Interview: Welches Potenzial hat der Bio-Schweinemarkt?

Interview: Welches Potenzial hat der Bio-Schweinemarkt?

Der Markt für Bio-Schweinefleisch stagniert seit vielen Jahren. Bio-Schweinehalter Heinrich Rülfing geht davon aus, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird. Als Vorsitzender des Aktionsbündnis Bio-Schweinehalter Deutschland e.V. kennt er den Markt sehr gut. Wir haben ihn gefragt, wie es den Bio-Schweinebetrieben aktuell geht und warum er optimistisch in die Zukunft blickt.

Zahlen zum Bio-Schweinemarkt

Im Jahr 2023 wurden in Deutschland durchschnittlich etwa 177.000 Bio-Mastschweine inklusive Jungschweine gehalten, 20.300 Bio-Zuchtsauen und 85.200 Bio-Ferkel. Geschlachtet wurden etwa 375.000 Tiere aus ökologischer Haltung. Die Zahl der Bio-Schweine ist in den letzten Jahren leicht gestiegen. Dennoch liegt der Bio-Anteil von Schweinefleisch nach wie vor bei unter einem Prozent. Insgesamt wurden in Deutschland im Stichmonat November 2023 etwa 21,2 Millionen Schweine gehalten.

Quelle: Statistisches Bundesamt/AMI

Oekolandbau.de: Herr Rülfing, wie ist aktuell die Stimmung unter den Bio-Schweinebetrieben?

Heinrich Rülfing: Wie in allen Wirtschaftsbereichen haben auch die Bio-Schweinehalterinnen und -halter derzeit mit einem Mangel an Arbeitskräften zu kämpfen. Einige Betriebe hören auch auf. Aber nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern weil es keine geeignete Nachfolge gibt. Die Ertragslage für die aktiven Betriebe würde ich als gut und nachhaltig auskömmlich bezeichnen. Auch die Rahmenbedingungen stimmen. Es gibt genügend Förderprogramme zur Umstellung und auch eine gewisse Umstellungsbereitschaft.

Oekolandbau.de: Das ist überraschend. Seit vielen Jahren verharrt der Anteil von Bio-Schweinefleisch bei unter einem Prozent, während andere Bio-Segmente stark gewachsen sind. Warum geht es nicht voran, wenn die Voraussetzungen gut sind?

Heinrich Rülfing: Das ist in der Tat nicht ganz nachvollziehbar. Denn es ist einer der ganz wenigen Märkte mit einer Angebotslücke, die bei etwa zehn bis 20 Prozent liegt. Der Markt liegt hier brach und wird nicht von genügend Betrieben genutzt. Der größte Hemmschuh für die Umstellung sind sicherlich die hohen Kosten für den Stallneubau beziehungsweise für den Umbau bestehender Ställe, um die ökologischen Haltungsvorgaben zu erfüllen. Zum Teil geht aber auch die allgemeine Stimmung zurzeit nicht in Richtung Umstellung. Es gibt Vorbehalte gegenüber der ökologischen Produktionsform.

Oekolandbau.de: Ein zu geringes Angebot bietet ja eigentlich gute Voraussetzungen für die Verhandlungen mit dem Handel. Macht sich das in der Praxis bemerkbar?

Heinrich Rülfing: Der Markt ist aus Sicht der Erzeugerbetriebe in der Tat sehr entspannt. Die Ware ist knapp und gefragt. Deshalb sind die Erzeugerpreise auf einem guten Niveau und gleichzeitig sehr stabil. Üblich sind zurzeit sehr lange Lieferverträge über fünf bis zehn Jahre. Der besondere Vorteil dabei: Steigende Kosten für Energie, Futter oder Ferkel können von den Betrieben flexibel weitergegeben werden. Das akzeptieren die Abnehmer.

Oekolandbau.de: Seit der Corona-Pandemie haben Discounter und die großen Player im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ihre Erlöse mit Bio-Schweinefleisch erhöht, während der Naturkostfachhandel im gleichen Umfang Einbußen verzeichnet. Hat das Auswirkungen auf die Erzeugerbetriebe?

