habe, wurde die Betriebswirtschaft im Öko-Bereich häufig eher kritisch gesehen. Das nehme ich zum Teil auch heute noch so wahr. Ich würde mir wünschen, dass betriebswirtschaftliche Aspekte in der Beratung und im Ökolandbau insgesamt eine höhere Bedeutung bekommen. Auch Angebote wie das Testbetriebsnetz des Bundeslandwirtschaftsministeriums, in dem Buchführungsabschlüsse ausgewertet werden, nutzen zu wenig Betriebe. Viele Bio-Betriebe sind derzeit an der Schwelle zum Generationswechsel. Die Wirtschaftlichkeit ist für die jüngere Generation ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung, einen Hof zu übernehmen. Ökonomie sollte im Ökolandbau ein besseres Ansehen bekommen. Ich wünsche mir hier einen neutraleren und aufgeschlosseneren Umgang mit Themen wie Einkommen, Geld und Vorsorge. Denn ohne solide finanzielle Basis hat man keine Gestaltungsspielräume. Das gilt auf privater Ebene und auf betrieblicher Ebene noch viel mehr.

Oekolandbau.de: Die großen Player im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) haben in den letzten Jahren immer mehr Marktanteile dazugewonnen, überwiegend auf Kosten des Naturkosthandels. Macht das die Vermarktung für Bio-Erzeuger schwieriger?

Dr. Kuhnert: Das ist ein Bild, das seit langem gerne gezeichnet wird. Man sollte bedenken, dass der Umsatzanteil des LEH bereits seit 2007 über 50 Prozent des Bio-Marktumsatzes in Deutschland ausmacht. Für Kernprodukte wie Eier, Kartoffeln oder Möhren sind die großen Player schon lange die zentralen Absatzkanäle und Einkaufsstätten der Bio-Käufer. Letztlich hängt es auch hier wieder davon ab, welche Verträge zwischen den Marktpartnern ausgehandelt werden können. Nach meiner Erfahrung entwickeln auch Discounter ihre Bio-Erzeuger zum Teil gezielt weiter und sind an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert. Die Einschätzung, dass der Naturkostfachhandel per se der freundlichere Handelspartner ist, sehe ich kritisch. Letztlich sind es alles Kaufleute, die Geld verdienen wollen und das für eine nachhaltige Existenz auch müssen. Um die heimische Bio-Erzeugung und -Lebensmittelwirtschaft voran zu bringen, braucht es noch mehr Wertschöpfungsketten, die für alle Beteiligten auskömmlich und für die Bio-Konsumenten attraktiv sind – von der Direktvermarktung über die Außer-Haus-Verpflegung bis zum Discount. Damit die breite Masse der Konsumentinnen und Konsumenten besser erreicht wird, führt am LEH auch in Zukunft kein Weg vorbei.

Oekolandbau.de: Wie sieht es bei anderen Bio-Erzeugnissen aus, etwa beim Rindfleisch oder bei Milch?

Dr. Kuhnert: Die Vermarktung von Schlachtkühen läuft mal besser mal schlechter, der größte Teil der Ware landet in kleinen Hackfleischportionen in den Kühltresen der Supermärkte und Discounter. Wir schaffen es bislang leider nicht, die Vermarktung von ökologisch erzeugten Rindern im Ganzen voranzubringen und durchgehend auskömmliche Erzeugerpreise zu erzielen. Sehr bedauerlich finde ich persönlich, dass die Aufzucht und Vermarktung der männlichen Kälber aus der Öko-Milchviehhaltung noch eine große Baustelle ist. Es ist seit vielen Jahren ein Thema, dass diese Tiere überwiegend in die konventionelle Kälbermast verkauft werden. Eine Verbesserung der Brudertier-Vermarktung innerhalb des Ökomarktes würde auch die wirtschaftliche Lage von Öko-Milchviehbetrieben verbessern, weil der Gewinn nicht mehr allein von den Milcherlösen abhinge.

Oekolandbau.de: Warum werden trotz knappem Angebot an deutscher Bio-Ware keine guten Erzeugerpreise erzielt?

Dr. Kuhnert: Wir leben im Kapitalismus und nachhaltiges Handeln wird über den Markt bisher kaum entlohnt. Der Handel hat große Marktmacht. Es werden keine Geschenke für einen guten Zweck verteilt. Hinzu kommt: Der Öko-Markt ist im gesamten Lebensmittelmarkt immer noch ein kleines Segment, das durch die individuellen Vermarktungsstrategien und Handelspartnerschaften der ökologischen Anbauverbände weiter fragmentiert wird. Das ist für die Stärkung der Verhandlungsposition auf Anbieterseite nicht unbedingt förderlich und wirkt dem Aufbau von gemeinschaftlicher Marktmacht seitens der Öko-Akteure entgegen. Auch bei den Vertriebskosten schafft es nur Nachteile. Es geht nicht ohne eine verbesserte Zusammenarbeit der Anbauverbände, wenn die ökologischen Wertschöpfungsketten effizienter werden sollen. Effizienter in den Strukturen und Abläufen zu werden ist neben der Aushandlung von auskömmlichen Preisen ein Thema, das aus meiner Sicht mehr Beachtung erfahren sollte.

Oekolandbau.de: Sehen Sie auch positive Beispiele?

Dr. Kuhnert: Bei vielen Bio-Erzeugnissen hat man im Ökobereich Angebot und Nachfrage sehr genau im Blick. Bio-Molkereien machen das zum Beispiel sehr gut und schauen sehr genau hin, ob und wann sie neue Bio-Milchlieferanten aufnehmen. Auch bei Kartoffeln und Möhren gelingt es recht gut, Angebot und Nachfrage geschickt auszutarieren. Hier tun sich Erzeugerinnen und Erzeuger überverbandlich zusammen und versuchen gemeinsam, ihre Ware optimal zu platzieren. Das ist aus meiner Sicht der Weg, die Vermarktung zusammen mit den Handelspartnern weiterzuentwickeln und mehr Verbindlichkeit in Bezug auf Mengen und Preise für die Bio-Erzeuger zu bewirken.

Oekolandbau.de: Wie wird sich der Ökolandbau Ihrer Einschätzung nach weiterentwickeln in nächsten Jahren?

Dr. Kuhnert: Wenn die Rahmenbedingungen für die Öko-Förderung auf Erzeugerebene so bleiben - und davon gehe ich bis zum Ende der laufenden GAP-Periode in 2027 aus - erwarte ich keine großen Veränderungen. Im Moment freue ich mich, wenn die Netto-Bilanz bei der Entwicklung bei der Öko-Fläche in Deutschland positiv bleibt. Neuumstellungen im größeren Stil sind aktuell nicht in Sicht. Wie es weitergeht, hängt insbesondere auch von der Einkommenslage der konventionellen Betriebe ab. Die war in den zurückliegenden Wirtschaftsjahren überdurchschnittlich gut. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 haben die konventionellen Vergleichsbetriebe erstmals seit vielen Jahren deutlich besser als die Öko-Betriebe im BMEL-Testbetriebsnetz abgeschnitten. Bei dieser Ausgangslage gibt es kaum Bereitschaft zur Umstellung. Ein wichtiger Faktor ist auch die grundsätzliche Stimmung im Bio-Markt und ob Unternehmerinnen und Unternehmer an die Zukunft von Bio-Lebensmitteln glauben.


Letzte Aktualisierung 17.02.2025

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