Dr. Heike Kuhnert beschäftigt sich am Institut für Betriebswirtschaft des Thünen-Instituts unter anderem mit der Analyse der wirtschaftlichen Situation ökologisch wirtschaftender Betriebe und wertet hierzu Daten aus dem deutschen Testbetriebsnetz aus. Wissenswertes zum Hintergrund der Datenanalyse und zur Repräsentativität der Ergebnisse erläutert sie im Interview.
Oekolandbau.de: Kann jeder Bio-Betrieb am Testbetriebsnetz teilnehmen? Was sind Voraussetzungen hierfür?
Dr. Heike Kuhnert: Im Prinzip ja, aber es kommt darauf an. Mit dem BMEL-Testbetriebsnetz Landwirtschaft wird das Ziel verfolgt, aktuelle und repräsentative Daten zur wirtschaftlichen Lage der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland zu ermitteln und zu veröffentlichen. Zu diesem Zweck gibt es ein festgelegtes Verfahren, mit dem bundesweit landwirtschaftliche Betriebe nach bestimmten Kriterien für das Testbetriebsnetz ausgewählt werden. Eine grundsätzliche Voraussetzung ist, dass der landwirtschaftliche Betrieb im Wirtschaftsjahr einen Standardoutput von mindestens 25.000 Euro erzielt. Darüber hinaus werden für jedes Bundesland mit Hilfe eines Auswahlplans – der auf den Ergebnissen der Agrarstrukturerhebung beruht – Zielgrößen für die Anzahl an Betrieben und bestimmte Betriebsmerkmale festgelegt. Dazu gehört auch eine angestrebte Zahl an ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Hierbei ist anzumerken, dass die Teilnahme der ausgewählten Betriebe und Buchstellen am Testbetriebsnetz freiwillig ist.
Die Auswahl der Testbetriebe und die Erfassung von deren Buchabschlüssen für das BMEL-Testbetriebsnetz finden in den Bundesländern statt. In einigen Bundesländern gibt es dafür einen sogenannten Landesausschuss, der sich unter anderem aus Vertreterinnen und Vertretern der landwirtschaftlichen Buchstellen, Statistischen Landesämter, der Landwirtschaftskammern oder einer anderen Landesbehörde und des Berufstands zusammensetzt.
Oekolandbau.de: Inwiefern spiegeln die Daten aus dem Testbetriebsnetz die realen Bedingungen nicht-teilnehmender Öko-Betriebe wider?
Dr. Kuhnert: Wir gehen davon aus, dass die Daten der im Testbetriebsnetz vertretenen Öko-Betriebe, im Wirtschaftsjahr 2021/22 waren es 623 Betriebe, nicht repräsentativ für alle rund 36.000 Öko-Betriebe in Deutschland sind. Dies lässt sich allein aus dem zuvor beschriebenen Auswahlverfahren für die Teilnahme am Testbetriebsnetz ableiten. Nicht alle Betriebsformen sind gleichermaßen gut abgebildet, und Betriebe, die weniger als 25.000 Euro Standardoutput erzielen, sind nicht vertreten. Damit ist – gemessen an der Anzahl – ein nennenswerter Anteil der deutschen Öko-Betriebe, allerdings auch der konventionell wirtschaftenden Betriebe, nicht im Testbetriebsnetz repräsentiert.
Hinzu kommt, dass das Thünen-Institut sich in der vergleichenden Einkommensanalyse von konventionell und ökologisch wirtschaftenden Betrieben aus methodischen Gründen auf die Betriebsformen Ackerbau, Milchvieh, Sonstiger Futterbau und Gemischt konzentriert. Die ökologisch wirtschaftenden Betriebe, die den Betriebsformen Veredlung, Weinbau, Obst- und Dauerkulturen sowie Gartenbau zugeordnet sind, können aufgrund der zu geringen Fallzahlen und mangelnder Vergleichbarkeit nicht in unsere Einkommensanalyse einbezogen werden.
Oekolandbau.de: An welchen Stellschrauben kann gedreht werden, um die Einkommenssituation auf den Bio-Betrieben zu verbessern? Welche Besonderheiten prägten dabei das Wirtschaftsjahr 2021/22?
Dr. Kuhnert: Das Wirtschaftsjahr 2021/22 war von den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und den damit einhergehenden Marktstörungen gekennzeichnet. Ein großer Einfluss auf die Ergebnisse des Einkommensvergleiches war, dass die Erzeugerpreise für ökologisch erzeugte Produkte im Jahr 2022 einen deutlich geringeren Anstieg verzeichneten als für konventionelle Ware, insbesondere bei Milch und Getreide. Dies hat im Durchschnitt zu einer vergleichsweise stärkeren Gewinnsteigerung bei den Betrieben der konventionellen Vergleichsgruppe und einer Verringerung des Gewinnabstands zu den Öko-Betrieben geführt.
Ein über die Jahre konstantes Resultat der vergleichenden Einkommensanalyse ist: Es gibt erhebliche Erfolgsunterschiede zwischen den Öko-Betrieben insgesamt und auch innerhalb der verschiedenen Betriebsformen. Und damit kommen wir zu den möglichen Stellschrauben: Grundsätzlich ist eine optimierte Kosten- und Erlösstruktur eine zentrale ökonomische Stellschraube. Den Betrieb diesbezüglich laufend kritisch zu durchleuchten, wäre also eine Option. Idealerweise ist dies bereits Bestandteil des betrieblichen Managements, ein externer Blick durch Beratungskräfte kann dabei hilfreich sein. Im Ergebnis kann dies beispielsweise von Änderungen in den Futterrationen der Tiere bis zu einem grundsätzlichen Überdenken vorhandener Betriebszweige führen. Letzten Endes ist jede Betriebsleiterin beziehungsweise jeder Betriebsleiter gefordert, nach einer individuellen Antwort zu suchen, die zu den mitarbeitenden Menschen und dem Betrieb in seinem speziellen Umfeld passt. Sich immer wieder Zeit und auch gedankliche Muße für einen regelmäßigen Check-up in persönlichen und betrieblichen Belangen freizuschaufeln, ist aus meiner Sicht eine weitere und sehr wichtige Stellschraube, für die es durchaus Mut und viel Durchhaltevermögen braucht.