Heinrich Rülfing: Der Naturkostfachhandel hat kleinere Strukturen und deutlich höhere Kosten als der klassische LEH. Das heißt, wir haben sehr große Abnehmer mit sehr professionellen Strukturen auf der einen Seite und die noch relativ klein strukturierten Bio-Schweinehalter. Die Situation ist vergleichbar mit dem konventionellen Bereich vor etwa 40 Jahren. Die Strukturen auf der Bio-Erzeugerseite passen sich derzeit an, die Betriebe werden größer. Zudem werden sie sehr gut gemanagt, Mast und Ferkelaufzucht sind auf einem sehr hohen fachlichen Niveau. Die Einsparpotenziale bei den Kosten sind weitgehend ausgeschöpft. Zudem sehen wir viele Innovationen in der Haltung und Fütterung, etwa im Bereich der Eiweißkomponenten, mit denen die Erzeugung weiter professionalisiert werden kann. Insgesamt sind die Betriebe durch das knappe Angebot in einer guten Position, trotz der deutlich größeren Strukturen auf Abnehmerseite. Einfach, weil unser Produkt sehr attraktiv ist, auch für die großen Player im LEH.

Oekolandbau.de: Ist es vor diesem Hintergrund dennoch sinnvoll für Betriebe, sich zu einer Erzeugergemeinschaft zusammenzuschließen?

Heinrich Rülfing: Dieser Schritt lohnt sich auf jeden Fall. Wobei es im Bio-Schweinesegment weniger darum geht, mit einer Erzeugergemeinschaft höhere Preise zu erzielen. Viel entscheidender ist es, dass Betriebe ihr Angebot bündeln, um auf ausreichend große Mengen zu kommen und die Strukturen auf Abnehmerseite noch besser und lückenlos bedienen zu können.

Oekolandbau.de: Heißt das, als Erzeugerbetrieb sollte man sich diesen großen Strukturen anpassen, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein?

Heinrich Rülfing: Nein, die Strukturen in der Bio-Schweineerzeugung sind sehr unterschiedlich und werden es auch bleiben. Sie reichen von Kleinbetrieben mit eigener Verarbeitung und regionaler Direktvermarktung bis hin zu großen Betrieben, die ausschließlich Großabnehmer im LEH oder Discounterbereich beliefern. Je nach Standort und betrieblichen Voraussetzungen machen unterschiedliche Strukturen Sinn und bieten auch langfristig gute wirtschaftliche Perspektiven.

Oekolandbau.de: Das Aktionsbündnis der Bio-Schweinehalter Deutschland e.V. ist keine Erzeugergemeinschaft. Was bieten Sie Ihren Mitgliedsbetrieben?

Heinrich Rülfing: Das stimmt, bei uns ist jeder Betrieb autark. Unsere wichtigste Aufgabe ist die Marktbeobachtung und Auswertung aller verfügbaren Daten zum Bio-Schweinemarkt. Die Auswertungen geben wir an unsere knapp 100 Mitgliedsbetriebe bundesweit weiter. Wir wollen einen guten Informationsaustausch unter den Erzeugerbetrieben und eine möglichst große Markttransparenz. Das ist eine wichtige Voraussetzung bei Verhandlungen mit den großen Abnehmern aus dem LEH und Discounterbereich. Zudem beraten wir Betriebe ganz konkret, etwa bei der Vertragsgestaltung oder bei Bauvorhaben. Ziel ist es letztendlich, die Position der Bio-Betriebe im Markt zu stärken und ihre Interessen gegenüber Marktpartnern zu bündeln. Wir beraten aber auch Forschungsinstitute, Ministerien und andere Einrichtungen, etwa bei der Erarbeitung von Richtlinien oder zur Biosicherheit.

Oekolandbau.de: Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach der Bio-Schweinesektor in den nächsten Jahren entwickeln?

Heinrich Rülfing: Ich bin mir recht sicher, dass die Zahl der Bio-Schweinebetriebe in Deutschland wachsen wird und mehr Betriebe umstellen werden. Zwar geht der Fleischkonsum insgesamt zurück, aber die Nachfrage nach tiergerecht und nachhaltig erzeugtem Schweinefleischprodukten wird zunehmen und damit auch der Anteil von Bio-Ware im Markt. Ich selbst habe vor 20 Jahren umgestellt und muss sagen: Das macht einfach Spaß. Die Tiere sind gesund, es gibt kein Schwanzbeißen und auf meinen Flächen gibt es eine unglaubliche Biodiversität. Und bei all den Vorzügen passt es auch wirtschaftlich.


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Letzte Aktualisierung 18.11.2024

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